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Autor Thema: EuGH C-299/17 - Notifizierungspflicht für "techn. Vorschriften" -> Medien  (Gelesen 1970 mal)

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Interessant ist eine die Bundesrepublik Deutschland betreffende Entscheidung des EuGH, die besagt, daß "technische Vorschriften" für die Dienste der Informationsgesellschaft der Vorlage und Notifizierung durch die EU-Kommission benötigen und ohne diese national gegenstandslos sind.

Damit dürften auch die Rundfunkverträge mangels Notifizierung in weiten Teilen seit Urteilsverkündung am 12. Sept. '19 irrelevant sein.

Zitat
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die es ausschließlich gewerblichen Betreibern von Suchmaschinen und gewerblichen Anbietern von Diensten, die Inhalte entsprechend aufbereiten, verbietet, Presseerzeugnisse oder Teile hiervon (ausgenommen einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte) öffentlich zugänglich zu machen, im Sinne dieser Bestimmung eine „technische Vorschrift“ darstellt, deren Entwurf der Europäischen Kommission gemäß Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34 in der durch die Richtlinie 98/48 geänderten Fassung vorab zu übermitteln ist.

Rn. 39
Zitat
Soweit eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende speziell auf die Dienstleistungen der Informationsgesellschaft abzielt, ist der Entwurf einer technischen Vorschrift nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 98/34 der Kommission vorab zu übermitteln. Ist dies nicht geschehen, kann nach ständiger Rechtsprechung die Unanwendbarkeit einer innerstaatlichen technischen Vorschrift, die nicht gemäß dieser Bestimmung mitgeteilt worden ist, in einem Rechtsstreit zwischen Privaten geltend gemacht werden (Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction, C-613/14, EU:C:2016:821, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Jeder Private kann sich auf die Ungültigkeit einer notifizierungspflichtigen, aber nicht notifizierten Vorschrift berufen; cool nicht? Kommt aber noch dicker

Rn. 28
Zitat
Bezüglich der Frage, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung eine „Vorschrift betreffend Dienste“ im Sinne von Art. 1 Nr. 5 der Richtlinie 98/34 darstellt, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass ein „Dienst“ gemäß Art. 1 Nr. 2 dieser Richtlinie definiert wird als „eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d. h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung“..
Jede Vorschrift für eine auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung, also via Internet, ist eine "technische Vorschrift", die der Notifizierungspflicht unterfällt? Das gilt doch dann auch für audio-visuelle Mediendienste auf Abruf?

Rechtssache C-299/17
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=217670&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=8498598

In Erinnerung:

Ein Bundesgesetz ist eine vom Bund gesetzte Norm; siehe hierzu auch BVerfG 2 BvN 1/95, ergo ist ein Landesgesetz eine vom Land gesetzte Norm, die gemäß den EU-Vorschriften der Notifizierung bedarf, wenn sie als "technische Vorschrift" einzustufen ist?

Die in der Entscheidung des EuGH benannte Richtlinie ist jetzt offenbar nicht mehr in Kraft,

Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=celex:31998L0034

weil es eine Nachfolgebestimmung hat:

RICHTLINIE (EU) 2015/1535 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 9. September 2015

über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (kodifizierter Text)

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/TXT/?uri=CELEX:32015L1535

Und jetzt wird es interessant, denn diese Richtlinie nimmt Bezug auf die Richtlinie über audio-visuelle Mediendienste.

Zitat
Artikel 1
[...]
(2)   Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf:
a)
Hörfunkdienste;

b)
Fernsehdienste gemäß Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (6). [...]

Weiter heißt es:

Zitat
ANHANG I
[...]
3.   Nicht „auf individuellen Abruf eines Empfängers“ erbrachte Dienste

Dienste, die im Wege einer Übertragung von Daten ohne individuellen Abruf gleichzeitig für eine unbegrenzte Zahl von einzelnen Empfängern erbracht werden (Punkt-zu-Mehrpunkt-Übertragung):

a)
Fernsehdienste (einschließlich zeitversetzter Video-Abruf) nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 2010/13/EU;

b)
Hörfunkdienste;

c)
Teletext (über Fernsehsignal).

Dieses heißt also dann im Umkehrschluß, daß außer Hörfunk und den Fernsehdiensten nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 2010/13/EU alle anderen Mediendienste und damit auch die Vorschriften dafür von der Richtlinie, aus der vorstehend zitiert wurde, erfasst werden und Notifizierungspflicht besteht.

Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 2010/13/EU lautet:

Zitat
Artikel 1

(1)  Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
[...]
e) „Fernsehprogramm“ (d. h. ein linearer audiovisueller Mediendienst) einen audiovisuellen Mediendienst, der von einem Mediendiensteanbieter für den zeitgleichen Empfang von Sendungen auf der Grundlage eines Sendeplans bereitgestellt wird;
[...]

RICHTLINIE 2010/13/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 10.März 2010

zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste)

(kodifizierte Fassung)

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1440190481646&uri=CELEX:02010L0013-20100505

Das nationale Rundfunkregelwerk wird damit noch unendlich komplizierter, weil Vorschriften für beispielsweise

Zitat
Artikel 1

(1)  Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
[...]
g) „audiovisueller Mediendienst auf Abruf“ (d. h. ein nichtlinearer audiovisueller Mediendienst) einen audiovisuellen Mediendienst, der von einem Mediendiensteanbieter für den Empfang zu dem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt und auf dessen individuellen Abruf hin aus einem vom Mediendiensteanbieter festgelegten Programmkatalog bereitgestellt wird;
[...]

demnach der Notifizierung bedürfen?

