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"Beitragsservice" (vormals GEZ) => Widerspruchs-/Klagebegründungen => Thema gestartet von: seppl am 30. November 2019, 14:17

Titel: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: seppl am 30. November 2019, 14:17
Im Forum ist es bislang Konsens, dass die Beitragsbescheide wirksame Verwaltungsakte sind. Daher werden Widerspruch und Klage empfohlen. Es gibt aber deutliche Anzeichen, dass die Bescheide - insbesondere die Erstbescheide, die aufgrund von Direktanmeldung erfolgt sind - sogenannte Scheinverwaltungsakte sind.
Scheinverwaltungsakte sind Schreiben von Behörden oder Unternehmen, die den Anschein eines Bestehens auf Rechtsgrundlage vorspielen. Sie sind als Verwaltungsakte aber nichtig. Nichtigkeit  bedeutet "rechtlich nicht existent". Daher kann dagegen auch kein Widerspruch eingelegt werden. Man kann und sollte nur gegen eventuell daraus entstehende Scheinrechtsfolgen (wie z.B. Vollstreckung) angehen.

Aufgrund welcher Grundlagen werden nun die Bescheide erstellt?
Durch den automatischen Datenabgleich wird dem nicht rechtsfähigen Beitragsservice der Name einer Person sowie eine Meldeadresse übermittelt.
Nach RBStV darf nun vermutet werden, dass die genannte Person an der genannten Adresse wohnt. Eine Vermutung kann jedoch keine Rechtsgrundlage für einen Verwaltungsakt sein. Daher kann die Person erst einmal nur mit Nichtakten wie Zahlungsaufforderung und Mahnungen "versorgt". Wird hierauf reagiert, so bestätigt die Person selbst die Vermutung der Inhaberschaft der Wohnung, wenn sie der Vermutung nicht gleich irgendwie entgegentritt.

Die für einen fehlerfreien Verwaltungsakt notwendigen Angaben bei Mehrpersonenwohnungen als Gesamtschuldnerschaft gibt es keine Datengrundlage. Daher werden in den Bescheiden ausnahmslos Einzelpersonen als Inhalts- und Bekanntgabeadressat genannt. Bei ca. der Hälfte der Bescheide wären die Bescheide als Verwaltungsakte fehlerhaft, bzw. so stark fehlerhaft, dass eine Nichtigkeit vorliegen würde. Erhalten nun mehrere Unhaber einer Wohnung jeweils getrennt Bescheide über den vollen Beitrag, so fühlen sie sich - in der Annahme, ordentliche Verwaltungsakte erhalten zu haben - genötigt, mitzuteilen, dass hier eine Gesamtschuldnerschaft vorliegt und nur ein Beitrag fällig ist. Der Beitragsservice fordert sogar noch dazu auf, die Beitragsnummern der anderen Beteiligten mitzuteilen. Dass eine Übermittlung persönlicher Daten Anderer rechtlich abgesichert nur mit deren Genehmigung und freiwillig erfolgen kann, wird verschwiegen. Werden nun Namen und Beitragsnummern der Mitbewohner mitgeteilt, ist auch dieser Punkt für die Zahlungspflicht abgesichert. Selbst die Freiwilligkeit der Übermittlung Daten Anderer sowie -  daraus folgernd - eine freiwillige Gesamtschuldnerschaft kann angenommen werden.

Für einen fehlerfreien Verwaltungsakt müsste für einen wirksamen Verwaltungsakt nun auch noch die Sachlage der Befreiung oder Ermäßigung ermittelt worden sein, also der korrekte Forderungsbetrag. Auch dies ist bei Direktanmeldung nicht geschehen. Alle Bescheide weisen daher Vollzahler aus. Auch dieser Fehler während der Erstellung lässt den Bescheid als Verwaltungsakt ungültig sein. Natürlich wird eine Person mit Befreiungs- oder Ermäßigungsvoraussetzungen - in der Annahme, einen vollwertigen Verwaltungsakt vorliegen zu haben - per Widerspruch und /oder Tatsachenangabe dagegen Stellung beziehen. Auch hier erfolgt die Verifizierung der Beitragspflicht durch die Person selbst.

Zusammenfassung:
Der Beitragsbescheid hat ohne Mitarbeit des Betroffenen als Grundlage einzig und allein die Meldedatenagabe der Einwohnermeldeamts. Das genügt den Ansprüchen eines echten Verwaltungsakts nicht. Daher werden über geschickte Anschreiben und auch öffentliche Kundgebung die Betroffenen dazu angehalten, sich selbst zu melden. Aus diesen Rückmeldungen wird dann eine Beitrags- bzw. Zahlungspflicht konkretisiert.

Diese Angaben sind aus jahrelanger Beobachtung entstanden. Vorsicht mit dem Umgang ist jedoch geboten, da es evtl. noch andere, unentdeckte Wege über Dritte für den Beitragsservice gibt, die fehlenden Angaben zu verifizieren. Ich denke dabei z.B. an eine unbekannte Rückmeldung des Mitbewohners und dessen Information über das Zusammenwohnen.
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: Leo am 30. November 2019, 15:11
Im Forum ist es bislang Konsens, dass die Beitragsbescheide wirksame Verwaltungsakte sind.

Nein, keineswegs.

Zum einen wird der Ausdruck Festsetzungsbescheid gerne auch mal in Anführungszeichen gesetzt.

Zum anderen soll es Nichtkunden des ÖRR geben, die auf öffentlich-rechtliche Werbepost mit der Formulierung reagieren: "Ihr mit 'Festsetzungsbescheid' bezeichnetes Schreiben weise ich zurück."

Anm.Mod.seppl: Danke für den wichtigen Hinweis, es fehlt jedoch eine Verlinkung zu zumindest einem passenden Thread, um zu sehen, was aus der Reaktion folgt. Bitte nachreichen!
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: befreie_dich am 30. November 2019, 15:44
Könnte es sich um einen Realakt handeln?
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Realakt (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Realakt)
s.u. Verwaltungsrecht
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: seppl am 30. November 2019, 16:33
@befreie_dich: Was soll denn in diesem Fall der Realakt sein? Der Bescheid macht keinen Eindruck der "vorbereitenden Handlung". Er setzt schlicht etwas fest.
Wikipedia Realakt:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Realakt
Zitat
Im Verwaltungsrecht sind Realakte als Handlungsformen der Verwaltung zum Verwaltungsakt dadurch abzugrenzen, dass ihnen dessen Regelungswirkung fehlt. Hinweise und Belehrungen als solche sind lediglich Realakte, ebenso Handlungen, die nur auf einen Verwaltungsakt vorbereiten. Ebenso gehört zu den behördlichen Tathandlungen, wenn ein Beamter einem Bürger ein auszufüllendes Formular aushändigt,...

