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Autor Thema: Landtag BB: Bericht des Petitionsausschusses 2019-2020  (Gelesen 1206 mal)

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Landtag Brandenburg
Drucksache 7/2255

Bericht über die Arbeit des Petitionsausschusses gemäß § 12 des Gesetzes über die Behandlung von Petitionen an den Landtag Brandenburg (Berichtszeitraum 25. September 2019 bis 24. September 2020)

Zitat von: Landtag Brandenburg, Drucksache 7/2255 - Bericht über die Arbeit des Petitionsausschusses (25.09.2019 - 24.09.2020)
5.Rundfunkbeitragspflicht

Ebenso wie die früher gerätebezogen erhobenen Rundfunkgebühren sind auch die seit ihrer Einführung im Jahr 2013 geräteunabhängig zu entrichtenden Rundfunkbeiträge fortlaufend Gegenstand von Petitionen. Im aktuellen Berichtszeitraum war wieder eine leichte Häufung derartiger Beschwerden feststellbar, die sowohl die generelle Ablehnung des Beitrags als auch die Zahlungspflicht nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag in konkreten Fallgestaltungen betrafen. Der Kreis der Petenten umfasste unter anderem Eheleute mit einer Zweitwohnung, Wohngeldbezieher und Studenten. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2018 geurteilt, dass ein privater Beitragsschuldner, der mehrere Wohnungen selbst nutzt, nicht mit mehr als einem vollen Rundfunkbeitrag belastet werden darf. Die bis dato im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag geregelte doppelte Heranziehung ein und derselben Person für ihre Haupt- und Nebenwohnung verstößt nach den Feststellungen des Gerichts gegen das Grundgesetz. Von dem Urteilsspruch sind allerdings Ehegatten, die ebenfalls am Zweitwohnsitz gemeldet sind, für den gemeinsamen Hauptwohnsitz jedoch keinen Rundfunkbeitrag zahlen, nicht erfasst. Das bedeutet, dass weiterhin ein Ehepartner für die eheliche Hauptwohnung und der andere für die Zweitwohnung herangezogen werden konnte. In derartigen Fällen war eine Beitragspflicht des Ehegatten für den Zweitwohnsitz seit dem Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur vermeidbar, wenn sich der betreffende Ehegatte vom Zweitwohnsitz abmeldet. Diese Situation sorgte verständlicherweise für Unmut bei den Betroffenen und führte auch zu Beschwerden beim Petitionsausschuss. Der Beitragsservice war jedoch aus rechtlichen Gründen gehalten, den genauen Wortlaut der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigen, der die bisherige von den Bundesländern getroffene Regelung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages zur generellen Beitragspflicht sowohl für Erst- als auch für Zweitwohnungen faktisch ersetzte. Von der Politik wurde die Problematik in der Folgezeit erkannt. Im Oktober 2019 unterzeichneten die Bundesländer den 23.Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der nunmehr festlegt, dass die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für Nebenwohnungen nicht nur für die Person gilt, die den Beitrag für den Hauptwohnsitz zahlt, sondern auch für deren Ehepartner oder eingetragenen Lebenspartner. Auch wenn diese staatsvertragliche Änderung im Ergebnis der gesetzgeberischen Umsetzung erst zum 1.Juni 2020 in Kraft getreten ist, entschied der Beitragsservice aufgrund des ausdrücklichen Willens der Bundesländer, seine Verwaltungspraxis nach der Unterzeichnung des Rundfunkänderungsstaatsvertrages bereits zum 1.November 2019 im Vorgriff auf die sich ändernde Regelung zugunsten von Ehe- und Lebenspartnern umzustellen. Den Petitionsanliegen konnte damit im Wesentlichen abgeholfen werden.

Empfänger von Wohngeld wandten sich mit der Forderung an den Petitionsausschuss, aufgrund ihrer finanziellen Lage von der Rundfunkbeitragszahlung befreit zu werden. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sieht für diese Personengruppe eine Befreiung aber nicht per se vor. Die Möglichkeit einer Beitragsbefreiung aus sozialen Gründen ist an die formale Vorlage entsprechender Sozialleistungsbescheide, die im Staatsvertrag abschließend aufgelistet sind, gebunden. Dies dient dazu, das Befreiungsverfahren einfacher und transparenter zu gestalten. Wohngeldbescheide sind in diesem Katalog nicht angeführt, weil Wohngeld wegen einer anderen Zweckbestimmung und Bedarfsberechnung nicht als vergleichbar mit den aufgelisteten Sozialleistungen angesehen worden ist. Im Einzelfall könnte nach entsprechender Prüfung unter Umständen nur die im Staatsvertrag ebenfalls enthaltene Härtefallregelung greifen. Gerichte haben allerdings bereits entschieden, dass diese Ausnahmeregelung nicht für Fälle anwendbar ist, in denen Betroffene entweder befreiungsbegründende Sozialleistungen in Anspruch nehmen könnten, diese aber nicht beantragen, sondern darauf verzichten, oder aber mangels Erfüllung der bedürftigkeitsbezogenen Voraussetzungen befreiungsbegründende Sozialleistungen nicht erhalten. Vor dem Hintergrund, dass auch Empfänger von Wohngeld gleichwohl regelmäßig in sehr angespannten finanziellen Verhältnissen leben, beschloss der Petitionsausschuss, die Thematik dem für Rundfunkangelegenheiten zuständigen Hauptausschuss des Landtages zur Kenntnisnahme zukommen zu lassen. Dies wurde mit der Anregung verbunden, auf Länderebene gegebenenfalls eine Diskussion zur Aufnahme von Wohngeldbescheiden in den Katalog der Befreiungstatbestände für den Rundfunkbeitrag anzustoßen. Weitergehende Handlungsoptionen sah der Ausschuss für sich angesichts der geltenden Rechtslage nicht.

