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Allgemeines => Dies und Das! => Thema gestartet von: pinguin am 21. Juli 2019, 10:05
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Bereits mit Richtlinie 89/552/EWG wurde klargestellt, daß Kommunikationsdienste, die auf individuellen Abruf Informationen oder andere Inhalte übermitteln, keine Fernsehdienste im Sinne der Richtlinie sind.
Begriffsbestimmungen
Artikel 1
Für die Zwecke dieser Richtlinie bedeutet:
a) »Fernsehsendung": die drahtlose oder drahtgebundene, erdgebundene oder durch Satelliten vermittelte, unverschlüsselte oder verschlüsselte Erstsendung von Fernsehprogrammen, die zum Empfang durch die Allgemeinheit bestimmt ist. Der Begriff schließt die Übermittlung an andere Veranstalter zur Weiterverbreitung an die Allgemeinheit ein. Nicht eingeschlossen sind Kommunikationsdienste, die auf individuellen Abruf Informationen oder andere Inhalte übermitteln, wie Fernkopierdienste, elektronische Datenbanken und andere ähnliche Dienste.
Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1563693083553&uri=CELEX:31989L0552
Bestätigt wurde dieses vom EuGH
Leitsatz 3
Ein Dienst wie „Filmtime“, der in der Sendung von Fernsehprogrammen besteht, die zum Empfang durch die Allgemeinheit bestimmt sind, und der nicht auf individuellen Abruf eines Dienstleistungsempfängers erbracht wird, ist ein Fernsehdienst im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 89/552. Dem Standpunkt des Erbringers der Dienstleistung ist bei der Untersuchung des Begriffes „Fernsehdienst“ der Vorrang einzuräumen. Dagegen ist die Situation der mit dem betreffenden Dienst in Wettbewerb stehenden Dienste für diese Beurteilung unerheblich.
Rechtssache C-89/04
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=bezahlfernsehen&docid=60336&pageIndex=0&doclang=de&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=3328940#ctx1
Für unsere Belange ist der mit rotem Fettdruck hervorgehobene Text und insbesondere auch der zusätzlich unterstrichene Abschnitt wichtig.
Ein Dienst ist also nur dann ein Fernsehdienst, wenn er nicht auf individuellen Abruf erfolgt.
Wie kommt das Bundesverfassungsgericht dazu, zu meinen, daß internetfähige PC moderne Rundfunkempfangsgeräte seien? Siehe hier die folgende verlinkte Entscheidung.
BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2012
- 1 BvR 199/11 -, Rn. (1-23),
http://www.bverfg.de/e/rk20120822_1bvr019911.html
Ist das BVerfG wirklich Teil des Problems und nicht Teil der Lösung?
Wie kommt das BVerfG dazu, sich über den EuGH hinwegzusetzen?
Die Entscheidung des EuGH resultiert aus 2005, die des BVerfG aus 2012. Aus dem Beschluß des BVerfG ist nicht ersichtlich, daß es sich mit dem europäischen Rundfunkrahmenrecht überhaupt befasst hat.
Wenn im Internet nur Informationen, egal welcher Art, auf individuellen Abruf durch einen Dienstleistungsnutzer zur Verfügung stehen, es damit im Internet keine Fernsehdienste hat, hat es auch keine Computer als neuartige Rundfunkempfangsgeräte, außer, es wäre bei denen explizit ein Tuner verbaut.
Die aktuelle Richtlinie 2010/13/EU über audio-visuelle Mediendienste spezifiziert den Part der damaligen Vorgängerrichtlinie.
BEGRIFFSBESTIMMUNGEN
Artikel 1
(1) Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
a) „audiovisueller Mediendienst“
i) eine Dienstleistung im Sinne der Artikel 56 und 57 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, für die ein Mediendiensteanbieter die redaktionelle Verantwortung trägt und deren Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a der Richtlinie 2002/21/EG ist. Bei diesen audiovisuellen Mediendiensten handelt es sich entweder um Fernsehprogramme gemäß der Definition unter Buchstabe e des vorliegenden Absatzes oder um audiovisuelle Mediendienste auf Abruf gemäß der Definition unter Buchstabe g des vorliegenden Absatzes,
ii) die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation;
Hier sind jetzt zwar audio-visuelle Mediendienste auf Abruf einbezogen, aber nur gemäß der Definition unter Buchstabe g, wo es heißt:
g)
„audiovisueller Mediendienst auf Abruf“ (d. h. ein nichtlinearer audiovisueller Mediendienst) einen audiovisuellen Mediendienst, der von einem Mediendiensteanbieter für den Empfang zu dem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt und auf dessen individuellen Abruf hin aus einem vom Mediendiensteanbieter festgelegten Programmkatalog bereitgestellt wird;
Ein Audio-visueller Mediendienst auf Abruf ist also ein nicht-linearer Mediendienst, damit auch nach der neuen Richtlinie weder Rundfunk, noch Fernsehen, denn ein "Fernsehprogramm", damit letztlich Fernsehen schlechthin, ist gemäß Buchstabe e) als linearer Mediendienst definiert, für den es zudem einen Sendeplan braucht.
Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10.März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) (kodifizierte Fassung)
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1440190481646&uri=CELEX:02010L0013-20100505
Nun ein kurzer Blick zum Rundfunkstaatsvertrag, wo Rundfunk als lineare Information definiert ist:
§ 2
Begriffsbestimmungen
(1) Rundfunk ist ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; [...]
Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag - RStV)
https://bravors.brandenburg.de/vertraege/rstv
Zudem sei dann auch auf das andere Thema verwiesen, wo eine neue Richtlinie zitiert wird:
Linearer Rundfunk ist kein interpersoneller Kommunikationsdienst ->EU-Recht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31695.msg195467.html#msg195467
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Da war schon mal was: EuGh C-265/16 VCAST Limited / RTI SpA
(Es dreht sich um Urheberrechte im Sinne der Richtlinie 2001/29/EGArt. 5 Abs. 2 Buchst. b – Ausnahme für Privatkopien)
Eine Fernsehübertragung und die spätere Übertragung bspw. via Internet sind zwei technisch völlig unterschiedliche Übertragungswege; Rundfunk ist nicht Internet.
Kleiner Ausflug zum Europarecht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,12861.msg161282.html#msg161282
Eugh: https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2017-11/cp170125de.pdf
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Man kann sicher feststellen, dass das BVerG eine Art Schutzschirm über allem ausgebreitet hat, was den öffentlich-rechtlichen Rundfunk betrifft. Das fängt bei der Interpretation des Artikels 5 GG an, der angeblich ÖRR und dessen Finanzierung erzwingt, geht über die vielfache Sicherung der Finanzierung bis hin zur Bestätigung einer Wohnungssteuer in Form eines "Beitrag für alle" und reicht bis zum unnötigen Einsatz für die angebliche Relevanz des ÖRR bezüglich "Fake News" im Beschluss vom 18.07.2018. Insofern passt die seinerzeitige falsche Entscheidung ins Bild. Nur hat sie für die heutige Situation keinerlei Relevanz, weil für die aktuelle Finanzierung des ÖRR weder der Typ eines Empfangsgerätes noch dessen Besitz eine Rolle spielt.
Zu Ende gedacht: selbst wenn nur eine Minderheit oder niemand in Deutschland ein Empfangsgerät bereit hielte, müssten wir alle für den ÖR-Rundfunk bezahlen, da nach Ansicht des BVerfG die abstrakte Möglichkeit der Nutzung bereits dann gegeben ist, wenn man ein solches Gerät erwerben kann.
M. Boettcher
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@HÖRby
Die erste Entscheidung ist aus Ende 2017, jene, mit der dieses Thema begonnen wurde, aus 2005; die Entscheidung des BVerfG aber ist aus Mitte 2012. Damit wäre die Mißachtung des EuGH durch das BVerfG u. U. gegeben, weil es sich nicht an dieser Enscheidung orientiert hat.
@drboe
Die alte Entscheideung des EuGH aus 2005 hat aber Relevanz, genauso wie die "neue" aus 2017; spätestens dann, wenn der beihilferechtliche Teil mal aufgemischt wird.
Die Rundfunkanstalten dürfen sich zwar im Internet ausbreiten, aber nicht auf Basis des eine staatliche Beihilfe darstellenden Rundfunkbeitrages, denn Internet ist kein Rundfunk und die Zweckentfremdung staatlicher Beihilfen eu-rechtlich heikel.
Darüberhinaus waren offenbar viele Richter und Richterinnen des BVerfG früher beim Rundfunk tätig; ob sie auch an den Rundfunkentscheidungen aktiv beteiligt waren, könnte man prüfen, wenn man das prüfen wollen würde.
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Die Rundfunkanstalten dürfen sich zwar im Internet ausbreiten, aber nicht auf Basis des eine staatliche Beihilfe darstellenden Rundfunkbeitrages, denn Internet ist kein Rundfunk und die Zweckentfremdung staatlicher Beihilfen eu-rechtlich heikel.
Mir fällt da ganz spontan ein, dass es ein Portal "funk" gibt.
Wenn ich mich recht entsinne, werden da so einige Millionen reingepumpt. Wenn nicht von Beiträgen, wovon dann?
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Wenn nicht von Beiträgen, wovon dann?
Was meinst Du, warum über Jahr und Tag gepredigt wird, daß die Verwendung eines jeden Eurocent, der aus einer einem Unternehmen zugeflossenen staatlichen Beihilfe stammt, separat wie transparent erfasst und nachgewiesen werden können muß?
Diese europäischen Tranzparenzanforderungen hinsichtlich der Verwendung staatlicher Beihilfen soll hier aber bitte nicht diskutiert werden.