Die Absicht jedoch, die hinter den Bescheiden steht, ist den Bürger aufzufordern, fehlende Angaben selber nachzureichen. Wenn das so formuliert wäre, könnte es als vorbereitender Realakt der Verwaltung durchgehen. Es wird jedoch wie ein Verwaltungsakt (Festsetzungsbescheid) formuliert - demnach ist es ein Scheinverwaltungsakt.
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: befreie_dich am 30. November 2019, 16:58
Zitat
Hinweise und Belehrungen als solche sind lediglich Realakte, ebenso Handlungen, die nur auf einen Verwaltungsakt vorbereiten.
Quelle: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Realakt (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Realakt) , s.u. Verwaltungsrecht

Informationsschreiben mit Hinweisen und Auskünften gelten als Realakte. Die Direktanmeldung könnte, besonders je nach Reaktion des Angeschriebenen, verschiedene Verwaltungsakte vorbereiten (Welche?). Bei einem Realakt könnte es sich um 'schlichtes Verwaltungshandeln', ohne unmittelbare Rechtsfolge handeln. Ich hatte in einer Klage die Direktanmeldung als Beitragsbescheid bezeichnet.

Reden wir hier von Festsetzungsbescheiden? Ich beziehe mich auf die Direktanmeldung. Bitte um Klarstellung.

Ich halte es für wichtig in diesem Zusammenhang eine Ebene vorher anzufangen. Denn bereitete der Realakt Direktanmeldung auf Verwaltungsakte vor, müsste doch irgendwo niedergeschrieben sein, welche das sind?

Zitat
Auch Realakte müssen als Handlungen der öffentlichen Verwaltung mit der Rechtsordnung übereinstimmen. So bedarf die Verwaltung für belastende Realakte einer Eingriffsermächtigung. Das kann ein Gesetz oder ein rechtmäßiger oder zumindest unanfechtbarer Verwaltungsakt sein. Der Rechtsschutz gegen Realakte ist durch die allgemeine Leistungsklage oder die Feststellungsklage (§ 43 VwGO) vor den Verwaltungsgerichten zu erlangen. Wenn sowohl Realakt wie auch Verwaltungsakt vorliegen, sind das Vorverfahren sowie Fristen zu beachten. Ist der Realakt rechtswidrig, bestehen möglicherweise Beseitigungs- oder Schadensersatzansprüche.
Quelle: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Realakt (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Realakt) , s.u. Verwaltungsrecht

Ob der Festsetzungsbescheid ein Realakt sein könnte, darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht.

Wissenswertes zum Realakt:
http://www.hansklausweber.de/html/realakte.html (http://www.hansklausweber.de/html/realakte.html)
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: pinguin am 30. November 2019, 18:55
Zäumt Ihr nicht das Pferd von hinten auf?

Die Begriffe "Verwaltungsverfahren" und "Verwaltungsakt" werden in den §§ 9 und 35 des Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes definiert; wer keine Verwaltungsverfahren durchführen darf, darf auch keine Verwaltungsakte erstellen.

Zum Begriff "Verwaltungsverfahren" hat es bereits das Thema:

Begriff "Verwaltungsverfahren"
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,32527.msg199861.html#msg199861

"Behörde" im Sinne des Bundes-VwVfG ist nur, wer auch im Sinne des BDSG "Behörde" sein darf.

Zur Erinerung, weil wichtig für das Gesamtverständnis; das BDSG bestimmt in §1 Abs. 3, daß es dem VwVfG vorgeht, wenn personenbezogene Daten verarbeitet werden, und bestimmt in §2 Abs. 5, daß öffentlich-rechtliche Stellen in Wettbewerb keine öffentlichen Stellen im Sinne des Gesetzes sind.

Davon muß und sollte man doch erst einmal ausgehen?

Natürlich kann man über das Küken diskutieren, bevor das Ei überhaupt gelegt ist; macht das aber Sinn?

Es macht doch überhaupt keinen Sinn, die Bestimmungen des Datenschutzes separat neben den Bestimungen des Verwaltungsrechts zu betrachten, wo doch der Gesetzgeber die "Verwebung" beider Rechtsgebiete vorsieht, was er ja mit §1 Abs. 3 BDSG getan hat, wenn die separate Betrachtung für unsere Belange zu einem verfälschten Ergebnis führt?

Ein "Verwaltungsakt" birgt immer die "Verarbeitung personen-bezogener Daten", seien diese Daten nun die des Empfängers des "Verwaltungsaktes" oder eben auch jene des Absenders, ist dabei unerheblich. Es liegt in jedem Fall eine "Verarbeitung personen-bezogener Daten" vor und damit der Vorrang der Einhaltung der Datenschutzbestimmungen.

Und eben diese Darenschutzbestimmungen sagen nun, daß, wer in Wettbewerb steht, keine öffentliche Stelle sein kann, (weil es sein privater Wettbewerber ja auch nicht ist).
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: seppl am 30. November 2019, 19:01
Bitte nicht in die Behördendiskussion abschweifen! Es geht hier fokussiert um die Dokumente der Scheinverwaltungsakte! Die können von Behörden oder Nichtbehörden versendet werden. Sie sind immer nichtig.
Alles andere verwässert das Thema.
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: pinguin am 30. November 2019, 19:25
Bitte nicht in die Behördendiskussion abschweifen! Es geht hier fokussiert um die Dokumente der Scheinverwaltungsakte! Die können von Behörden oder Nichtbehörden versendet werden.
Schade, daß nicht erkannt wird, daß von einem öffentlich-rechtlichen Wettbewerbsunternehmen keine Verwaltungsakte erstellt werden können, es also immer "Scheinverwaltungsakte" sind.
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: seppl am 30. November 2019, 19:49
@pinguin: ...es können von den Unternehmen aber BESCHEIDE erstellt werden! Hier soll ja gerade dieser Unterschied zwischen verwaltungrechtskonformen und verwaltungsrechtlich ungültigen Bescheiden dargelegt werden. Es reicht m. M. nach nicht, pauschal die Behauptung der Scheinverwaltungsakte aufzustellen um die Sache zu klären. Keine Scheinverwaltungsakte sind z.B. die "Ankündigung der Zwangsvollstreckungs"-Briefe aus Köln. Sie sind allerdings aber auch keine Verwaltungsakte. Trotzdem können sie aber die Kniee von Unerfahrenen zum Schlottern und den Betroffenen zum Zahlen bringen, bevor überhaupt eine Vollstreckung in Auftrag gegeben worden ist.