Um die nun entstehende Verwirrung noch zu vervollständigen; ja, es hat auch noch eine Verordnung

VERORDNUNG (EU) Nr. 1025/2012 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 25. Oktober 2012

zur europäischen Normung, zur Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und 93/15/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 98/34/EG, 2004/22/EG, 2007/23/EG, 2009/23/EG und 2009/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung des Beschlusses 87/95/EWG des Rates und des Beschlusses Nr. 1673/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1572408289647&uri=CELEX:02012R1025-20151007

die die Richtlinie, auf die sich der EuGH bezieht, einbezieht und ändert, wie sie auch durch jene hier zitiert Richtlinie (EU) 2015/1535 geändert wird.

Kurios, daß eine Richtlinie eine Verordnung ändern kann und die Verordnung zusätzlich weiterhin in Kraft bleibt, da nur Artikel 26 Absatz 2 der Verordnung aufgehoben worden ist, der folglich in dieser Verordnung auch nicht mehr enthalten ist; der volle Wortlaut der Verordnung ist also gültig.

Zur Erinnerung:
Während die Richtlinie der nationalen Umsetzung bedarf, ist die Verordnung auch ohne diese unmittelbar bindend.


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 30. Oktober 2019, 06:07 von pinguin«
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  • Beiträge: 3.238
Damit dürften auch die Rundfunkverträge mangels Notifizierung in weiten Teilen seit Urteilsverkündung am 12. Sept. '19 irrelevant sein.
Wo erkennst du, dass die "Rundfunkverträge mangels Notifizierung in weiten Teilen seit Urteilsverkündung am 12. Sept. '19 irrelevant" sind?

Fernsehen und Hörfunkdienste sind ausgenommen - es soll doch offensichtlich geregelt werden, dass Printmedien ihre Internetinhalte vergütet bekommen.

Ich sehe die Verbindung zu den Rundfunkverträgen nicht.


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 30. Oktober 2019, 22:40 von Bürger«

  • Beiträge: 7.388
Fernsehen und Hörfunkdienste sind ausgenommen - es soll doch offensichtlich geregelt werden, dass Printmedien ihre Internetinhalte vergütet bekommen.
Die Verbindung besteht dort, wo audio-visuelle Internetinhalte geregelt werden sollen.

Zitat
§ 1
Anwendungsbereich


(1) Dieser Staatsvertrag gilt für die Veranstaltung und Verbreitung von Rundfunk in Deutschland in einem dualen Rundfunksystem; für Telemedien gelten nur der IV. bis VI. Abschnitt sowie § 20 Abs. 2.

[...]

§ 50
Grundsatz


Die Entscheidung über die Zuordnung, Zuweisung und Nutzung der Übertragungskapazitäten, die zur Verbreitung von Rundfunk und vergleichbaren Telemedien (Telemedien, die an die Allgemeinheit gerichtet sind) dienen, erfolgt nach Maßgabe dieses Staatsvertrages und des jeweiligen Landesrechts.

[...]

Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag - RStV)
https://bravors.brandenburg.de/vertraege/rstv

Es wäre denkbar, daß derartige pauschale Formulierungen, siehe Hervorhebung in Rot, auf EU-Ebene bzw. beim EuGH nicht durchgehen.

Alles, was nur ausdrücklich "auf individuellen Abruf" seitens des audio-visuellen Mediendiensteanbieter geleistet wird, bedarf der Vorlage, weil es sich nicht um ein dem Rundfunk vergleichbares Telemedium handelt und jede Regel dafür eine vorlagepflichtige "technische Vorschrift" darstellt.

Ein dem Rundfunk vergleichbares Telemedium wäre nämlich nur (Zitat aus dem Eingangsbeitrag):

Zitat
3.   Nicht „auf individuellen Abruf eines Empfängers“ erbrachte Dienste

Dienste, die im Wege einer Übertragung von Daten ohne individuellen Abruf gleichzeitig für eine unbegrenzte Zahl von einzelnen Empfängern erbracht werden (Punkt-zu-Mehrpunkt-Übertragung):

a)
Fernsehdienste (einschließlich zeitversetzter Video-Abruf) nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 2010/13/EU;


bzw.

Zitat
[...]
e) „Fernsehprogramm“ (d. h. ein linearer audiovisueller Mediendienst) einen audiovisuellen Mediendienst, der von einem Mediendiensteanbieter für den zeitgleichen Empfang von Sendungen auf der Grundlage eines Sendeplans bereitgestellt wird;
[...]

Und hier haben wir halt wieder das allgemeine Kriterium, daß Internet kein Rundfunk ist; wer nur einen einfachen Internetanschluß hat und nicht zusätzlich dazu die Einspeisung von Fernsehsendungen bei seinem Internetanbieter, bspw., beauftragt, kann, weil er keinen Rundfunk empfängt, auch nicht beitragspflichtig sein.

Der Rundfunkbeitrag ja eine staatliche Beihilfe; (C-337/06 bzw. C-492/17);
eine staatliche Beihilfe darf nur in einer Höhe geleistet werden, wie sie der Wettbewerber zur gleichartigen Aufgabeerfüllung aufwenden würde;
dem Wettbewerber steht zudem der Zugriff auf die finanziellen Mittel all derjenigen, die nichts von ihm wollen, die ihn also nicht beauftragt haben, nicht zur Verfügung;

In dem sich der ÖRR das Recht herausnimmt, jene abzuzocken, die sich nicht für ihn interessieren, überhöht er die staatliche Beihilfe in einem von Europa, Bund und Land nicht authorisierten Umfang, worauf der überschüssige Betrag zurückzufordern wäre.


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