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Autor Thema: EuGH C-205/21 - Auch Gerichte haben die Pflicht, Unionsrecht zu realisieren  (Gelesen 590 mal)

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Der EuGH bestätigt mit dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung und kommt zur Aussage, daß nicht nur jedwede staatliche Gewalt verpflichtet ist, Unionsrecht zu realisieren und das nationale Recht nur insoweit anwenden darf, wie es mit dem Ziel einer Richtlinie vereinbar ist, sondern auch alle Gerichte dazu verpflichtet sind, sich bei ihren Entscheidungen zwingend an den Vorgaben des Unionsrechts zu orientieren.

Insofern haben diese Aussagen auch Tragweite in Belange des ÖRR, reguliert die Richtlinie 2010/13/EU unionsseitig doch die audio-visuellen Medien und damit auch den ÖRR.

Konsolidierter Text: Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10.März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) (kodifizierte Fassung) (Text von Bedeutung für den EWR)
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1576260480749&uri=CELEX:02010L0013-20181218

Hinweis für jene, die es zusätzlich interessiert:
Nachstehende Entscheidung ist eine Datenschutzentscheidung, betrifft das Strafrecht und die Verarbeitung von Fingerabdrücken und genetischer Merkmale, die auf die konkrete Person schließen lassen.

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)
26. Januar 2023(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Richtlinie 2016/680 (EU) – Art. 4 Abs. 1 Buchst. a bis c – Grundsätze in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten – Zweckbindung – Datenminimierung – Art. 6 Buchst. a – Klare Unterscheidung zwischen den personenbezogenen Daten verschiedener Kategorien von Personen – Art. 8 – Rechtmäßigkeit der Verarbeitung – Art. 10 – Umsetzung – Verarbeitung biometrischer Daten und genetischer Daten – Begriff ‚Verarbeitung, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats zulässig ist‘ – Begriff ‚unbedingte Erforderlichkeit‘ – Ermessen – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 7, 8, 47, 48 und 52 – Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Unschuldsvermutung – Einschränkung – Vorsätzliche Offizialstraftat – Beschuldigte Personen – Erhebung fotografischer und daktyloskopischer Daten für die Zwecke ihrer Registrierung sowie Entnahme einer biologischen Probe zur Erstellung eines DNA-Profils – Verfahren der zwangsweisen Durchführung der Erhebung – Systematische Erhebung“

In der Rechtssache C-205/21

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=269704&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=16365

Zitat
71      Als Viertes ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 288 Abs. 3 AEUV vorgesehene Pflicht eines Mitgliedstaats, alle zur Erreichung des durch eine Richtlinie vorgeschriebenen Ziels erforderlichen Maßnahmen zu treffen, allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten, einschließlich der Gerichte im Rahmen ihrer Zuständigkeiten, obliegt. Folglich müssen die nationalen Gerichte bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der betreffenden Richtlinie auslegen, um das in ihr festgelegte Ergebnis zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. November 2019, Profi Credit Polska, C-419/18 und C-483/18, EU:C:2019:930, Rn. 73 und 75 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

Querverweis, siehe die zitierte Rn. 71:

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
7. November 2019(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Richtlinie 93/13/EWG – Art. 3 Abs. 1 – Art. 6 Abs. 1 – Art. 7 Abs. 1 – Richtlinie 2008/48/EG – Art. 10 Abs. 2 – Verbraucherkreditverträge – Zulässigkeit der Sicherung der durch den betreffenden Vertrag entstandenen Forderung durch einen Blanko-Eigenwechsel – Klage auf Zahlung der Wechselschuld – Umfang der von Amts wegen auszuübenden richterlichen Befugnisse“

In den verbundenen Rechtssachen C-419/18 und C-483/18

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=220358&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=2781

Zitat
73      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Pflicht eines Mitgliedstaats, alle zur Erreichung des durch eine Richtlinie vorgeschriebenen Ziels erforderlichen Maßnahmen zu treffen, eine durch Art. 288 Abs. 3 AEUV und durch die Richtlinie selbst auferlegte zwingende Pflicht ist. Diese Pflicht, alle allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu treffen, obliegt allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten, einschließlich der Gerichte im Rahmen ihrer Zuständigkeiten (Urteil vom 21. April 2016, Radlinger und Radlingerová, C-377/14, EU:C:2016:283, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Die nationalen Gerichte müssen somit bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der betreffenden Richtlinie auslegen, um das in ihr festgelegte Ergebnis zu erreichen (Urteil vom 21. April 2016, Radlinger und Radlingerová, C-377/14, EU:C:2016:283, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Und nun darf gefragt werden, ob die die Bürger*innen betreffenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte in Sachen ÖRR so immer den Unionsvorgaben entsprechen?

