Anregungen zum StaatsvertragsentwurfSehr geehrte Damen und Herren,
nachfolgend meine Anregungen zum Staatsvertragsentwurf zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ReformStV).
Zu § 26 Abs. 1 Sätze 8 und 9 (Auftrag)„Die öffentlich-rechtlichen Angebote haben der Kultur, Bildung, Information und Beratung zu dienen. Unterhaltung, die einem öffentlich-rechtlichen Profil entspricht, ist Teil des Auftrags.“
Ist sichergestellt, dass die Unterhaltungssendungen des ÖRR einem öffentlich-rechtlichen Profil entsprechen? Wie ist dieses öffentlich-rechtliche Profil definiert? Entsprechen Schlagersendungen einem solchen öffentlich-rechtlichen Profil, wenn diese Unterhaltungssendungen keinen Bildungs- oder Informationsgehalt innehaben, sondern lediglich der Unterhaltung des geneigten Schlagerpublikums dienen? Wenn dies zu bejahren ist: Wie wird sichergestellt, dass alle Beitragszahler ein Unterhaltungsangebot vorfinden, welches ihrem (Musik-)geschmack entspricht und nicht ausschließlich Schlagermusik das Fernsehprogramm bestimmt? Warum haben die Mediatheken von ARD und ZDF eigene Rubriken für Schlagermusik, nicht jedoch für Rock, Metall, Blues, Jazz, EDM und Hip-Hop? Ist es mit einem öffentlich-rechtlichen Profil vereinbar, dass die Interpreten die in den zahlreichen Schlagersendungen auftreten, ihren Lebensunterhalt zu großen Teilen mittelbar aus Rundfunkbeiträgen bestreiten und Ihre Musik werbewirksam im ÖRR-Fernsehprogramm präsentieren können, die Interpreten von sämtlichen anderen Musikgenres jedoch nicht?
Die Feste mit Florian Silbereisen (ARD), Eurovision Song Contest (ARD), Schlagerboom (ARD), Immer wieder sonntags (SWR), Die Beatrice Egli Show (SWR), Schlager-Spaß mit Andy Borg (SWR), Die Schlager des Monats (MDR), Musik in den Bergen (BR), Schlagerparty (HR), ZDF-Fernsehgarten (ZDF), Die Helene Fischer Show (ZDF), Die Giovanni Zarrella Show (ZDF), NDR Schlager, BR Schlager, HR4, SWR4, MDR Schlagerwelt, und etliche Weitere…
Warum werden all diese Schlagersendungen durch Rundfunkbeiträge finanziert, obwohl es in Deutschland ausreichend kommerzielle Anbieter gibt, die vergleichbare Sendungen anbieten? (RTL, VOX, Deutsches Musik Fernsehen, Schlagerparadies, Schlager Deluxe, Radio Paloma, Schlager Radio, …)
Zu § 28a Abs. 2 und 4 (Schwerpunktangebote)„(2) Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten und das ZDF veranstalten gemeinsam [ein/zwei Angebot/e] mit den Schwerpunkten Information, Bildung und Dokumentation.“
„(4) Werden die nach den Absätzen 2 und 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 beauftragten Angebote als Fernseh-programme veranstaltet, überführen die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten und das ZDF diese in Angebote im Internet gleichartigen Inhalts nach dem Verfahren nach § 30b, mit Beginn der Beitragsperiode, die auf das Jahr folgt, in dem die Nutzung der Inhalte der Angebote in der jeweiligen Zielgruppe weit überwiegend über die Telemedienangebote von ARD oder ZDF erfolgt, spätestens jedoch zum 1. Januar 2033.“
Die Sender tagesschau24 und Phoenix sind meines Erachtens die beiden einzigen Sender die zwingend eine lineare Ausstrahlung erfordern. Beide Sender berichten live von aktuellen Ereignissen und sollten daher, abweichend von Abs. 4, auch weiterhin linear Angeboten werden. Eine Zusammenlegung zu einem gemeinsamen News und Ereigniskanal von ARD und ZDF wäre denkbar. Sämtliche linearen Angebote nach Abs. 1 und 3 könnten ohne Weiteres in ein On-Demand-Angebot überführt und nach Rubriken zusammengelegt werden.
Zu § 35 Abs. 5 (Kostensteuerung Sportrechte)„(5) Die für den Erwerb von Übertragungsrechten für Sportereignisse aufgewendeten Mittel dürfen ein angemessenes Verhältnis zum Gesamtprogrammaufwand nicht überschreiten. [Ein angemessenes Verhältnis ist in der Regel anzunehmen, wenn der Aufwand für den Erwerb von Übertragungsrechten nach Satz 1 [8-10 % abzüglich X %-Punkte] des gesamten Programmaufwandes in einer Beitragsperiode nicht übersteigt.] Der Erwerb von Übertragungsrechten nach Satz 1 darf ausschließlich zu marktüblichen Preisen erfolgen. Die exklusive Auswertung ist nur zulässig, wenn und soweit dies zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags erforderlich ist; beim Erwerb von Rechtspaketen sind Sublizenzen sind zu marktüblichen Preisen anzubieten. § 26 Abs. 3 gilt für die Sätze 1 und 2 entsprechend.“
Warum sollte der ÖRR Mittel für Übertragungsrechte von Großereignissen nach § 13 Abs. 2 MStV aufwenden dürfen, wenn diese auch von kommerziellen Anbietern übertragen werden? Warum müssen Olympische Sommer- und Winterspiele, Fußball-Europa- und Weltmeisterschaften, DFB-Pokal oder Champions League und Europa League im ÖRR zu sehen sein? Diese überaus teuren Übertragungsrechte sind eben nicht zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags erforderlich, da es eine ausreichend große Zahl an kommerziellen Interessenten gibt, die diese Sportereignisse übertragen möchten.
Schließlich regelt § 13 MStV, dass die Übertragung von Großereignissen im frei empfangbaren und allgemein zugänglichen Fernsehprogramm in der Bundesrepublik Deutschland zeitgleich oder, sofern wegen parallel laufender Einzelereignisse nicht möglich, geringfügig zeitversetzt ausgestrahlt werden muss. Ein „Verschwinden“ dieser Großereignisse hinter einer Paywall ist daher nicht zu befürchten und kann hier nicht als Argument herangezogen werden.
Zu § 37 bis 40 (Zulässige Produktplatzierung, Dauer der Rundfunkwerbung, Sponsoring, Kommerzielle Tätigkeiten)Mir ist nicht ersichtlich warum es überhaupt notwendig ist einen Teil des Programms durch Produktplatzierung, Rundfunkwerbung und Sponsoring zu finanzieren. Im internationalen Vergleich leistet sich Deutschland einen der teuersten ÖRR. Würde man das Programm auf den Kernauftrag nach § 26 reduzieren und die angestrebte quantitative Begrenzung konsequent umsetzen wäre eine teilweise Werbefinanzierung überflüssig. Weiter lässt eine teilweise Werbefinanzierung Zweifel an der redaktionellen und journalistischen Unabhängigkeit zu. Besonders störend wird hierbei insbesondere Radiowerbung auf den ARD-Popwellen empfunden, die von vielen Hörern gerade wegen der dortigen Werbung gemieden werden.