Es soll verdeutlicht werden, dass nicht jeder Brief, auf dem "Bescheid" steht, auch ein Verwaltungsakt ist. Zudem soll die Trickserei mit "Treu und Glauben" dem Bürger gegenüber aufgedeckt werden. Wenn dieser nämlich nicht mehr glauben kann, was er vermeint von einer öffentlich rechtlichen Stelle zu lesen, wird unser gesamtes Verwaltungsrechtssystem irgendwann völlig unglaubwürdig.
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: befreie_dich am 30. November 2019, 20:19
Auch zur Argumentation von @pinguin:
Zitat
Nicht um einen Verwaltungsakt handelt es sich daher zum einen dann, wenn das betreffende Verhalten nicht einer Behörde zugerechnet werden kann [,] [..] z.B. Aufstellen eines Verkehrsschildes durch einen [nicht beliehenen] Privaten ohne behördlichen Auftrag [..] "Erforderlich, aber auch genügend für die Annahme eines Verwaltungsakte in Abgrenzung von einem Nichtakt (Scheinverwaltungsakt) ist dann, wenn die betreffende Maßnahme eine Behörde als Entscheidungsträger ausweist, intern jedoch ein Privater sie getroffen hat, dass die nach außen in Erscheinung tretende Behörde das Tätigwerden des Privaten als Geschäftsbesorger veranlasst hat, der Geschäftsbesorger also mit ihrem Wissen und Wollen tätig geworden ist. Hiervon kann nur gesprochen werden, wenn die von dem Geschäftsbesorger durchzuführende Tätigkeit ihrer Art und ihrem Umfang nach so hinreichend genau bestimmt ist, dass ohne Weiteres feststellbar ist, ob er sich im Rahmen der ihm übertragenen Tätigkeit gehalten hat." Dass die Behörde den Inhalt des Bescheids ggf. nicht kannte und ihn daher vor seinem Erlass nicht auf seine Richtigkeit hin überprüfen könnte, führt zu keiner anderen Beurteilung der Verwaltungsaktqualität. [47][BVerwG NVwZ 2012, 506 (507).][..]
Quelle: Allgemeines Verwaltungsrecht, Mike Wienbracke LL.M., C.F. Müller GmbH, 01.10.2015, https://books.google.de/books?id=mAjNCgAAQBAJ&pg=PT97&lpg=PT97&dq=Scheinverwaltungsakt&source=bl&ots=DKHeTy5-La&sig=ACfU3U25ZgFRYEjHYO3tMMc7FbM6JE7tQQ&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwivyKDzyZLmAhXEDuwKHWEeAQU4FBDoATACegQICRAB#v=onepage&q=Scheinverwaltungsakt&f=false (https://books.google.de/books?id=mAjNCgAAQBAJ&pg=PT97&lpg=PT97&dq=Scheinverwaltungsakt&source=bl&ots=DKHeTy5-La&sig=ACfU3U25ZgFRYEjHYO3tMMc7FbM6JE7tQQ&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwivyKDzyZLmAhXEDuwKHWEeAQU4FBDoATACegQICRAB#v=onepage&q=Scheinverwaltungsakt&f=false) Unterstreichung hinzugefügt

Stellt sich die Frage, wer Geschäftsbesorger ist? ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice?

Relevant zur Prüfung scheint:
Zitat
Hiervon kann nur gesprochen werden, wenn die von dem Geschäftsbesorger durchzuführende Tätigkeit ihrer Art und ihrem Umfang nach so hinreichend genau bestimmt ist, dass ohne Weiteres feststellbar ist, ob er sich im Rahmen der ihm übertragenen Tätigkeit gehalten hat.
Wissen und Wollen, werden die Landesrundfunkanstalten wohl kaum in Frage stellen.

Zitat eingebracht, um etwas handfeste Literatur zur Diskussion zu haben.

Es gibt aber deutliche Anzeichen, dass die Bescheide - insbesondere die Erstbescheide, die aufgrund von Direktanmeldung erfolgt sind - sogenannte Scheinverwaltungsakte sind.
Ein von @seppl genannter fiktiver Erstbescheid wäre ebenfalls fiktivfest interessant.
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: seppl am 30. November 2019, 20:28
@befreie_dich: Auch Dein Beitrag lenkt den Blickwinkel auf den Ersteller des Bescheids. Das ist nicht gut...

In diesem Thread geht es darum, aufzudecken, was unter dem Deckmantel des Bescheids eigentlich erreicht werden soll. Selbst wenn eine Behörde solch einen Bescheid ausstellen würde, wäre es ein Scheinverwaltungsakt, wenn Inhalt mit Absicht nicht übereinstimmt. Wenn also eigentlich nicht festgesetzt wird, sondern aus der Reaktion des Betroffenen erst ermittelt werden soll und kann.

Leider kann ich einen fiktiven Erstbescheid nicht liefern. Kann jemand anders aushelfen?
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: befreie_dich am 30. November 2019, 20:44
Bei Scheinverwaltungsakt wird @seppl zwingend eine Fallunterscheidung machen müssen. Eine mögliche Begründung für Fall 1 hat @pinguin gegeben. Mit Fall 2 kann ab sofort Behördeneigenschaft oder Geschäftsbesorger angenommen werden und argumentiert werden, weshalb es sich dennoch um einen Scheinverwaltungsakt handeln könnte. Und jetzt müsste der Verwaltungsakt an sich geprüft werden!? Danach vielleicht noch dessen Verhältnismäßigkeit.

Die Fallunterscheidung nach Erstellerermächtigung ist notwendig. Das lese ich z.B. aus dem 1. Leitsatz von BVerwG, Urteil vom 23.08.2011 - 9 C 2.11, https://www.bverwg.de/230811U9C2.11.0 (https://www.bverwg.de/230811U9C2.11.0)

Selbst wenn eine Behörde solch einen Bescheid ausstellen würde, wäre es ein Scheinverwaltungsakt, wenn Inhalt mit Absicht nicht übereinstimmt. Wenn also eigentlich nicht festgesetzt wird, sondern aus der Reaktion des Betroffenen erst ermittelt werden soll und kann.
Welches Verwaltungsaktkriterium möchte @seppl damit anzweifeln?

Könnte die Frage dieses Threads sein, ob ein bestimmtes mit Bescheid im Wortlaut gegebenes Schriftstück von LRA oder 'Geschäftsbesorger', z.B. besagter 'Erstbescheid' nichtig ist, da er die Tatbestandsmerkmale eines Verwaltungsaktes nicht erfüllt? Da hat sich z.B. ein Tübinger Richter, glaube ich, zuletzt nochmals dazu geäußert. Ansonsten kann ich nicht folgen. Da ein Verwaltungsakt einen Einzelfall regelt wird es ohne fiktive Massenpost schwierig darüber zu diskutieren.
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: seppl am 30. November 2019, 22:22
Welches Verwaltungsaktkriterium möchte @seppl damit anzweifeln?
Ich zweifle kein Verwaltungsaktkriterium an, weil es nur zum Schein eines oder mehrere gibt. Im Bescheid wird "festgelegt", dass die Person X unter der Wohnanschrift Y 17,50 Euro/Monat als Einzelinhaber zu bezahlen hat. Rechtlich gesehen ist doch aber ausser Name und Meldeanschrift nichts im Bescheid verifiziert, also gültig. Zweck des Bescheides kann es daher nicht sein, etwas ernsthaft festzulegen, sondern nur "auszutesten" wie der Empfänger reagiert. Ein irgendwie als Bescheid tituliertes Schreiben muss überhaupt nichts mit einem Verwaltungsakt zu tun haben. Wenn dieses Schreiben dann aussieht wie ein Verwaltungsakt, ist es ein Scheinverwaltungsakt.

Interessant ist die Anmerkung, das Verwaltungsakte Einzelfälle regeln, die Bescheide des Beitragsservice (egal ob Behörde oder nicht) aber per Massenpost und automatischer Namens- und Adresseingabe erstellt werden. Dies kann - entsprechend formuliert - auch den Nachweis des Scheinverwaltungsakts argumentativ verstärken.