Der ÖRR wird längerfristig nicht darum herum kommen, jeden Eurocent, der Rundfunknichtkonsumenten in seinem Auftrag von den Behörden abgenommen worden ist, wieder an diese Rundfunknichtkonsumenten rauszurücken.

Querverweis:
EuGH C-564/19 - Verbot, einer unionsrechtsw. ger. Entscheidung Folge zu leisten
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35794.0

EuGH C-362/18 - Staatshaftung bei rechtskräftigem, eu-rechtswidrigem Urteil
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=33420.0

Nun noch Zitate aus dem Schlußantrag zur vorliegenden Rechtssache:

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
GIOVANNI PITRUZZELLA
vom 30. Juni 2022(1)
Rechtssache C-205/21

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=261934&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=16365

Zitat
1.        Wenn die technologische Entwicklung in den Dienst der Strafverfolgung gestellt wird, erweist sie sich als ebenso faszinierend wie bedrohlich in Bezug auf die Grundrechte(2). Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen bietet dem Gerichtshof erneut Gelegenheit, eine dem Schutz personenbezogener Daten dienende unionsrechtliche Vorschrift auszulegen, die als Schutzvorkehrung einer Strafrechtspolitik gedacht ist, die auf eine volle Wirksamkeit abzielen soll, während eine dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit unterliegende demokratische Gesellschaft paradoxerweise die Fehlbarkeit einer solchen Politik als eine gewisse Tugend ansehen sollte. In gewisser Weise stellt diese Rechtssache im Bereich des Schutzes personenbezogener Daten eine Ausprägung des Grundsatzes dar, dass es besser ist, einen Schuldigen zu verschonen, als einen Unschuldigen zu verurteilen(3).

Zitat
55.      Der Gerichtshof hat jüngst im Kontext der DSGVO und hinsichtlich des Grundsatzes der Datenminimierung darauf hingewiesen, dass, um dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit zu genügen, das in der Bestimmung, die diesen Grundsatz vorsieht, zum Ausdruck gebracht wird, „die der Verarbeitung zugrunde liegende Regelung klare und präzise Regeln für die Tragweite und die Anwendung der betreffenden Maßnahme vorsehen und Mindesterfordernisse aufstellen muss, so dass die Personen, deren personenbezogene Daten betroffen sind, über ausreichende Garantien verfügen, die einen wirksamen Schutz ihrer Daten vor Missbrauchsrisiken ermöglichen. Die Regelung muss nach nationalem Recht bindend sein und insbesondere Angaben dazu enthalten, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen eine Maßnahme, die die Verarbeitung solcher Daten vorsieht, getroffen werden darf, damit gewährleistet ist, dass sich der Eingriff auf das absolut Notwendige beschränkt“(56). Diese nationale Regelung muss sich außerdem „bei der Festlegung der Umstände und Voraussetzungen[, unter denen eine Person verpflichtet ist, ihre personenbezogenen Daten zur Verarbeitung durch die zuständigen Behörden zur Verfügung zu stellen,] auf objektive Kriterien stützen“(57).


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 01. Februar 2023, 17:13 von pinguin«
Bei Verarbeitung pers.-bez.-Daten ist das Unionsgrundrecht unmittelbar bindend; (BVerfG 1 BvR 276/17 & BVerfG 1 BvR 16/13)

Keine Unterstützung für
- Amtsträger, die sich über europäische wie nationale Grundrechte hinwegsetzen oder dieses in ihrem Verantwortungsbereich bei ihren Mitarbeitern, (m/w/d), dulden;

- Parteien, deren Mitglieder sich als Amtsträger über Grundrechte hinwegsetzen und wo die Partei dieses duldet;

- Gegner des Landes Brandenburg wie auch gesamt Europas;

 
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