Über dem Artikel ein Bild, das vor allem den Schriftzug "Youtube" bietet. Es ist eine merkwürdige Vorstellung, dass der Betreiber einer Plattform, auf der Inhalte der Nutzer angeboten werden, sogn. "user generated content", dafür verantwortlich sein soll, dass dort Meinungsvielfalt herrscht. Einerseits, weil sehr viele Beiträge dort gar keine Meinung in den Mittelpunkt stellen, - welche "Meinung" sollten Schminktipps verkörpern? - andererseits, weil der Betreiber nicht aktiv verhindert, dass zu einer dort geäußerten Ansicht auch die Gegenposition verfügbar ist. Das ein gewisser Rezo den politischen Nerv der Nutzer besser trifft als die CDU, kann man wohl kaum dem Plattformbetreiber anlasten. Und auch nicht, dass Teilnehmer wie der ÖR-Rundfunk dort vor allem Langeweile und Peinlichkeiten verbreiten. Ähnlich sieht es bei den Suchmaschinen aus, deren Algorithmen man offenbar gern kontrollieren will. Man findet durchaus Vielfalt auf nahezu allen Gebieten. Darunter sämtliche politischen Positionen von links bis rechts, Zeitungen und Zeitschriften, Rundfunksender aus aller Welt, idiotische "flat earther" wie wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse, Reiseberichte, Einkaufsmöglichkeiten, Schund und Highlights, usw. usf. Nur wird das nicht auf dem Silbertablett serviert, sondern oft erst nach einiger Mühe deutlich.
Man kann Medienunternehmer nicht verpflichten alle Positionen gleichrangig zu Wort kommen zu lassen. Wäre das anders, die "Blöd-Zeitung" und vermutlich den gesamten Springer-Konzern hätte es nie gegeben. Pressefreiheit ist bekanntlich die Freiheit von einigen Hundert reichen Leuten ihre Meinung zu verbreiten. Nun egalisiert das weltweite Internet nicht nur den Informationsvorsprung, der über Jahrhunderte Machtausübung sicherte, sondern es schafft auch die Möglichkeit, dass sich praktisch jeder zu Wort melden kann, er vom reinen Rezipienten auch zum Sender wird. Mehr noch als der erste wird vor allem der zweite Punkt für die Mächtigen und ihre Handlanger gefährlich. Es droht, dass sie die Kontrolle verlieren. Deswegen gibt es z. B. die "Große chinesische Firewall", schalten despotische Machthaber bei Konflikten die Mobilfunknetze ab, schotten sich Länder wie Russland ab, werden Filter für alles mögliche gefordert usw. Hier, im "freien Westen", in dem Politiker gern ominöse Werte als verpflichtend erwähnen, ist zur Umsetzung eines ähnlichen Ziels etwas mehr Aufwand nötig. Das kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die Motive der Politiker hier wie da letztlich identisch sind.
M. Boettcher
Ken Je(b)sen, Betreiber von KenFM, soll "politische Entfremdung" betreiben und "unwahre Verschwörungstheorien" verbreiten. Daher beobachtet ihn der sogn. Verfassungsschutz. Würden die "Verschwörungspraktiker" dieses Dienstes ihren Maßstab an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Publikationen von der BILD-Zeitung bis zum Magazin SPIEGEL anlegen, in Deutschland bliebe kein Medium unbeobachtet. So schnell wird in Deutschland zum Staatsfeind, der nicht mit dem Strom schwimmt.