Hamburger Abendblatt: Hängepartie im Gebühren-Streit
Erschwert wird eine schnelle Lösung des Problems auch dadurch, dass die Länder uneins sind, wie sie der Weigerung der Anstalten begegnen sollen, mehr als bisher zu sparen. Sie könnten die Sender auffordern, bestimmte Programme zu streichen. Aber dazu müssten sich die Medienpolitiker erst einmal einig sein, welche Programme entbehrlich sind.
Da hat jemand wohl nicht seine Hausaufgaben gemacht. Die Länder dürfen nicht in die Programmgestaltung der LRA eingreifen (bei den Privaten macht das der Staat auch nicht direkt, das wäre ja Zensur, sondern bedient sich dazu der Bundesmedienanstalten). Die Rundfunkfreiheit im Sinne von Zensurverbot und Freiheit von der Einmischung des Staates wird in Art. 5 GG festgeschrieben. Die einzige Möglichkeit, hier zu "streichen" wäre eine Definition des Rundfunkauftrags und eine damit einhergehende Mittelbindung für den reinen Kern. Was die Sender darüber hinaus als Programm anbieten, wäre dann keine Grundversorgung mehr und dürfte nicht aus Rundfunkabgaben finanziert werden.
Vielleicht denkt man jetzt ja doch endlich mal darüber nach, ob unser "duales Rundfunksystem" so überhaupt noch zeitgemäß ist. Eine Abschaffung dieser dualen Rundfunkordnung mit einer Gleichstellung aller Rundfunkanbieter und der freiwillige Finanzierung durch ihre jeweiligen Interessenten ist das einzige zukunftsfähige Modell - ohne Zwang, ohne Grundrechtverletzungen, ohne Meinungsherrschaft durch von der Politik gerade nicht unabhängige Rundfunkanbieter, die dann auch noch zwangsfinanziert werden.
Hamburger Abendblatt: Hängepartie im Gebühren-Streit
Eine Alternative wäre, das System zu ändern, in dem bislang die Rundfunkpolitik die öffentlich-rechtlichen Anstalten mit der Produktion von Programmen beauftragt. Dazu gibt es bereits einen Vorschlag, der vor allem von Hamburg und Schleswig-Holstein unterstützt wird. Er läuft unter dem Begriff "budgetäre Steuerung" und sieht vor, dass die Sender für Aufgaben wie Produktion oder Vertrieb von der Politik bestimmte Etats zugewiesen bekommen. Was konkret sie damit machen, bleibt den Anstalten überlassen. Die Politik wäre so der unangenehmen Aufgabe enthoben, zu bestimmen, ob und wenn ja welche Programme bei den Öffentlich-Rechtlichen aus finanziellen Gründen gestrichen werden müssen. Da dies eine komplett neue Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrags wäre, müssten ihr ebenfalls alle Länderparlamente zustimmen. Auch dies ist derzeit kaum vorstellbar.
Dieser Vorschlag wurde schon 2014 gemacht: Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen: "Öffentlich-rechtliche Medien – Aufgabe und Finanzierung" (
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,5817.msg83974.html#msg83974)
Hamburger Abendblatt: Hängepartie im Gebühren-Streit
Ein bisschen Geld wäre aber schon vorhanden, um einen etwaigen zusätzlichen Finanzbedarf der Sender zumindest für einen kürzeren Zeitraum abfedern zu können. So belaufen sich die Rücklagen, die die Anstalten aus den Mehreinnahmen der 2013 eingeführten Haushaltsabgabe bilden mussten, nach Angaben der KEF derzeit noch auf 532 Millionen Euro. Hinzu kommen weitere 545 Millionen Euro, die die Sender laut KEF-Berechnungen für die laufende Gebührenperiode zu viel veranschlagt haben.
Wann wird das endlich kapiert? Wer die Macht hat, wird sie auch mißbrauchen. Daß die LRA zu viel Geld einnehmen solange ihnen eine gesetzliche Grundlage gewährt wird, ist abzusehen. Daß die LRA mit den Politikern verbandelt sind solange sie zwangsfinanzierte Meinungsmacht haben, ist abzusehen. Welchen Schaden das für unsere Demokratie bedeutet sehen wir schon jetzt.
BayernWiderspruchsverfahren: §§ 69-73 VwGO (Bundesrecht)
BVerfG zu Sonderbeiträgen: "Weinabgabe" - B. v. 4.2.1958 (2 BvL 31, 33/56); "Berufsausbildungsabgabe" - BVerfGE 55,274, U. v. 10.12.1980; "Kohlepfennig" - BVerfGE 91, 186, B. v. 11.10.1994; "Straßenbaubeiträge" - B. v. 25.6.2014, 1 BvR 668/10.
BVerwG zu VA: B. v. 30.8.2006, 10 B 38.06; U. v. 23.8.2011, 9 C 2.11.