Juristen lieben formale Stabilität. Das Bundesverfassungsgericht schreibt seine Entscheidungen deshalb in aller Regel so, dass sie sich als Fortsetzung bisheriger Urteile lesen – selbst dann, wenn sich inhaltliche Schwerpunkte verschieben. Schreiben die Richter explizit, ihr Urteil stehe in Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung, ist das ein Zeichen für eine 180-Grad-Wende.
Am Dienstag war genau das der Fall: [...]
Leitsätze
[...]
3. [...] (anders noch BVerfGE 108, 82 <102 ff.>; 133, 59 <78 Rn. 52>). [...]
[...]
Gründe
[...]
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(2) [...] (anders noch BVerfGE 108, 82 <102 ff.>; 133, 59 <78 Rn. 52>).
[...]
[...] Anders als in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angenommen [...]
((Unfehlbarkeits-Dogma BVerfG
ist hiermit aufgehoben: Dies schreibt Rechtsgeschichte für einen Entscheid von richterlicher Würde im Sinn von erlangter Bescheidenheit:))
Gesetzliche Regelungen über die Vaterschaftsanfechtung durch leibliche Väter sind mit dem Elterngrundrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) unvereinbar.
? 2024-04-09 (ABO-frei) https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/bvg24-035.html
Urteil vom 09. April 2024 : 1 BvR 2017/21:
[...] hat _ entschieden, dass die gesetzliche Regelung über das Recht des leiblichen Vaters,
die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes für sein Kind anzufechten, mit dem Grundgesetz unvereinbar ist.
[...]
Die für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärte Regelung
in § 1600 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 BGB über die Vaterschaftsanfechtung bleibt bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 30. Juni 2025, in Kraft.
Anders als in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angenommen
sind jedenfalls leibliche Väter, deren Elternschaft im verfassungsrechtlichen Sinne aus der genetischen Verbindung mit dem Kind aufgrund natürlichen Zeugungsakts mit dessen Mutter folgt, im Ausgangspunkt Träger des Elterngrundrechts und können sich auf die Gewährleistungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG stützen.
V. Die überprüften Vorschriften gelten trotz der Unvereinbarkeit mit dem Elterngrundrecht bis zum Inkrafttreten
einer Neuregelung durch den Gesetzgeber fort, um bis dahin leiblichen Vätern auf der Grundlage des bisherigen Rechts eine Anfechtung zu ermöglichen, wenn sie diese für erfolgversprechend halten. Ist dies nicht der Fall, können sie, ebenso wie der Beschwerdeführer, bei den zuständigen Fachgerichten die Aussetzung bereits eingeleiteter Anfechtungsverfahren bis zu einer Neuregelung beantragen
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Don Pedro:
Die allgemeine Bedeutung ist, wie das Bundesverfassungsgericht mit eigenen früheren Fehlentscheiden umgeht.
Die Besonderheit für Rechte von Familie, Ehe, Kind und Partnerschaft ist, dass es hier an einer Rechtfertigung für die frühere Rechtsprechung ganz einfach fehlt: Wichtig ist auch die Ausgestaltung der Übergangsregelung.
Es erfolgt kein Hinweis auf "gewandelte Rahmenbedingungen",
beispielsweise die geänderte gesellschaftliche Sichtweise für die Vaterrolle,
[...]
Auf der Warteliste ist der gravierende Fehlentscheid "Rundfunkabgabe".
Die Fehlerhaftigkeit ist belegt durch "Metastudie Libra / Medienrecth", dort in den Abschnitten *BA... , dort mit Verweisen auf rechtswissenschaftliche Erkenntnisse über die grundsätzlichen Entscheidfehler damals am 18. Juli 2018 zu Gunsten des sogenannten Rundfunk-"Beitrags".
Näheres in Deutschlands maßgeblichem Bürgerrechtler-Forum "Medienrecht, Medienpolitik":
? 2024-03-xx =Aufruf https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,37885.msg225630.html#msg225630
Der BVerfG-Entscheid zeigt, wie eine Aufhebung der bisheiigen Rechtsprechung sich auswirken könnte. Demnach ist es nützlich, der Rundfunkabgabe zu widersprechen, auf "Zahlung unter Vorbehalt" überzugehen und auf die Musterverfahren zu verweisen.
Das Nötige wird gerade optimiert und ist verfügbar unter: https://infos7.org/abc/
Paul Kirchhof (wikipedia)
https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Kirchhof
Lebensabschnitte
https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Kirchhof#1974_bis_1999Zitat[...]***Hier bitte nicht weiter zu vertiefende Nebenbemerkung - auch in Bezug auf die neuerliche unhaltbare Entscheidung in Sachen "Rundfunkbeitrag":
1995 hat er als Berichterstatter in einem Verfahren zur Berechnung der steuerlichen Einheitswerte (BVerfGE 93,121 v. 22.6.1995) den sog. Halbteilungsgrundsatz erfunden. Danach dürfe der Staat dem Bürger nicht mehr als ungefähr die Hälfte seines Einkommens wegsteuern. Kritiker, wie Ernst-Wolfgang Böckenförde, sahen darin eine zu große Einschränkung der Regierung in der Steuerpolitik. Dennoch wurde der Grundsatz von einer breiten Mehrheit im 2. Senat mitgetragen. Im Jahre 2006 wurde die Entscheidung jedoch revidiert.*** (2 BvR 2194/99, 18.1.2006)
[...]
Das BVerfG "revidiert" also mitunter auch schon mal frühere Entscheidungen ;)
7. Auch Akte einer besonderen, von der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten geschiedenen öffentlichen Gewalt einer supranationalen Organisation betreffen die Grundrechtsberechtigten in Deutschland. Sie berühren damit die Gewährleistungen des Grundgesetzes und die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts, die den Grundrechtsschutz in Deutschland und insoweit nicht nur gegenüber deutschen Staatsorganen zum Gegenstand haben (Abweichung von BVerfGE 58, 1 [27]). Allerdings übt das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht in Deutschland in einem "Kooperationsverhältnis" zum Europäischen Gerichtshof aus.