Die Skandale um den Öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland sind zahlreich:
Veruntreuung von Mitteln, Betrug mit Manuskripten, Betrug mit (Schein-)Produktionsfirmen, Nötigung von Verfassungsorganen (in Zusammenhang mit den Ratifizierungen der »Rundfunkabgabe«), Verstöße gegen den Datenschutz, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, die Gremien als Beute der Parteien, die laut Grundgesetz lediglich dazu aufgerufen sind, an der Meinungsbildung mitzuwirken, und schlussendlich die Personalpolitik, die die Parteien via Gremien betreiben.
Mit Hausverstand ist nicht erklärlich, warum diese Entwicklung nicht gestoppt wird. Verfassungsjuristisch ist hingegen klar, dass die Krake ÖRR entstehen konnte, weil die Presse- bzw. Rundfunkfreiheit ebenfalls ein Grundrecht ist, es also »nur« um Abwägungsfragen zwischen Grundrechten ging, wenn das Bundesverfassungsgericht zu urteilen hatte.
• Die »Haushaltsabgabe« für ARD und ZDF stellt seine verfassungswidrige Kopfsteuer dar bzw. eine zweite Grundsteuer, die das Dilemma um die vermeintliche Staatsferne des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks versus dessen gegenteilige Wahrnehmung durch die Bürger weiter verstärken wird.
• Das Thema wird der Politik 2013 direkt auf die Füße fallen, weil der Deutschen liebste Behörde, die GEZ, personell (angeblich nur temporär) erheblich aufgestockt werden soll, um in Deutschland alles zu erfassen, was als »Haushalt« definierbar ist und um die Größe von Unternehmen zu erfassen, um die Gebühr einzutreiben. Im Vergleich zu dem, was dort praktisch geplant sein muss, um das Ziel zu erreichen, sind die Volkszählung von 1987 und der diesjährige »Zensus« ein Witz. Dabei sollte man sich in Erinnerung rufen, dass die ursprüngliche Volkszählung vom Bundesverfassungsgericht komplett gestoppt worden war.
• ARD und ZDF verlangen von der Politik eine Erhöhung der Hartz-IV-Bezüge und der Grundsicherung der Rentner, damit diese Gruppen nicht mehr über eine Gebührenbefreiung geschont werden. Der entfallende Aufwand bei der GEZ, diese Gebührenbefreiungen zu bearbeiten, wird dann als Bürokratieabbau, Vereinfachung und perspektivische Verkleinerung der GEZ dargestellt. Es wird in Deutschland niemanden mehr geben, der sich nicht betroffen fühlen muss, und es wird eine Politik geben, die sich erpresst sieht. Diese Erpressung ist verfassungs- und damit auch strafrechtlich aber legal, weil der ÖRR von den Schöpfern des Grundgesetzes gewollt ein »Staat-im-Staate« ist.
• Der BDZV bzw. namhafte Verlage, darunter die F.A.Z., klagen gegen die »Tagesschau-App«. Hier geht es um die multimediale Ausdehnung der Aktivitäten von ARD und ZDF, die quasi dahin führen, dass um der Pressefreiheit des ÖRR willen die Onlinezukunft der Tageszeitungen so weit reduziert wird, dass sich nicht mehr viele am Markt werden behaupten können. Pressefreiheit ist aber kein Verfassungsgut, das nur in Abstinenz von marktwirtschaftlichen Implikationen beansprucht werden könnte und dem deshalb eine marktwirtschaftlich finanzierte Presse geopfert werden dürfte.
• Die WDR-Indendantin erhält mehr Gehalt als die Bundeskanzlerin – als Ergebnis der »Anmeldung von Finanzbedarf«. Man kann diese Kritik als Sozialneid abstempeln. Tatsächlich ist es einfach so, dass derartiger Hochmut stets dem »Fall« vorhergeht, also ein starkes Indiz für Gier ist, für ein System, das sich Privilegien herausnimmt. Der Anspruch der Bürger darauf, nicht für die Gewährung von Privilegien herangezogen zu werden, ist aber in Artikel 1 des GG garantiert und damit immer noch die höchste Verfassungsnorm.
