Der Europäische Gerichtshof teilt mit, dass die
öffentliche Urteilsverkündung in meinem Verfahren um Barzahlung des Rundfunkbeitrags am
26.01.2021 um 9:30 Uhr im Gerichtsgebäude in Luxemburg
stattfinden wird. […]
Dienstag 26/01/2021
09:30 Urteil
Rechtssache
Verb. Rechtssachen C-422/19, C-423/19
Wirtschaftspolitik
Hessischer Rundfunk
Gerichtshof - Große Kammer
Verfahrenssprache: DE
Saal: Grande Salle Palais - Niveau 2
Generalanwalt: Pitruzzella
Der Langtext der Entscheidung ist hier bereits einsehbar
Rechtssachen C-422/19 und C-423/19
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=236962&pageIndex=0&doclang=de&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=1537616
Ein Mitgliedstaat des Euro-Währungsgebiets kann seine Verwaltung zur Annahme von Barzahlungen verpflichten, aber er kann diese Zahlungsmöglichkeit auch aus Gründendes öffentlichen Interesses beschränkenEine solche Beschränkung kann insbesondere gerechtfertigt sein, wenn die Barzahlung aufgrund der sehr großen Zahl der Zahlungspflichtigen zu unangemessenen Kosten für die Verwaltung führen kann.
[...]
Der Europäische Gerichtshof hat in meinem Verfahren um das Recht auf Barzahlung des Rundfunkbeitrags entschieden, dass EU-Mitgliedstaaten ihren Behörden erlauben dürfen, die Annahme von Bargeld zu verweigern. Sie dürfen aber auch Gesetze haben oder erlassen, die Behörden zur Annahme von Bargeld verpflichten. Das Bundesverwaltungsgericht muss für die abschließende Entscheidung meines Falles einige Abwägungen treffen.
[...]
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Gesetzgeber der Mitgliedstaaten weiterhin über die Modalitäten der Begleichung von Geldschulden entscheiden dürfen. Sie dürfen danach einerseits ihre Verwaltungen verpflichten, Bargeld anzunehmen, aber sie auch ermächtigen, Bargeld aus beinahe beliebigen Gründen abzulehnen, solange Barzahlung für die Bürger in der Regel noch möglich ist und die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt.
[...]
Diese Rechtsprechung stellt das bisherige Verständnis dessen, was die Eigenschaft des gesetzlichen Zahlungsmittels beinhaltet, auf den Kopf. [...]
In den Randziffern 72 bis 76 geben die EU-Richter dem Bundesverwaltungsgericht “sachdienliche Hinweise” für dessen Entscheidung im konkreten Verfahren. Danach ist der Wunsch des Rundfunks Kosten der Beitragsbeitreibung zu sparen, ein legitimes öffentliches Interesse, das geeignet ist, eine Abweichung von der grundsätzlichen Bargeldannahmepflicht zu rechtfertigen. Außerdem sei die Maßnahme zur Erreichung des Ziels erforderlich und im Großen und Ganzen auch verhältnismäßig. Lediglich in der Frage, ob es für Leute ohne Konto nicht Ausnahmen geben muss, legen die EU-Richter dem Bundesverwaltungsgericht in Randziffer 77 nahe, eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzustellen.
Bedeutung für den Ausgang meines Verfahren
Der Gerichtshof urteilt, dass die Mitgliedstaaten weiterhin Regelungen zu den Modalitäten der Begleichung von Zahlungsverpflichtungen erlassen dürfen: [...]
Bargeldfeindliche Auslegung der Gesetze und Verträge
Wie einseitig die EU-Richter die Rechtslage möglichst bargeldfeindlch auslegen, lässt sich an Randnummer 62 des Urteilstextes deutlich ablesen [...]
Der eigentlich sehr klare Wortlaut der Vorschrift im EU-Vertrag wird so umgedeutet, dass erst wenn die völlige Abschaffung des Bargelds bezweckt oder bewirkt wird, ein Gesetzgeber dagegen verstoße, dass das gesetzliche Zahlungsmittel grundsätzlich zur Tilgung einer Geldschuld akzeptiert werden muss. Das ist eine extreme und wirklichkeitsfremde Auslegung.
[...]
Ich fürchte, das Vorgehen des Europäischen Gerichtshofs ist geeignet nicht nur mein Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der EU auszuhöhlen.
[...]
Resümee
Der Europäische Gerichtshof hat in einem hochpolitischen Urteil der EU-Kommission und dem Europäischen Gesetzgeber weitgehend freie Hand gegeben, die Kampagne zur Zurückdrängung des Bargelds auf europäischer Ebene fortzusetzen.
Für Deutschland kommt es jetzt stark darauf an, wie das Bundesverwaltungsgericht die Verhältnismäßigkeit der Bargeldverweigerung durch den Hessischen Rundfunk beurteilt und welche Rechte der Bürger es dabei als betroffen und eventuell verletzt betrachtet. Hier ist das deutsche Gericht durch das europäische relativ wenig gebunden. Sollte es bargeldfreundlich entscheiden, hätte das auch Konsequenzen für die Möglichkeiten anderer Behörden, die Bargeldannahme aus Praktikabilitätsgründen zu verweigern.