Es kann sein, dass ich, wie @pinguin vermutet, andersrum denke: Ich gehe davon aus, dass die Bescheide keine Verwaltungsakte darstellen. Es wird ja - soweit ich weiss - auch nirgendwo offiziell behauptet (ausser von Personen die Widerspruch dagegen einlegen und damit darauf eingehen). Deswegen ist eher interessant, was einen Scheinverwaltungsakt ausmacht und nicht das Widerlegen einer Behauptung, die von gegnerischer Seite gar nicht aufgestellt wird. Hat jemand Nachweise, dass irgend ein Justiziar oder andere Person die Bescheide aus Köln als Verwaltungsakte deklariert hat? Ich kenne den Beckschen Kommentar nicht auswendig, aber auch dort habe ich bis jetzt keine klare Auskunft über die Verwaltungsaktqualität der Bescheide entdecken können. Ich bin total interessiert daran, in irgend einem juristisch relevanten Text zu lesen, dass die Bescheide Verwaltungsakte sein sollen, wenn so etwas denn existiert.
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: Bürger am 30. November 2019, 23:04
Ich gehe davon aus, dass die Bescheide keine Verwaltungsakte darstellen. Es wird ja - soweit ich weiss - auch nirgendwo offiziell behauptet (ausser von Personen die Widerspruch dagegen einlegen und damit darauf eingehen).
Das ist nicht ganz richtig.

Zum einen wird schon mit der rückseitigen "Rechtsbehelfsbelehrung" der sog. "Festsetzungsbescheide" indirekt "offiiziell behauptet", dass es sich um "Verwaltungsakte nach VwVfG" handele, da schließlich eine "Widerspruchsmöglichkeit" eröffnet wird. Damit dürfte nur eine "Widerspruchsmöglichkeit" nach VwVfG i.V.m. VwGO gemeint sein, denn eine Widerspruchsmöglichkeit gegen "Scheinverwaltungsakte" oder "rundfunkbeitragsrechtliche Bescheide" ist schließlich nicht vorgesehen und weder im RBStV noch in anderen Rechtsgrundlagen geregelt.

Es gibt zudem vielfach "Widerspruchsbescheide", die in ihren Textbausteinen - unter Verweis auf Verwaltungsgerichts-Urteile seit 2013 - wortwörtlich(!) behaupten, dass es sich bei dem "Festsetzungsbescheid" um "Verwaltungsakte i.S.d. VwVfG" handele.

Dass ungeachtet dessen, dass ein Großteil wenn nicht die meisten der Betroffenen ebenfalls nicht davon ausgehen, dass es sich bei den "Festsetzungsbescheiden nach RBStV" um ("echte") "Verwaltungsakte nach VwVfG" handelt, dennoch "Zurückweisung, hilfsweise(!) Widerspruch" eingelegt wird - mangels bislang "besserer" Möglichkeiten - liegt auch daran, dass anderenfalls sehr zeitnah die "(Verwaltungs-)Vollstreckung" losläuft, trotz dessen, dass die Regelung im
§ 10 RBStV - Beitragsgläubiger, Schickschuld, Erstattung, Vollstreckung
https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/RBeitrStV-10
Zitat
(6) 1Festsetzungsbescheide werden im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt. [...]
gänzlich im Widerspruch zu den meisten Landes-Verwaltungsvollstreckungsgesetzen steht, denen gemäß lediglich Verwaltungsakte(!) mit vollstreckungsfähigem(!) Inhalt (und also nicht einer bloßen "Festsetzung") vollstreckt werden können. Das wurde auch schon versucht, den Gerichten auf den Tisch zu nageln. Aber "Rundfunk" hat halt (vorerst noch) "immer Recht"... ::)

Für diese "Verwaltungsvollstreckung" der "Festsetzungsbescheide" ist insbesondere in jenen Bundesländern, in welchen diese durch Gerichtsvollzieher/ Amtsgerichte durchgeführt wird, ein Aufhalten - jedenfalls bislang - mit vertretbarem Aufwand oder Aussicht auf Erfolg kaum möglich, womit trotz Spießrutenlauf und rechtlicher Infragestellung der Verwaltungsakt-Qualitäten der "Festsetzungsbescheide" die Eintragung ins Schuldnerverzeichnis erfolgt sowie bei Forderungen über 500€ Drittauskünfte eingeholt und emotionslos Pfändungen durchgeführt werden, weil Gerichtsvollzieher/ Amtsgerichte bislang fast ausschließlich nur die Inhalte des Vollstreckungsersuchens anhand des jeweiligen Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes prüfen (nicht jedoch die Bescheide selbst) und dabei regelmäßig alle Bedingungen als erfüllt betrachten - siehe u.a. "Schnelleinstieg" des Forums
Zu allererst bitte hier lesen! Schnelleinstieg, "Erste Hilfe", Hinweise...
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,12292.0.html
i.V.m. dem umfangreichen Vollstreckungs-Board
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/board,77.0.html

Daher sollte bei der Diskussion nicht der Eindruck erweckt werden, dass man die Schreiben "Festsetzungsbescheide" ignorieren könne oder solle, jedoch wäre die Diskussion, was genau stattdssen am sinnvollsten getan werden könnte oder sollte, eine eigenständige Diskussion, die über die hiesige Diskussion der Unterschiede zwischen "Scheinverwaltungsakt" und "Verwaltungsakt" hinausgeht.

Dies nur auf die Schnelle, Querverweise werden ggf. noch nachgereicht. Bitte etwas Geduld.

Diese Hinweise sollen hier nur der wichtigen Information dienen und hier nicht weiter vertieft werden.
Hier bitte weiter zum eigentlichen Kern-Thema
Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Danke für allerseitiges Verständnis und die Berücksichtigung.
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: seppl am 30. November 2019, 23:07
@Bürger:
Anmerkungen: Eine Rechtsbehelfsbelehrung auf einem Scheinverwaltungsakt ist mit den ganzen Schreiben nichtig (wenn es denn ein Scheinverwaltungsakt ist)
Einen Widerspruchsbescheid erhält man, wenn bereits Sachverhalte verifiziert sind. (Im bereits formell bescheidanerkennenden Widerspruch erwähnte Sachverhalte).
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: Bürger am 30. November 2019, 23:17
Das ist sicherlich richtig, sollte oben aber auch nicht behauptet werden.

Ich habe mit dem Verweis auf die "Rechtsbehelfsbelehrung" lediglich versucht darzulegen, dass seitens ARD-ZDF-GEZ genau damit "offiziell behauptet" wird, dass es sich bei den "Festsetzungsbescheiden" um "Verwaltungsakte i.S.d. VwVfG" handele. Nur dazu diente der Verweis auf die "Rechtsbehelfsbelehrung".

