...ziemlich erschreckend der o. g. negative Beschuss über die Erinnerung einer "gez-Schuldnerin". http://www.amtsgericht-stuttgart.de/pb/site/jum/get/documents/jum1/JuM/import/amtsgericht%20stuttgart/Dateiablage%20nach%20Migration/Beschluss%20des%20Vollstreckungsgerichts%20vom%2016.01.2015%20zur%20Vollstreckung%20des%20Rundfunkbeitrages.pdfFrage: Was bedeutet der Beschluss? Was könnte er aktuell bedeuten für fiktive weitere Beitragsschuldner/innen bzgl. der Möglichkeit, sich im Umgang mit den Gerichtsvollziehenden (GV) zurzeit auf das "Tübinger Urteil" zu berufen?
1. ZustellungDas Vollstreckungsgericht Stuttgart lässt ja auch - ohne Zustellungsnachweis - die einfache Bekanntgabe des Beitragsbescheides gelten, mit Hinweis auf den sog. "Anscheinsbeweis":
Das reine Behaupten eines unterbliebenen oder verspäteten Zugangs reicht dabei jedoch nicht aus. Erforderlich ist vielmehr der substantiierte Vortrag eines atypischen Geschehensablaufs, sonst bleibt es bei der Fiktion, sofern die Behörde einen ordnungsgemäßen Vermerk über die Aufgabe des Verwaltungsaktes zur Post gefertigt hat. Legt der Adressat plausibel dar, dass ihm die Sendung nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist, so liegt ein Zweifelsfall vor, in welchem die Behörde die Beweislast trifft (Kopp/Ramsauer VwVfG 13. Aufl. § 41 Rn 43). Hier hat die Gläubigerin überzeugend – und durch Vorlage der einzelnen Bescheide und der dazugehörenden internen Aktenausdrucke – dargelegt, dass sämtliche Bescheide an die jeweilige korrekte aktuelle Anschrift der Schuldner in adressiert waren und nicht als unzustellbar zurückkamen. Damit ist nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins, die auch bei der Übermittlung von Rundfunkgebührenentscheidungen gelten, davon auszugehen, dass die Schuldnerin die streitigen 7 Beitragsbescheide erhalten hat (VGH BW Beschluss vom 05.06.2014 – 2 S 829/14 und Beschluss vom 16.07.2014 – 2 S 805/14; Sächsisches OVG Beschluss vom 16.07.2012 – 3 A 663/10; jeweils mwN). Demgegenüber hat die Schuldnerin lediglich pauschal vorgetragen, dass sie im Zeitraum von 2008 bis 2014 in einem Wohnheimkomplex mit insgesamt 330 Mitbewohnern gewohnt habe und es aufgrund von kindischen Aktionen eines Teils
der Bewohner, wie Briefkästen aufhebeln oder sprengen, keine Seltenheit gewesen wäre, dass von Zeit zu Zeit Paket- und Briefsendungen nicht zum rechtmäßigen Empfänger gelangt seien.
Dies erklärt jedoch nicht nachvollziehbar, warum keiner der insgesamt 7 Bescheide an 3 unterschiedlichen Anschriften zugegangen sein soll (auch nicht die beiden letzten an die jetzige Anschrift der Schuldnerin in Stuttgart gerichteten, während offensichtlich aber sämtliche das Zwangsvollstreckungsverfahren betreffenden Schreiben zugegangen sind). (s. Beschluss des AG Stuttgart 2M 57976/14)
So gesehen würde es sich ja geradezu empfehlen, einige Briefe der GEZ als unzustellbar zurückgehen zu lassen an den Absender...
In Bezug auf den sogenannten "Anscheinsbeweis" im Zusammenhang mit Zustellungen gibt es hier im Forum Hoffnung:
Probleme mit dem Beitragsservice: Fristwahrung nach Bekanntgabe/ Zustellung - Unzulässigkeit von Anscheinsbeweisen « am: 17. März 2014, 04:26 »
Um die Beweispflicht der Rundfunkanstalt deutlich zu machen, zitieren Sie den Bundesgerichtshof (BGH).
