Niedersächsischer Landtag
Drucksache 18/2531
Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung
Anfrage der Abgeordneten Christopher Emden (AfD)
Antwort der Niedersächsischen Staatskanzlei namens der Landesregierung
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk:
Was hält die Landesregierung für bedarfsgerecht?Anfrage der Abgeordneten Christopher Emden (AfD), eingegangen am 04.12.2018 - Drs. 18/2284 an die Staatskanzlei übersandt am 07.12.2018
Antwort der Niedersächsischen Staatskanzlei namens der Landesregierung vom 10.01.2019
Vorbemerkung des Abgeordneten
Anlässlich der Beratung des Entschließungsantrags in der Drs. 18/1074 wurde deutlich, dass die Landesregierung am gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Medienmodell festhalten will. Wesensmerkmal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks soll die bedarfsgerechte Bereitstellung von Rundfunkangeboten für die Bevölkerung sein. Ein zentraler Begriff zur Beschreibung der Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist dabei der der Grundversorgung (bereits 1986 vom Bundesverfassungsgericht im „Niedersachsenurteil“ geprägt).
Vorbemerkend weise ich darauf hin, dass mir Verweise auf den Rundfunkrat zur Beantwortung meiner Fragen nicht ausreichen.
1. Wie und nach welchen Kriterien definiert die Landesregierung einen „bedarfsgerechten öffentlich-rechtlichen Rundfunk“?
Die Landesregierung geht davon aus, dass die funktionsgerechte Finanzierung gemeint ist. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist finanziell in die Lage zu versetzen, seine verfassungsmäßigen und gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen. Der Bestand und die Entwicklung sind zu gewährleisten.
2. Die ARD definiert in Anlehnung an den Grundsatz der Vielfaltssicherung ihr Verständnis von Grundversorgung so, dass dieses nicht gleichbedeutend mit Minimalversor1 gung sei. Damit begründet sie ihre gesamten Programmangebote in den Bereichen Bildung, Information und Unterhaltung. Wie definiert und quantifiziert die Landesregierung „Grundversorgung“, und wo sieht sie vor allem im Hinblick auf die vorerwähnte Sichtweise der ARD eine „natürliche Grenze“ der Grundversorgung? - Ich bitte um Stellungnahme zu einzelnen Ausprägungen des auf Seite 10 des RStV definierten Unterhaltungsgenres (Kabarett und Comedy, Filme, Serien, Shows, Talk-Shows, Spiele, Musik).
Der Begriff der Grundversorgung ist vielfach vom Bundesverfassungsgericht umfassend beschrieben (vgl. BVerfGE 73,118 ff; 74,297 ff; 83,238 ff; 87,181 ff). Es muss sichergestellt sein, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für die Gesamtheit der Bevölkerung Programme anbieten, die umfassend und in voller Breite des klassischen Rundfunkauftrags informieren und Meinungsvielfalt in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise gewährleisten (BVerfGE 73,118 ff; 74,297 ff). Der Grundversorgungsauftrag lässt sich im dualen System nur erfüllen, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht allein in seinem gegenwärtigen Bestand, sondern auch in seiner zukünftigen Entwicklung gesichert ist (BVerfGE 74,297 ff). Die Garantie beschränkt sich daher nicht nur auf die herkömmliche Technik und das Programmangebot, sondern greift neue Übertragungswege und -formen auf und berücksichtigt neue Publikumsinteressen oder neue Formen und Inhalte.
Dazu gehören ein inhaltlich umfassendes Programmangebot mit Meinungs- und politischer Willensbildung, Unterhaltung und laufender Berichterstattung, Information und Kultur. Eine Erreichbarkeit auf nahezu allen technischen Wegen gewährleistet die Informationsmöglichkeiten der gesamten Bevölkerung (BVerfGE 73,118). Was in publizistischer Hinsicht verlangt wird, ist Sache der Sender. Die Entscheidung über Inhalt und Darbietung ist dabei so eng mit Anzahl und Umfang der Programme verknüpft, dass diese ebenfalls dem Verantwortungsbereich der Anstalten zugeordnet wurde (BVerfGE 87, 181).
Die Landesregierung teilt die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck kommende Auffassung.
3. Wie verändert sich aus Sicht der Landesregierung der Bedarf an öffentlich-rechtlichen Rundfunkangeboten durch das Aufkommen streamingbasierter Medienplattformen, und welchen Einfluss hat dies auf die argumentative Grundlegung einer bedarfsgerechten Grundversorgung? - Ich bitte um Stellungnahme zu einzelnen Ausprägungen des auf Seite 10 des RStV definierten Unterhaltungsgenres (Kabarett und Comedy, Filme, Serien, Shows, Talk-Shows, Spiele, Musik).
Kommerzielle Inhalte sind als Zusatzangebot zu betrachten. Aufgrund der Bestands- und Entwicklungsgarantie hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein der Breite der Bevölkerung entsprechendes Gesamtangebot zu unterbreiten, das im publizistischen Wettbewerb mit kommerziellen Angeboten zu bestehen hat. Außerdem ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk insbesondere der Vielfaltssicherung verpflichtet (§ 11 Abs. 2 RStV). Die genannten Unterhaltungssparten tragen zu dieser Vielfalt bei. Eine weitergehende Differenzierung und Bewertung innerhalb des Genres Unterhaltung verbietet sich aus Gründen der Staatsferne. Die konkrete inhaltliche Ausgestaltung obliegt allein den öffentlich-rechtlichen Anstalten und ihren Gremien.
4. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird in Deutschland durch jährlich etwa 7 Milliarden Euro Beitragseinnahmen getragen. Sieht die Landesregierung in diesem Finanzierungsvolumen einen Indikator für ein öffentlich-rechtliches Medien-Überangebot?
Nein. Die Ermittlung des Finanzbedarfs erfolgt durch die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) entsprechend den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auf der Grundlage der Bedarfsanmeldungen der Anstalten. Die Kriterien zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs sind in § 14 Abs. 2 RStV genannt.
5. Hält die Landesregierung bestimmte Genres im öffentlich-rechtlichen Rundfunk für eine bedarfsgerechte Grundversorgung bedeutsamer als andere? Welche Genres sieht sie in Hinblick auf bedarfsgerechte Grundversorgung als zentral an, welche als sekundär?
Im Sinne eines funktionsgerechten Rundfunkangebots im Rahmen des Grundversorgungsauftrags sind grundsätzlich alle gängigen Genres gleichberechtigt zu berücksichtigen. Zurzeit gibt es Überlegungen, bei der Formulierung des künftigen Auftrags im Rahmen des verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraums den Bereichen Information, Bildung und Kultur einen höheren Stellenwert einzuräumen als der Unterhaltung. Doch unabhängig vom Ergebnis dieser Diskussion sollen und werden die öffentlich-rechtlichen Anstalten weiterhin Unterhaltungsformate anbieten.
6. Die Verfügbarkeit mobilen Internets ermöglicht es, beispielsweise im Auto Audiostreamingdienste wie Spotify zu nutzen. Dies wird einen Einfluss auf die Nachfrage nach Hörfunkangeboten haben. Sieht die Landesregierung angesichts dieser Entwicklung den umfassenden Betrieb von deutschlandweit 64 Hörfunkwellen noch als bedarfsgerecht an? Falls ja, mit welcher Begründung?
Das öffentlich-rechtliche Hörfunkangebot ist auf das jeweilige Verbreitungsgebiet zugeschnitten, weist einen großen regionalen Bezug auf und verfügt über einen deutlich höheren Wortanteil als Audiostreamingdienste. Dieser spezifische Auftrag erfordert zwangsläufig eine entsprechende Anzahl von Programmen. So gestaltet z. B. allein der NDR vier Hörfunklandesprogramme. Das derzeitige Gesamtangebot trägt den besonderen Identifikations- und Informationsbedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger vor Ort Rechnung.
7. Im Koalitionsvertrag heißt es auf S. 117, dass man „m Lichte des anstehenden Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zur Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags (…) Alternativen zur sogenannten ‚KfZ-Abgabe‘ prüfen“ wolle. Da nunmehr das Urteil vor2 liegt , jedoch auch in Bezug auf die vorangegangene Frage 6: Prüft die Landesregierung noch Alternativen zur „KfZ-Abgabe“? Falls nein, warum nicht?
Nachdem das Bundesverfassungsgerichts am 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 - geurteilt hat, dass Inhabern von Betriebsstätten und betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen durch das Rundfunkangebot Vorteile zuteilwerden, welche die Gesetzgeber mit der Beitragspflicht für betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge in verfassungsgemäßer Weise erfasst haben, hat sich die Suche nach einer ebenfalls verfassungsgemäßen Alternative erübrigt.
8. Die Länder Bayern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Hamburg, Sachsen und Thüringen verfolgen in der „AG Auftrag“ einem Bericht von Prof. Dr. Karl-E. Hain zufolge die Absicht, das Auftragsprofil der Öffentlich-Rechtlichen künftig auf die Bereiche 3 Information, Kultur und Bildung zu fokussieren. Hält die Landesregierung eine solche Fokussierung für unterstützenwert? Falls nein, warum nicht?
Nach Auffassung der Landesregierung soll der Auftrag auch weiterhin die Unterhaltung umfassen.
9. Wie steht die Landesregierung zur bereits in Frage 8 erwähnten interföderalen Arbeitsgemeinschaft, und warum beteiligt sie sich selbst nicht an ihr?
Die Landesregierung beteiligt sich unvoreingenommen und ergebnisoffen an der in der AG „Auftrag und Struktur“ geführten Diskussion, ohne sich frühzeitig auf Details der Finanzierung festzulegen.
1 Internetdokument ARD zum Begriff der Grundversorgung. Online verfügbar unter
http://www.ard.de/home/die-ard/fakten/abcder-ard/Grundversorgung/554762/index.html zuletzt geprüft am 21.11.2018
2 Internetdokument Online verfügbar unter:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE//2018/07rs20180718_1bvr167516.html
3 Internetdokument Prof. Dr. K.-E. Hain (2018): Flexibilisierung des Auftrags - Indexierung des Beitrags? Der große Plan der glorreichen 3, 4, 5, 6, 7. Hg. v. medienpolitik.net - Debatten aus Medien- und Netzpolitik. Online verfügbar unter , zuletzt geprüft am 21.11.2018.
http ://www.medienpolitik.net/2018/07/medienpolitik-flexibilisierung-des-auftrags-indexierung-desbeitrags/
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https://kleineanfragen.de/niedersachsen/18/2531-der-oeffentlich-rechtliche-rundfunk-was-haelt-die-landesregierung-fuer-bedarfsgerecht.pdfAlternativ-Download im Anhang