Da mir die Ausführungen der mir lediglich aus beispielhaften "Widerspruchsbescheiden" geläufigen Urteile ebenso wenig bekannt sind wie etwaige Ausführungen dazu aus dem "Beck'schen Rundfunkkommentar", ist mir auch nicht bekannt, ob die Behauptung, dass es sich bei den "Festsetzungsbescheiden" um "Verwaltungsakte" (i.S.d. VwVfG) handele nur auf jene "Festsetzungsbescheide" bezieht, die aufgrund von "Widerspruch" quasi zum "Verwaltungsakt" geadelt wurden, oder ob es eine generelle Behauptung ist. Im Forum gibt es auch einen Fragenkatalog, der u.a. genau diese Frage, bei welchen der Schreiben es sich um "Verwaltungsakte" handeln soll, zum Gegenstand hat:
Fragen an Rundfunkanstalt (u.a.) für Begründung der Rechtsmittel/Anträge
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,21499.0.html
Konkrete Antworten darauf? Fehlanzeige. Wahrscheinlich "aus Gründen"... ;)
...huch - doch eine "Antwort"(?)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,21499.msg141687.html#msg141687
[...]
Zitat
Senatskanzlei Hamburg
[...]
Die Länder haben in ihren Landesverwaltungsverfahrensgesetzen (LVwVfG) weitgehend ausdrücklich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten des Landesrechts vom Anwendungsbereich ausgeschlossen (siehe in Hamburg für den NDR § 2 Absatz 1 Satz 2 HmbVwVfG). In den Bereichen des Gebühreneinzugs und der Vergabe von Sendezeiten Dritter können deren Entscheidungen als hoheitliche Maßnahme jedoch Verwaltungsakt-Charakter haben, so dass insoweit das VwVfG subsidiär anwendbar ist.
(Hamburgisches Verwaltungsverfahrensgesetz: http://www.landesrecht-hamburg.de/jportal/portal/page/bshaprod.psml?showdoccase=1&st=null&doc.id=jlr-VwVfGHArahmen&doc.part=X&doc.origin=bs (http://www.landesrecht-hamburg.de/jportal/portal/page/bshaprod.psml?showdoccase=1&st=null&doc.id=jlr-VwVfGHArahmen&doc.part=X&doc.origin=bs)) [/color]
[...]
Allerdings mglw. juristisch verschwurbelt keine konkrete Antwort auf die Frage, ob die Schreiben(!) Verwaltungsakte seien, sondern die "Antwort", dass die "Entscheidungen [als hoheitliche Maßnahme] jedoch Verwaltungsakt-Charakter" hätten. Naja... ::)

Im Übrigen erhält man oft genug auch "Widerspruchsbescheide", selbst wenn man sich zur Sache noch gar nicht geäußert hat und lediglich - gänzlich unbegründet und lediglich fristwahrend - "Zurückweisung, hilfsweise Widerspruch" eingelegt hat. Ich bezweifle, dass man damit den "Scheinverwaltungsakt" schon als "Verwaltungsakt" anerkannt hat. Aber, wie gesagt, geht die Diskussion um adäquate Reaktion auf "Scheinverwaltungsakte" über die hiesige Diskussion hinaus.

Eines ist klar:
Aus dem RBStV selbst geht nicht hervor, dass es sich bei den "Festsetzungsbescheiden" um "Verwaltungsakte" (i.S.d. VwVfG) handeln könne oder solle und dass ein "Widerspruchsverfahren" überhaupt vorgesehen sei.

Im Übrigen steht ja auch auf den Einkommensteuerbescheiden oder anderen Bescheiden i.d.R. nicht drauf, dass es sich um "Verwaltungsakte" handelt. Ob es Gesetzesbegründungen gibt, in denen das behauptet wird, ist mir nicht geläufig.

Lass(t) uns wieder zum eigentlichen Kern-Thema zurückkehren... ;)

PS: Auch ich bin einer derjenigen, der nahezu alle "Schein-Begriffe", die im Zusammenhang mit dem sog. "Rundfunkbeitrag" und dessen "Erhebungs- und Beitreibungsverfahren" Verwendung finden, in Anführungszeichen setzt ;)
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: befreie_dich am 30. November 2019, 23:54
Selbst wenn eine Behörde solch einen Bescheid ausstellen würde, wäre es ein Scheinverwaltungsakt, wenn Inhalt mit Absicht nicht übereinstimmt. Wenn also eigentlich nicht festgesetzt wird, sondern aus der Reaktion des Betroffenen erst ermittelt werden soll und kann.
(Kriterium könnte sein:) Verwaltungsakte müssen verständlich sein (s.u. #).

Zitat
Die „Lesbarkeit" automatisierter Bescheide ist ein Unterfall der „Lesbarkeit" von Bescheiden überhaupt. Die Verwendung von Datenverarbeitungsanlagen und von Schlüsselzeichen entbindet die Behörde nicht von den rechtsstaatlichen Erfordernissen, daß ein Bescheid eine klare, eindeutige und für den Empfänger verständliche Äußerung sein muß und daß der Betroffene aus dem Bescheid die Gründe der Entscheidung in dem Maße erkennen können muß, wie es für die Wahrung seiner Rechte und die Kenntnis seiner Rechte und Pflichten notwendig ist.
Quelle: https://epub.ub.uni-muenchen.de/10479/1/10479.pdf (https://epub.ub.uni-muenchen.de/10479/1/10479.pdf) , Unterstreichung hinzugefügt (1977)

- Setzt ein VA fest, ohne festsetzen zu können, könnte er unverständlich sein? Zumindest nicht nachvollziehbar.

- Wird ein VA erlassen, der Daten benötigt, für deren Herausgabe keine Pflicht (*) besteht, könnte er unverständlich sein. Genaue Auflistung der Gemengenlage und 'Fehlzuständen': Gesamtschuldnern, Innenverhältnis, Wohngemeinschaft, Sozialgefüge, Einkommen, Härtefälle ...?

- Wird ein VA erlassen, der Daten benötigt, gegen deren Herausgabe Verweigerungsrechte bestehen bestehen, könnte nichtig sein? Wurde jemand nicht über Aussageverweigerungsrecht, Zeugnisverweigerungsrecht belehrt, obwohl seine Rundfunkanstalt Daten von Personen will, bei denen AVR oder ZVR zuträfe? Vielleicht steht es ja wo? Wie gravierend wäre das?

- (eigene Begründung, z.B. m. s.u. # einfügen)

(*) Nach Art. 1 (2) GG sind Grundrechte als Menschenrechte unveräußerlich, damit ist ein Verzicht auf Grundrechte nicht zulässig (s.u. für andere Meinung). Meiner Meinung nach darf eine Behörde nicht annehmen, dass Bürger auf (Grund-)rechte verzichten und ihnen diesbezüglich kein konkludentes Verhalten unterstellen, um damit einen VA zu begründen.

Ich glaube jedoch nicht, dass ein Verwaltungsgericht einem Bürger 'diese' Verfahrenskompetenz zugesteht. Ob das Verfahren zur Festsetzung oder ein anderes notwendiges Verfahren fehlerhaft ist, müsste dem Gericht ein Gutachten zeigen.

Weiter dürfte zu zeigen sein, dass die Landesrundfunkanstalten diese Mängel wissen und Daten, ohne Rechtsgrundlage zu haben, haben wollen. Tatbestand: Wissen. Tatbestand: Wollen.