• Es gibt starke Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des ZDF. Und diese Zweifel gab es immer schon. Kultur als Ländersache schließt es eigentlich aus, dass sich die Länder zusammenschließen, um eine Art »Ersatzbund« zu schaffen, der ein nationales Programm gestaltet. Das war und ist illegal. Die Verfassungsdiskussion anno 1960 um ein »Adenauer’sches Regierungsfernsehen« war ja auch ganz klar: dieses ursprüngliche Konzept für ein ZDF wurde als verfassungswidrig bewertet, weil die Mütter und Väter des GG einen staatfernen und dezidiert nicht-zentralistischen Rundfunk wollten, der von einem eventuell wieder diktatorischen Regierungsregime nur schwer gleichzuschalten wäre, wie dies mit den Medien nach 1933 schnell von statten ging. Warum es gelingen konnte, einen klassischen Umgehungstatbestand – nämlich das ZDF –, der nach herrschender Lehre niemals geeignet ist, einen grundsätzlichen juristischen Makel zu kurieren, dennoch zu etablieren, ist an sich rätselhaft. Es gab einfach nur niemanden mehr, der dagegen vorging. Denn alle waren froh, dass es in Hinblick auf den Faktor Unterhaltung endlich mehr als ein Programm gab.
• Unterhaltung ist aber nicht Aufgabe des ÖRR in einem klaren Verfassungsverständnis. Die Aussagen von anno-dazumal, Rundfunkfrequenzen wären ein »knappes Gut«, das um einer Verteilungsgerechtigkeit willen hoheitlich verwaltet (und genutzt) werden müsse, waren immer schon Unfug, weil es sonst in den USA niemals so früh Privat-TV hätte geben können. Tatsächlich waren sich im »Weltpostverein« Demokratien und die miesesten Schurkenstaaten darin einig, dass die für TV-Medien verfügbaren Ressourcen künstlich verknappt werden müssten, um einem »Missbrauch« des Mediums durch Private vorzubeugen. Nutznießer waren Agentenfunk, Polizeifunk, Militär, Flugfunk und Taxifunk. Selbst der CB-Funk wurde in Deutschland noch um 1980 herum mit Argumenten behördlich bekämpft, denen zufolge die Handynetze von heute quasi technisch unmöglich wären bzw. die Menschen hierzulande infolge von Elektrosmog bereits alle tot umgefallen sein müssten.
• Der ÖRR erfüllt lediglich zu einem winzigen Prozentsatz seinen eigentlichen Auftrag: Nachrichten zu bringen, die wahrscheinlich nicht von einer marktgetragenen Presse enthüllt werden, die aber eessentiell für das kommunikationsabhängige Gelingen von Demokratie sind. Nur und ausschließlich dies ist eine »Grundversorgung«, zu der jeder Bürger auch zwangsweise herangezogen werden könnte, da eine Weigerung ein Selbstwiderspruch wäre: »Ich lehne es ab, eine unabhängige Basis- bzw. Konkurrenzinformation zu erhalten, weil ich ein freier Bürger bin«, wäre insofern widersprüchlich, weil nicht frei sein kann, der nix weiß bzw. wissen muss, dass er nur einseitig informiert sein kann, der also von einem Known-unknown ausgehen müsste, das seine Entscheidungskompetenz lähmt.
Aber Hand aufs Herz: Wie oft sendet der ÖRR eine »Wiesenhof-Reportage«? Braucht es dazu 9 Milliarden Euro jährlich? Was nicht Aufgabe des ÖRR ist: ein Recht auf Arbeit für diejenigen zu realisieren, die triviale mediale Inhalte herstellen! Für die Finanzierung eines im Grundgesetz nicht vorgesehenen und nach 1990 auch explizit weiterhin abgelehnten »Rechts auf Erwerbsarbeit« zwangsweise herangezogen zu werden ist eine indirekte Zwangsarbeit bzw. eine verfassungswidrige entschädigungslose Enteignung bzw. ein Verstoß gegen Art. 1 GG, insofern Menschenwürde heißt, dass man nicht als reines Mittel zur Glückseligkeit eines anderen (wie es der Philosoph Immanuel Kant ausgedrückt hat) dient, sondern in einem wesentlichen Umfang für seinen anderen immer Zweck bleibt. Mit »Sturm der Liebe« ist mir der ÖRR nicht zweckdienlich gewesen. Und das sah immerhin auch ein Bundestagspräsident so!