Der BGH hat nämlich über die Heranziehung von Anscheinsbeweisen im Falle von angeblich zugestellten Einschreibebriefen folgende Aussage getroffen:
Es sei schließlich ganz und gar typisch, dass Einschreibebriefe ihren Adressaten erreichen, und dennoch werde ein Anscheinsbeweis nicht zugelassen, weil es in 266 von 1 Million Fällen vorkomme, dass Einschreibesendungen verlorengingen (BGHZ 24, 308, 312 ff.). Der Anscheinsbeweis sei nicht schon dann geführt, wenn zwei verschiedene Möglichkeiten eines Geschehensablaufs in Betracht zu ziehen sind, von denen die eine wahrscheinlicher ist als die andere (ebenda).
Kann man nur hoffen, dass das BGH-Urteil (anscheinend von 2009), noch richtungsweisend ist... Immerhin beziehen sich die vom AG Stuttgart genannten Urteile auf 2014 (OVG BW) und 2012 (OVG Sachsen)
Weitere hoffnungsfrohe
Infos hierzu evtl.:
https://detlefnolde.wordpress.com/ 2014/ 08/ 03/ behoerde-muss-zustellnachweis-erbringen/ (Seite lässt sich schwer öffnen), hier insbesondere Bundestag 2013
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/136/1713682.pdf2. Weitere formale AnforderungenUnd was ist das für eine Regelung, die laut LVwVG (Land Baden Würtemberg, Verwaltungsverfahrensgesetz) die Vorlage eines vollstreckbaren Titels für überflüssig erklärt? (s. Beschluss des AG Stuttgart 2M 57976/14)
Gemäß § 16 Abs. 3, 15a Abs. 3 LVwVG tritt an die Stelle des Vollstreckungstitels und dessen vollstreckbare Ausfertigung das schriftliche Vollstreckungsersuchen des Gläubigers, ...sodass eine Vorlage der zu vollstreckenden Beitragsbescheide selbst nicht erforderlich ist.Dies scheint zumindest für die Abgabe der Vermögensauskunft (früher: Offenbarungseid) zu gelten, welche in § 16 Abs.3 LVwVG geregelt wird: (s.
http://dejure.org/gesetze/LVwVG/16.html)
Frage: gilt das auch für andere Zwangsvollstreckungsaufträge?An die Stelle des Vollstreckungstitels tritt der schriftliche Antrag der Vollstreckungsbehörde; für den Antrag gilt § 15a Abs. 4 entsprechend.
und § 15a Abs. 4 regelt dann die notwendigen formalen Anforderungen, die der Antrag zur Abgabe des Vermögensverzeichnisses
-und nur der?- zu erfüllen hat (z.B. Dienstsiegel, Unterschriften etc. gemäß Tübinger Urteil). Schön nachzulesen:
www.dejure.org/gesetze/LVwVG/15a.html. Im positiven Beschluss des AG Mannheim wurde dies alles berücksichtigt.
Frage: Schön und gut. Aber wer weiß, was es in anderen Bundesländern bezüglich der Form- und Verfahrensvorschriften gilt? Oder sind die im wesentlichen allgemeingültig? Sind sie bundesgesetzlich geregelt?Sehr schöne Hinweise (danke
) hierzu siehe oben, Beitrag von pinguin vom 15.02.15.: GEZ-GegernInnen müssten sich über die für sie geltenden Verwaltungsverfahrensordnungen kundig machen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Landesverwaltungsverfahrensgesetz Für Bayern z. B. gilt für den Rundfunkstaatsvertrag besonderes (s. Ausführungsgesetz, Art. 1):
Der Bayerische Rundfunk ist befugt, für die Vollstreckung von Rundfunkgebührenforderungen Vollstreckungsanordnung zu erteilen und zu diesem Zweck die Vollstreckungsklausel auf eine Ausfertigung des Leistungsbescheids oder eines Ausstandsverzeichnisses zu setzen. 3 Bei einer Vollstreckungsanordnung, die mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können Unterschrift und Dienstsiegel fehlen.
Frage: Setzt dies die "normalen" bayerischen Verfahrensregelungen außer Kraft? Die Tücke steckt vermutlich im Detail
Zusammenfassung: Fiktive GEZ-Gegner/innen müssten die Bestimmungen ihres eigenen Bundeslandes bzgl. der Form- und Verfahrensvorschriften genauer kennen. Diese könnten von den Baden-Württembergischen abweichen. D. h. man könnte sich am Tübinger Urteil und am Ausgang des dazugehörigen Revisionsverfahrens (ab Juni 2015) nur orientieren.
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