Meinungen zur Zulässigkeit des Grundrechteverzichts
https://www.iurastudent.de/streitstaende/ffentliches-recht/ist-ein-grundrechtsverzicht-zul-ssig (https://www.iurastudent.de/streitstaende/ffentliches-recht/ist-ein-grundrechtsverzicht-zul-ssig)

Ein Laie könnte den Tatbestand eines Verwaltungsaktes untergliedern in:

1. Hoheitl. Maßnahme
2. Behörde i.S.v. § 1 (2) LVwVfG (Bundesland, Bsp.: BW)
3. Regelung Einzelfall
4. Öffentl. Recht
5. Unmittelbare Außenwirkung

Terminologie: Bei Grundrechtseingriffen wird von einer obrigkeitlichen Maßnahme gesprochen.

#) Für die Wirksamkeit eines VA könnten gelten:

1. 'Wirksamkeit' / 'Dulden und Klagen'
2. Formfreiheit
3. Bestimmtheit
4. Bekanntgabe

Hieraus könnten sich weitere Kriterien für mangelhafte VA ableiten. Leichte Mängel könnten heilbar sein. Kennen wir - macht uns den Widerstand schwer. Willkür (gravierender Mangel) wurde bereits in einem bekannten Verfahren erfolglos versucht zu begründen - gravierende Mängel führen zur Nichtigkeit des betroffenen VA - Richter*innen sind in ihrer Entscheidung frei.

Verwaltungsakte gibt es als

1. Einzelverfügung, s. z.B. § 35 S. 1 LVwVfG (BW)
2. Allgemeinverfügung, s. z.B. § 35 S. 2 LVwVfG (BW)

Um welchen könnte es sich bei unserem fiktiven unbekannten Bescheid handeln?

Wann ein VA nichtig wird scheint vielfältig. Wer hat greifbare/bessere Literatur?
https://www.duncker-humblot.de/buch/der-nichtakt-9783428146888/?page_id=1 (https://www.duncker-humblot.de/buch/der-nichtakt-9783428146888/?page_id=1)

Zum Bescheid/Thema, Google-Vorschlag:
https://www.google.com/search?q=Bescheidtechnik (https://www.google.com/search?q=Bescheidtechnik)
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: pinguin am 01. Dezember 2019, 06:44
Noch als Anmerkung, damit es nicht übersehen wird:

Ein "Verwaltungsakt i.S.d. §35 VwVfG" setzt ein Über-/Unterordnungsverhältnis voraus.

Wenn man nun den europäischen Rahmen einbringt, der ja Bundesrecht darstellt, nämlich Art. 34 EMRK, und zur Kenntnis nimmt, daß sich nur nicht-staatliche Stellen und natürliche Personen auf die EMRK stützen dürfen, ferner zur Kenntnis nimmt, daß der EGMR den ÖRR als "nicht-staatliche Organisation" gemäß diesem Art. 34 EMRK behandelt, dann sollte auch klar werden, daß es zwischen LRA und Bürger nur ein Gleichordnungsverhältnis haben kann.

Ein Gleichordnungsverhältnis, bzw. sogar ein Nichtordnungsverhältnis in der Relation LRA zu Rundfunknichtinteressent, kann nicht mit einem "Verwaltungsakt i.S.d. §35 VwVfG" behandelt werden.

Erinnert sei hier an:

Zitat
Leitsatz 1
[...] Die Beurteilung, ob ein Rechtsstreit öffentlich- oder bürgerlichrechtlichen Charakter hat, richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird.

BGH KZB 8/03 - Natur des Rechtsverhältnisses zwischen Staat und Person
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,30304.msg193195.html#msg193195

Bevor wir also Begriffe wie "Verwaltungsakt", "Behörde", "Scheinverwaltungsakt" klären, wäre zu prüfen, welches Rechtsverhältnis es zwischen Bürger und LRA überhaupt hat.

Die Rundfunkverträge geben für den Bürger keinen klaren Rechtsweg vor; die Aussage zur Revision ans Bundesverwaltungsgericht gilt nur für die vertragschließenden Länder selbst, denn dem Bürger ist direkte Revision vor dem BVerwG verwehrt.

Um dieses Thema nicht zu schreddern, wird die Diskussion dazu fortgesetzt unter
Rechtsbeziehung zwischen Landesrundfunkanstalt und Bürger
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,12860
aktuell ab
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,12860.msg200444.html#msg200444
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: KlarSchiff am 01. Dezember 2019, 09:37
Eine Rechtsbehelfsbelehrung auf einem Scheinverwaltungsakt ist mit den ganzen Schreiben nichtig (wenn es denn ein Scheinverwaltungsakt ist)
Daraus könnte man schlussfolgern, dass bereits das Einlegen eines Widerspruchs auf einen "Scheinverwaltungsakt" zunächst dessen Rechtmäßigkeit anerkennen würde.
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: pinguin am 01. Dezember 2019, 10:25
Daraus könnte man schlussfolgern, dass bereits das Einlegen eines Widerspruchs auf einen "Scheinverwaltungsakt" zunächst dessen Rechtmäßigkeit anerkennen würde.
Wieso sollte aus etwas Nichtigem das Gegenteil werden? Wenn ein Wettbewerbsunternehmen falsche Tatsachen vorgaukelt, betreten wir mindestens den Bereich des unlauteren Wettbewerbs.

Zitat
§ 44 Nichtigkeit des Verwaltungsaktes - VwVfG
(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.
(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
    der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt;
2.
    der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt;
3.
    den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein;
4.
    den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann;

[...]

Ein nichtiger Verwaltungsakt ist nicht heilbar; er wird also auch durch Vorspielung falscher Tatsachen kein richtiger?

Wenn ein "Verwaltungsakt i.S.d. §44 VwVfG" nichtig ist, ist es ein "Scheinverwaltungsakt" erst recht und wird auch nicht dadurch rechtmäßig, daß auf diesen reagiert wird?

->
Zitat
§ 3 Örtliche Zuständigkeit - VwVfG
(1) Örtlich zuständig ist

1.
    in Angelegenheiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt;

[...]
Und hier kommt wieder der Begriff "Rechtsverhältnis" zur Klärung?

Siehe:

Rechtsbeziehung zwischen Landesrundfunkanstalt und Bürger
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,12860
aktuell ab
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,12860.msg200444.html#msg200444
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: KlarSchiff am 01. Dezember 2019, 10:38
Nun, wenn der Scheinverwaltungsakt von Anfang an nichtig ist muss man ja auch keinen Widerspruch einlegen sondern kann die Forderung schlicht  zurückweisen. Man könnte dann abwarten bis die Zwangsvollstreckung ihren Lauf nimmt. Spätestens dann ist der Zeitpunkt gekommen die Nichtigkeit des Verwaltungsakts bei Gericht zu reklamieren.
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: drboe am 01. Dezember 2019, 10:41
Wenn in einem Schreiben durch die Aufmachung der Eindruck erweckt wird, es handle sich um einen Verwaltungsakt, dies ggf. verstärkt mittels der Androhung folgenschwerer Konsequenzen, und man zur Abwehr derselben reagiert, so erkennt man rein gar nichts an. Gibt sich jemand als Polizist aus, obwohl er keiner ist, und folgt man seinen Anweisungen, so wird der Gauner auch nicht zum echten Vertreter der Staatsmacht sondern bleibt ein Gauner. Ein nicht existierender Verwaltungsakt materialisiert also nicht dadurch, dass man dem Irrtum erliegt, bei dem Schreiben handle es sich um einen solchen. Zumal die Mehrzahl der Bürger mit dem Begriff "Verwaltungsakt" kaum etwas anfangen kann und einem Schreiben auch nicht ansehen, ob es einen darstellt. Besonders schwierig wird die Situation noch dadurch, dass Gerichte im Zusammenhang mit der Finanzierung des Rundfunks nahezu jeden Unsinn passieren lassen, der von den ÖR-Anstalten veranstaltet wird. Als da wären die Direktanmeldung, die Vollstreckung als Behörde, die Gültigkeit einer Satzung für Nicht-Nutzer etc. Die Einordnung von Schreiben des BS und/oder den LRAn als "Scheinverwaltungsakt" findet zudem ihre Grenzen regelmäßig in der Betrachtung von Gerichten, die selbst "behördenmäßiges" agieren als Verwaltungshandeln durchgehen lassen und den Sendern eine Zwitterfunktion zubilligen aus "staatsfernem" Unternehmen, das sich auf Artikel 5 GG stützen kann, und Behörde, die Vollstreckungen an den Gerichten vorbei durchsetzen kann.