• Der ÖRR betreibt eine Konkurrenz mit den Privatmedien, im Rahmen derer alle Maßstäbe für Kultur und insbesondere Kindererziehung vollständig verloren gegangen sind. Und der Jugendschutz ist ein verfassungsrechtlich verankerter Beschränkungsbereich der Pressefreiheit! Das Fernsehen ist Hauptursache für einen immer weiter zunehmenden, immer häufiger nicht nur strukturellen Analphabetismus, der unsere Kultur- und Technologienation in konkreten Zahlen fixierbar bedroht. Von einem ÖRR kann man erwarten, sich daran nicht zu beteiligen und mit seinen Inhalten, insbesondere aber mit seiner Quantität auch anderen Kulturformen nicht zu nahe zu treten.
• Die Vorstellung, die Staatsferne und Unabhängigkeit des ÖRR speise sich praktisch vollständig aus einer finanziellen Selbstbedienungsmentalität, ist aberwitzig. Tatsächlich zeigen die den ÖRR kontrollierenden Gremien, dass dort die seit Jahrzehnten staatstragenden Parteien das Sagen haben und insbesondere die Personalpolitik bestimmen (der Fall Brender beispielsweise). Genau dies: die Auswahl tatsächlich unabhängiger Persönlichkeiten, ist aber in erster Linie Grarant der Staatsferne. Eine privilegierte, gierige Finanzausstattung kann einen derartigen strukturellen Fehler niemals beheben.
• Deshalb gibt es im Grunde auch gar keinen Circulus vitiosus aus »Garantie der Unabhängigkeit« von der Politik mittels finanzieller Ausstattung durch legale (?) Erpressung der Politik«. Aber selbst wenn man einen solche annähme, dann wäre klar, dass eine saubere Lösung des Problems vom Umfang und der Finanzierung des ÖRR gefunden werden müsste und es nicht bei einem »Aushalten« dieses angeblichen Dilemmas bleiben müsste. Denn es gibt ja ein
• Stiftungsmodell für die ARD:
1) Das ZDF wird durch die Bundesnetzagentur zum 1.1.2014 privatisiert. Rechtliche Voraussetzung ist die Bejahung der Verfassungswidrigkeit bzw. ein entsprechender Staatsvertrag.
2) Der Gebührenanteil des ZDF wird in der ARD-Fernsehlotterie, die zu einer Stiftung ausgebaut wird, angespart.
3) Die ARD reduziert ihre Programmanteile, die in keinem erkennbaren Zusammenhang mit medialen Leistungen für die »überpositiven kommunikatorischen Voraussetzungen für Demokratie« stehen, sukzessive innerhalb einer »Gebührenperiode« und speist die Einsparungen ebenfalls in die ARD-Stiftung.
4) Die ARD-Stiftung ist weiterhin lotterieberechtigt und finanziert sich ergänzend dadurch. Ob es dann noch Honorare für Werbeträgerinnen in der bekannten Größenordnung geben wird, bleibt dahingestellt. Desweiteren wird der ARD ein fester Anteil an den Überschüssen sämtlicher anderer staatlich lizensierter Lotterieveranstaltungen eingeräumt.
5) Einsparungen, Kapitalstock und Marktrendite konvergieren in einem Finanzierungsumfang, der von der ARD dann beliebig genutzt werden kann.
6) Die bisher indirekt gewählten Rundfunkräte werden analog zu den Sozialwahlen direkt gewählt. Sich dann einstellende Tendenzen zu einem Parteieneinfluss werden hingenommen, weil sie hochgradig, da vom Souverän direkt, legitimiert sind.
7) Nach Ende der nächsten »Gebührenperiode« wird die GEZ abgeschafft, Rundfunkgebühren oder Beiträge werden nicht mehr erhoben.