Hingegen konnte eine Studentin, die sich im Namen bedürftiger Studenten ebenfalls mit der Bitte um Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht an den Petitionsausschuss gewandt hatte, angesichts einer aktuellen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2019 auf die Möglichkeit der Anerkennung eines Härtefalls verwiesen werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit die bisherige restriktive Handhabung der Härtefallregelung durch die Landesrundfunkanstalten moniert und klargestellt, dass die Regelung auch für Beitragsschuldner anzuwenden ist, die vergleichbar bedürftig sind wie Empfänger von anerkannten Sozialleistungen, trotz bestehender Bedürftigkeit aber aus einem anderen Grund vom Bezug einer beitragsbefreiungsbegründenden Sozialleistung ausgeschlossen sind. Dies wurde konkret für den Fall einer Studentin entschieden, die keine beitragsbefreiende Bundesausbildungsförderung erhält und auch vom Bezug anderer Sozialleistungen ausgeschlossen ist, weil sie ein nicht mehr förderfähiges Zweitstudium absolviert.

Wiederholt wünschten sich grundsätzlich zahlungswillige Petenten, dass der Rundfunkbeitrag monatlich gezahlt werden kann, weil dies insbesondere für Personen mit geringen Einkünften finanziell besser planbar sei als die aktuell im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag vorgegebene Zahlung in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate. Die hierzubefragte Landesregierung begründete die festgelegte Zahlweise mit einer dadurch bedingten Reduzierung des Verwaltungs- und Kostenaufwandes, der auch im Interesse der Beitragszahler liege. Der Petitionsausschuss leitete auch dieses Anliegen dem Hauptausschuss des Landtages zur möglichen Einbeziehung in die zu diesem Zeitpunkt noch laufenden Gesetzesberatungen zur 23. Änderung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages zu. Nach dem Inkrafttreten des Änderungsstaatsvertrages, der keine veränderte Zahlweise beinhaltet, nahm der Petitionsausschuss eine neuerliche Petition zum gleichen Thema zum Anlass, bei der Landesregierung unter dem Aspekt der Digitalisierung den Verwaltungs- und Kostenaufwand sowie Möglichkeiten der Beibehaltung einer quartalsweisen Kontrolle von Zahlungseingängen trotz monatlicher Zahlweise zu hinterfragen. Die Ermittlungen des Ausschusses hierzu waren im Berichtszeitraum noch nicht abgeschlossen.

Download des Originaldokuments (pdf, ~330 kb)
https://www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de/parladoku/w7/drs/ab_2200/2255.pdf


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Was die Fälle einer gemeinsamen Nebenwohnung von Ehepaaren oder sonstigen Paaren angeht (gemeinsam genutzte Datsche) ist der Landtag einer Rechtsansicht der Rundfunkanstalten gefolgt, die nach den nunmehr veröffentlichten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts als rechtswidrig anzusehen ist:
Zitat von: Landtag Brandenburg, Drucksache 7/2255 - Bericht über die Arbeit des Petitionsausschusses (25.09.2019 - 24.09.2020)
[...] Von dem Urteilsspruch sind allerdings Ehegatten, die ebenfalls am Zweitwohnsitz gemeldet sind, für den gemeinsamen Hauptwohnsitz jedoch keinen Rundfunkbeitrag zahlen, nicht erfasst. Das bedeutet, dass weiterhin ein Ehepartner für die eheliche Hauptwohnung und der andere für die Zweitwohnung herangezogen werden konnte. In derartigen Fällen war eine Beitragspflicht des Ehegatten für den Zweitwohnsitz seit dem Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur vermeidbar, wenn sich der betreffende Ehegatte vom Zweitwohnsitz abmeldet. Diese Situation sorgte verständlicherweise für Unmut bei den Be-troffenen und führte auch zu Beschwerden beim Petitionsausschuss. Der Beitragsservice war jedoch aus rechtlichen Gründen gehalten, den genauen Wortlaut der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigen, der die bisherige von den Bundesländern getroffene Regelung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages zur generellen Beitragspflicht sowohl für Erst- als auch für Zweitwohnungen faktisch ersetzte. Von der Politik wurde die Problematik in der Folgezeit erkannt. [...]
https://www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de/parladoku/w7/drs/ab_2200/2255.pdf

Hier die Urteile des BVerwG vom 25.01.2023 (Az. 6 C 6.21, 6 C 7.21 und 6 C 9.21)
BVerwG Pressemitteilung 25.01.2023 - Befreiung f. Zweitwohnungen gem. BVerfG
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=37060.0
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,37060.msg222310.html#msg222310

Durch die kritiklose Übernahme einer fehlerhaften Rechtsansicht hat der Landtag die rechtswidrige Erhebung von Rundfunkbeiträgen gefördert.
Wofür diese zusätzlich von Brandenburgern eingenommen Gelder zweckentfremdet wurden, kann man hier im Forum an anderen Stellen im Rahmen der RBB-Affäre nachlesen.

Dass die Politik die Problematik erkannt hat, ist also ein Witz: für die gemeinsame Datsche unverheirateter Paare wurde die Befreiungsmöglichkeit durch die staatsvertragliche Neuregelung abgeschafft (jedenfalls wenn man die herrschende Interpretation zu Grunde legt).  Die Neuregelung stellt also eine Verschlechterung gegenüber der vom BVerfG getroffenen Übergangsregelung dar.


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