Mir stellt sich fast sieben Jahre nach dem Start des sogn. Rundfunkbeitrags daher fast automatisch die Frage, was denn zu gewinnen ist, wenn Kriterien vorgelegt werden, an Hand derer Scheinverwaltungsakte des ÖR-Rundfunks zu erkennen wären. Kann man dann auf Reaktionen auf die so eingeordneten Schreiben verzichten ohne Gefahr zu laufen Fristen zu versäumen? Oder Vollstreckungen vermeiden bzw. Gerichte davon überzeugen, dass die Forderungen der LRAn zurück zu weisen sind? Das wäre schön, allein mir fehlt die Zuversicht, dass Gerichte und der Staatsapperat überhaupt gewillt sind sich bezüglich der Finanzierung des ÖR-Rundfunks an etablierte Regeln zu halten.

M. Boettcher
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: seppl am 01. Dezember 2019, 11:48
Wieso sollte aus etwas Nichtigem das Gegenteil werden?
Wenn man sich "freiwillig" darauf einlässt. Und dann wohlmöglich auch noch vor Gericht damit zieht und dort alles anzweifelt, was im Brief steht, ausser der Rechtskraft des Bescheides  ;) Das Gericht stellt dann nur fest - je nachdem, was bemängelt wird - ob der Betrag stimmt, ob Befreiung oder Ermäßigung greift, ob eine Gesamtschuldnerschaft vorliegt, etc.
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: seppl am 01. Dezember 2019, 12:09
@drboe: Ist nicht ganz so eindeutig! Die Feststellung der Gesamtschuldnerschaft ist so ein "legaler Gaunertrick": Der Beitragsservice informiert den Bürger, er müsse - um eine Gesamtschuldnerschaft feststellen zu können (zum Zwecke der Reduzierung der Forderungen an mehrere Inhaber auf einen Beitrag) die Beitragsnummern der Beteiligten angeben. Diese Nummern sind jedoch persönliche Daten und nur mit Erlaubnis des Betroffenen weiterzugeben. Um nun das vermeintliche Risiko zu vermeiden, doppelt und dreifach bebeitragt zu werden, fühlt man sich gedrängt, die Nummern anzugeben. Das, was man damit aber macht, ist, sich durch konkludentes Verhalten einer freiwilligen Gesamtschuldnerschaft (die es ohne diese Daten nicht geben würde) anzuschliessen. Lägen nur die gewohnten mehrfachen Bescheide auf Einzelschuldner vor, würde daraus mehrfach für die Wohnung der Beitrag gefordert werden, was der Regelung des RBStV widerspräche und die Bescheide (wenn nicht sowieso nur Scheinverwaltungsakte) sogar nichtig machen würde. Es ist aus ihnen nicht zu erkennen, wer denn nun als Gesamtschuldner für den Gesamtbetrag herangezogen wird. So werden aus freiwilligen Angaben Tatsachen geschaffen.
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: drboe am 01. Dezember 2019, 13:05
@seppl: das beschrieben Szenario leuchtet zwar ein, wenn man an die (übliche) Konstruktion der Gesamtschuldnerschaft denkt, mit der du dich ja intensiv befasst. Bezüglich des ÖR-Rundfunks folgt aus der Bekanntgabe weiterer Beitragsnummern jedoch nicht etwa die Aufteilung auf alle Mitglieder des Gesamtschuldners oder die fallweise Belastung dessen, von dem man berechtigt annehmen kann, dass er wirtschaftlich als erster in der Lage ist die Forderungen der LRA stellvertretend für alle zu erfüllen, sondern der BS pickt sich eine Person heraus, löscht die Daten aller übigen (dabei durchaus dem Gesetz folgend) und der Gesamtschuldner hört unmittelbar auf zu existieren. Vor Gericht kann die LRA dann völlig zu Recht aussagen, es lägen keine Daten zum Gesamtschuldner vor. Nach ordnungsgemäßer Abwicklung gibt es schlicht keine Gesamtschuldner, sondern nur einzelne Personen, die für die Begleichung der Forderungen gerade stehen. Das Gericht folgt dann diesem Irrsinn, wissend, dass die LRA bzw. der BS einmal über alle Daten verfügte und zudem über eine Schnittstelle an die Meldedaten kommt. Die im RBStV enthaltene Regelung zur Gesamtschuld analog der Abgabenordnung erweist sich dabei als Schimäre, einzig dazu gedacht den Zugriff auf alle Wohnungsinhaber zu erhalten, ohne dass die zugleich die Rechte erhalten, die sie an sich besitzen; z. B. das sich von ihrem Anteil durch entsprechende Zahlung zu befreien. Zugleich fehlt dem Zahlungsverpflichteten ein wirksamer Hebel die Anteile von den übrigen Wohnungsinhabern erfolgreich einzufordern. Im Grunde rennen wir ständig gegen Wände, die allerdings speziell für den Rundfunk errichtet wurden/werden und etablierte und bewährte Rechte der Bürger aushebeln.

M. Boettcher
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: seppl am 01. Dezember 2019, 13:25
@drboe: Interessant dazu ist die Klage zur Aufteilung der Gesamtschuld:
Untätigkeitsklage Antrag auf Aufteilung der Gesamtschuld VG Hamburg 19 K 1668/19
Beschluss:
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,30834.msg200370.html#msg200370
Das Gericht hat im Beschluss nicht gesagt, dass keine Gesamtschuld vorliegt, sondern nur:
1) Dass sie durch die Bescheide nur nicht erkannt werden kann und daher eine Aufteilung daraus nicht möglich ist.
2) Dass der NDR für die Aufteilung nicht zuständig ist.
Die vom Kläger behauptete Existenz einer Gesamtschuld wird nicht bestritten. Es wird sogar angeführt, wie sie aufgeteilt werden würde.
Absurderweise multipliziert sich nach Darstellung des Richters die Gesamtschuld beim teilen! Das entspricht keiner üblichen und auch keiner ünüblichen Gesamtschuldnerschaft, das entspricht einem Rabatt bei Angabe der Beitragsnummern der anderen Mitbewohner! Der Gesamtbetrag einer Gesamtschuld bleibt auch bei Aufteilung gleich. Sonst ist es einfach keine Gesamtschuld im Sinne des BGB.
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: Kurt am 01. Dezember 2019, 13:54
@drboe: Interessant dazu ist die Klage zur Aufteilung der Gesamtschuld:[..]
Absurderweise multipliziert sich nach Darstellung des Richters die Gesamtschuld beim teilen! Das entspricht keiner üblichen und auch keiner ünüblichen Gesamtschuldnerschaft, das entspricht einem Rabatt bei Angabe der Beitragsnummern der anderen Mitbewohner! Der Gesamtbetrag einer Gesamtschuld bleibt auch bei Aufteilung gleich. Sonst ist es einfach keine Gesamtschuld im Sinne des BGB.