6) Das sich ergebende Programmschema (ausgedrückt in der bisherigen Linearität des Mediums) wäre in etwa das folgende:
Morgens: Studiobilder der kulturell hochstehenden Radiomorgensendungen, beispielsweise des »Schönen Morgens« vom RBB oder »nix«.
Vormittags: Schulfernsehen, fallweise Parlamentsfernsehen oder »nix«.
Nachmittags eine Stunde Kinderfernsehen – zwischen diesen Inhalten immer wieder »Pause«, die zum Ausschalten des TV animiert und dazu, erst nach einer bewussten Entscheidung wieder einzuschalten.
Vorabend: Regionalmagazine und Regionalnachrichten (Die sog. Dritten haben keine eigenen Kanäle mehr, sondern nutzen wie weiland Radio Bremen sog. Fenster in der ARD)
Abends: eine Mischung aus bisherigen Inhalten von ARD, ZDF, 3sat, arte und BR alpha. Erstausstrahlung bzw. Onlinestellung aller Politmagazine und Enthüllungsdokumentationen plus der Tagesthemen täglich bis 22 Uhr.
Im nonlinearen(-digitalen) TV beschränkt sich der Umfang des Produzierten auf ein Äquivalent dieses einen Kanals bzw. auf das, was der Stiftungsertrag hergibt und was von den Gremien durch Etat genehmigt ist!
• Stiftungen sind andernorts – beispielsweise in den USA – gerade dabei, die Umwälzungen in der Medienlandschaft aufzufangen, die die Gratis-Kultur des Internets mit sich bringt. Eine Stiftung ist auch die Lösung für den ÖRR in Deutschland!
• Vefassungsrechtlich wäre die Crux die, dass die offiziellen Gewalten Judikative, Exekutive und Legislative strenggenommen mit allem, was sie zur Wandlung des Systems ÖRR täten, einen problematischen »Zensurakt« durchführten. Diese Auffassung setzt aber voraus, dass die Abschaffung von Trivialinhalten überhaupt in einem einigermaßen objektivierbaren Zusammenhang mit »Pressefreiheit« stünde. Und das kann man auch verneinen. Des weiteren ist klar, dass der Europäische Gerichtshof die Freiheit hätte, einem solchen Stiftungsmodell eine wesentlich höhere Staatsferne zu attestieren und damit einen Systemwandel legitimieren könnte. Die tatsächlich sauberste Lösung aber wäre nur etwas, was nur noch ein paar in die Jahre gekommene ehemalige DDR-Bürger aus eigenem Erleben kennen: eine Revolution, die auf der Straße stattfindet. Eine partielle Revolution, in der mittels Volkssouveränität ein Verfassungsdilemma geheilt wird, wäre aber ein historisches Novum. Praktisch ist nicht absehbar, dass es dazu kommen wird, da die strukturelle Mehrheit der deutschen Wählerinnen und Wähler Transferleistungsempfänger im weitesten Sinne sind: (quasi-)Beamte des ÖRR, allgemeines Verwaltungsbeamte, Finanzbeamte, Bürokraten in Verbänden (TÜV-Dozenten für »Beauftragte für Tritte und Leitern) und Großbetrieben, Hartz-IV-Empfänger, Rentenempfänger, Angehörige von Berufen wie Rechtsanwalt und Steuerberater, die in der Summe aller diese Professionen Ausübenden wissen, dass sie davon abhängig sind, dass die Legislative die ihnen Arbeit verschaffenden Kodifizierungen auch zukünftig immer weiter verkomplizieren werden und nirgendwo einmal Fortschritt durch Komplexitätsreduzierung erreicht wird. Der kommt dem Philosophen Thomas Kuhn zufolge auch nur im Rahmen von »wissenschaftlichen Revolutionen«.
Der EU-Gerichtshof dürfte die tatsächlich einzige realistische Chance sein. Und ab dem Oberverwaltungsgericht wird es richtig teuer, wenn nicht ein Rechtsordinarius sich als persönlich Engagierter der Sache annimmt.
Richtig Drive würde die Sache bekommen, wenn einer Rot-Grünen-Regierung nur noch die Stimmen der Piraten fehlen würden und die das Stiftungsmodell zur conditio-sine-qua-non machen würden.