[...]
Dieser Artikel wurde zwischen Erstfassung und 16 Uhr laufend und erheblich verändert.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 2 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. c, Art. 128 Abs. 1 und Art. 133 AEUV sowie mit Art. 16 Abs. 1 Satz 3 des Protokolls (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank ist dahin auszulegen, dass er unabhängig davon, ob die Europäische Union ihre ausschließliche Zuständigkeit im Bereich der Währungspolitik für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, ausgeübt hat, einen Mitgliedstaat daran hindert, eine Vorschrift zu erlassen, die in Anbetracht ihres Ziels und ihres Inhalts die rechtliche Ausgestaltung des Status der Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel determiniert. Hingegen hindert er einen Mitgliedstaat nicht daran, in Ausübung einer ihm eigenen Zuständigkeit, wie etwa der Organisation seiner öffentlichen Verwaltung, eine Vorschrift zu erlassen, die diese Verwaltung verpflichtet, die Erfüllung der von ihr auferlegten Geldleistungspflichten in bar zu akzeptieren.
2. Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV, Art. 16 Abs. 1 Satz 3 des Protokolls (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank sowie Art. 10 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, die die Möglichkeit ausschließt, eine hoheitlich auferlegte Geldleistungspflicht mit Euro-Banknoten zu erfüllen, nicht entgegenstehen, vorausgesetzt erstens, dass diese Regelung nicht zum Zweck oder zur Folge hat, die rechtliche Ausgestaltung des Status dieser Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel zu determinieren, zweitens, dass sie weder rechtlich noch faktisch zu einer Abschaffung dieser Banknoten führt, insbesondere, indem sie die Möglichkeit untergräbt, eine Geldleistungspflicht in der Regel mit solchem Bargeld zu erfüllen, drittens, dass sie aus Gründen des öffentlichen Interesses erlassen wurde, viertens, dass die durch diese Regelung bewirkte Beschränkung von Barzahlungen geeignet ist, das verfolgte Ziel von öffentlichem Interesse zu erreichen, und fünftens, dass sie die Grenzen dessen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, insofern nicht überschreitet, als andere rechtliche Mittel zur Verfügung stehen, um die Geldleistungspflicht zu erfüllen.
Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob eine solche Beschränkung im Hinblick auf dieses Ziel verhältnismäßig ist, insbesondere in Anbetracht dessen, dass die anderen rechtlichen Mittel zur Zahlung des Rundfunkbeitrags möglicherweise nicht allen beitragspflichtigen Personen leicht zugänglich sind, was bedeuten würde, dass für Personen, die keinen Zugang zu diesen Mitteln haben, eine Möglichkeit der Barzahlung vorgesehen werden müsste.Ein absolutes Verbot der Bargeldannahme darf nicht vorgesehen werden.
In Anbetracht der Tatsache, dass die Mitgliedstaaten dadurch, dass sie in Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse solche Beschränkungen einführen, die unionsrechtlich zuerkannte Möglichkeit begrenzen, eine Geldleistungspflicht in der Regel mit Euro-Banknoten und -Münzen zu erfüllen, müssen sie nämlich sicherstellen, dass die von ihnen getroffenen Maßnahmen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts zählt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die fraglichen Maßnahmen zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet sind und nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juli 2019, Spiegel Online, C-516/17, EU:C:2019:625, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).
(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:Hier stellt sich dann die Frage, ob der Bund damit noch mehr Gesetzgebungskompetenz hat als an die EU abgegeben wurde, die ja alleine für die Währungspolitik zuständig ist, und was Geld- und Münzwesen hier bedeutet.
4. das Währungs-, Geld- und Münzwesen, Maße und Gewichte sowie die Zeitbestimmung;
Am innerstaatlichen Recht gemessen hat die Revision Erfolg. Hiernach sind die mit dem Hauptantrag angefochtenen Bescheide rechtswidrig, weil der in der Beitragssatzung des Beklagten geregelte Ausschluss der Möglichkeit, Rundfunkbeiträge mit Euro-Banknoten zu zahlen, gegen die bundesrechtliche Bestimmung des § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG verstößt, die öffentliche Stellen zur Annahme von Euro-Banknoten bei der Erfüllung hoheitlich auferlegter Geldleistungspflichten verpflichtet.
Das ist nicht klar:Das BVerfG hat zur Tragweite des Art. 31 GG bereits entschieden, welches hier thematisiert ist:
Der EUGH hat sich um eigentlich eine klare Position gedrückt. Vielleicht will man es sich mit der EU-Kommission nicht verderben, der Barzahlung ja fastIch finde das nur konsequent. Was geht es den sog. EUGH schon an, wie hier in Deutschland gezahlt wird?
Damit ist der aktuelle Stand, dass Bargeld nach nationaler Gesetzgebung durch Behörden anzunehmen ist.So sehe ich es auch. Bin mal gespannt, ob das die Rundfunkanstalten auch so sehen bzw. was deutsche Gerichte dazu sagen.