Heißt es nicht gerade deswegen Gesamtschuldner - andernfalls wäre es (bei der von Dir angedachten Teilung) eine Teilschuldnerschaft?

Im RBStV §2 Abs. 3 heißt es:
Zitat
(3) Mehrere Beitragsschuldner haften als Gesamtschuldner entsprechend § 44 der Abgabenordnung.
Quelle: https://www.rundfunkbeitrag.de/e175/e4794/Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.pdf

In der Abgabenordnung § 44 Abs. 1 heißt es:
Zitat
(1) Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden oder für sie haften oder die zusammen zu einer Steuer zu veranlagen sind, sind Gesamtschuldner. Soweit nichts anderes bestimmt ist, schuldet jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung.
Quelle: https://dejure.org/gesetze/AO/44.html

Daraus ergibt sich IMHO - wenn auch unsinnig - eine Multiplikation.
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: seppl am 01. Dezember 2019, 14:09
Bei der Aufteilung der Steuerschuld wird aber nix multipliziert. Welches Ehepaar würde sonst bei Steuerzusammenveranlagung splitten wollen?
Der Satz meint, dass der Gesamtbetrag von jedem (insgesamt aber nur einmal) gefordert werden kann.
Die Gesamtschuldregelung nach BGB gilt genauso für den Privatbereich wie für den hoheitlichen Bereich.

> Wir rutschen in das falsche Thema ab!
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: drboe am 01. Dezember 2019, 19:24
Ich wollte mit #24 nicht die Diskussion in Richtung Gesamtschuld verschieben, sondern darauf hinweisen, dass sich die Behandlung von Gesamtschulden ggf. nicht sonderlich gut als Beispiel für Scheinverwaltungsakte eignet, weil die Behandlung von Gesamtschuldnern insgesamt fragwürdig ist bzw. nicht sachgerecht, auch nicht beim vorliegen eines realen Verwaltungsaktes. Das liegt zum Teil allerdings an einem schlechten Gesetz, das diesbezüglich Unmögliches fordert, nämlich die zunächst vorhandenen Mitglieder eines Gesamtschuldners bis auf eine Person zu löschen.

Lässt man diese Konstellation zunächst einmal weg, so bleiben folgende Fragen:

1. wie kann ein Bürger einen Scheinverwaltungsbescheid zuverlässig erkennen? Welche Schreiben des ÖRR wären das?
2. kann man einen solchen Bescheid folgenlos ignorieren? Falls nein: wie sollte man ggf. reagieren?
3. nützt es in der juristischen Auseinandersetzung, wenn man belegen kann, dass Schreiben des BS/der LRA Scheinverwaltungsakte darstellen?
4. sofern 3. bejaht werden kann, in welcher Form kann man den möglichen Nutzen erzielen und worin besteht er bzw. könnte er bestehen?

Letztlich dürfte es darauf hinaus laufen, dass Punkt 4 von besonderem Interesse ist. Ich bin angesichts des Verhaltens von Gerichten und insbesondere des Schutzes seitens des BVerfG skeptisch bezüglich eines erzielbaren Nutzens.

M. Boettcher
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: seppl am 01. Dezember 2019, 19:52
@drboe: Nicht immer sind Sie gemeint, wenn ich mäkele  ;) Es war eher die Antwort von @Kurt, die die Gefahr birgt, das Thema Gesamtschuld weiter aufrollen zu müssen.

Das schlechte Gesetz führt bei der Gesamtschuldnerschaft dazu, dass diese nicht teilbar ist. Ist aus einer gemeinschaftlichen Schuld einer Personenmehrheit, die sich dafür nicht freiwillig zusammengefunden hat, sondern rein durch Gesetz dazu verschmolzen wird, keine persönliche Einzelschuld mehr errechenbar und aus der Gesamtschuldsumme herausdividierbar, so wird die grundgesetzliche Privatautonomie dieser natürlichen Personen verletzt. Man nennt das Kollektivhaftung. Die gibt es bei uns nicht.
Die Verschleierungsformulierung der ÖRRen dafür lautet: Den Rundfunkbeitrag können die Bewohner unter sich aufteilen, "wie sie es möchten".
Der Stärkere/ Schlauere/ Gewissenlosere usw. der Wohngemeinschaft  kann also bei dem Wettbewerb gewinnen! Das ist nicht im Sinne des Gleichheitsgedankens des GG!!
Titel: Re: Scheinverwaltungsakt: Differenzierung zwischen Bescheid und Verwaltungsakt
Beitrag von: befreie_dich am 01. Dezember 2019, 20:59
Interessant ist die Anmerkung, das Verwaltungsakte Einzelfälle regeln, die Bescheide des Beitragsservice (egal ob Behörde oder nicht) aber per Massenpost und automatischer Namens- und Adresseingabe erstellt werden. Dies kann - entsprechend formuliert - auch den Nachweis des Scheinverwaltungsakts argumentativ verstärken.
Wir sollten uns fragen, ob ein Bescheid einer Prüfung "Einzelfall" nicht standhält und damit kein Verwaltungsakt sein kann:

Zitat
VI. EINZELFALL

Ein Einzelfall liegt vor, wenn die Maßnahme konkret-individueller Natur ist. Somit teilt sich hier die Prüfung in 2 Teile. Zum einen muss die Maßnahme konkret (sachliche Prüfung) und zum anderen individuell (persönliche Prüfung) sein.

Konkret ist die Maßnahme, wenn diese sich auf einen bestimmten Fall bezieht, also nicht eine abstrakte Anordnung darstellt.

Individuell ist die Maßnahme, wenn der Adressat genau bestimmt ist und sie nicht an eine generelle Gruppe gerichtet ist.

Kein Einzelfall, sondern abstrakt-generelle Maßnahmen sind beispielsweise Rechtsverordnungen und Satzungen.
Quelle: http://www.juraindividuell.de/pruefungsschemata/der-verwaltungsakt-gemaess-35-vwvfg/ (http://www.juraindividuell.de/pruefungsschemata/der-verwaltungsakt-gemaess-35-vwvfg/)

S.a. https://jura-online.de/lernen/verwaltungsakt-35-vwvfg/3309/excursus (https://jura-online.de/lernen/verwaltungsakt-35-vwvfg/3309/excursus)

Her mit einem fiktiven Beispiel das ich fiktiv prüfen darf :)