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Autor Thema: BFH I R 32/17 - Unwirksames Urteil  (Gelesen 1835 mal)

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BFH I R 32/17 - Unwirksames Urteil
Autor: 28. August 2021, 20:16
Beschluss vom 03. März 2021, I R 32/17
Unwirksames Urteil

https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202150043/

Rn. 2
Zitat
1. § 105 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bestimmt, dass das schriftlich abzufassende Urteil von den Richtern, die bei der Entscheidungsfindung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen ist. Die Unterschriften der Richter unter einem Urteil müssen dabei stets einen Text decken, der dem Beratungsergebnis entsprechend verfasst und den Unterschreibenden zur Gänze bekannt war (Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10.01.1978 - 2 StR 654/77, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1978, 899, Rz 6; Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.09.1995 - 4 B 173/95, Deutsches Verwaltungsblatt 1996, 106, Rz 7). Daran fehlt es.

Rn. 4
Zitat
2. Eine nachträgliche Heilung des Mangels ist ausgeschlossen. Entsprechend § 105 Abs. 4 Satz 3 FGO hat bei der Zustellung an Verkündungs statt (§ 104 Abs. 2 FGO) die Übergabe der vollständigen, mit den Unterschriften der beteiligten Richter versehenen Urteilsfassung an die Geschäftsstelle "alsbald nachträglich" zu erfolgen. Der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Parallelvorschrift des § 117 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (Beschluss vom 27.04.1993 - GmS-OGB 1/92, NJW 1993, 2603) ist zu entnehmen, dass die äußerste Grenze für dieses "alsbald" bei fünf Monaten nach der Übermittlung der Urteilsformel an die Geschäftsstelle liegt. Ansonsten wäre eine Übereinstimmung der Entscheidungsgründe mit dem Ergebnis der Verhandlung und Beratung nicht mehr sichergestellt. Vorliegend ist diese Grenze von fünf Monaten --nach Abfrage des Urteilstenors bei der Geschäftsstelle durch die Beteiligten-- nicht eingehalten worden, da die der Geschäftsstelle übermittelte Urteilsfassung nicht von den Unterschriften aller mitwirkenden Richter gedeckt ist.

Wird ein Urteil nach der Unterzeichnung durch Richter und Richterinnen geändert, ist es genauso unwirksam, wie es unwirksam ist, wenn die Richterinnen und Richter einen Text unterzeichnen, der sich so im Urteil nicht wiederfindet.

Wirksam ist nur der Wortlaut, den die Richter und Richterinnen tatsächlich zeitnah handschriftlich unterzeichnet haben.


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Re: BFH I R 32/17 - Unwirksames Urteil
#1: 31. August 2021, 10:35
Dies wurde übernommen in die auszuwertenden Rechtsgrundlagen gegen "Scheinentscheide" - Gerichte, aber auch ARD-Juristen.
Der vorstehende Fall betrifft eine seltene Konstellation. Wir haben bei fast 100 % der Entscheide eine andere Konstellation: Textbaustein- Konglomerat statt präziser Antragsbearbeitung.

Eine Petition für ein Gesetzesnovelle hiergegen ist beim Bundestag
---------------------------------------------------------
zur Zeit in "intensiver" Bearbeitung mit "Beschlussfassung" im "Plenum" des Bundestages (von @pjotre ). Das hilft aber in erster Linie spürbar, wenn die Petition endet mit dem Beschluss an die Exekutive mit der Kennzeichnung "zur Berücksichtigung".  Das gibt es selten. Bleiben wir also ohne Illusion - der juristische Ellbogenkrieg bleibt uns auch zu diesem Problemkern nicht erspart.


Entsprechender Antrag ist enthalten
--------------------------------------
in den bundesweiten aktuellen Landesverfassungsbeschwerden. Nur so besteht Aussicht, da auch die Bundesländer insoweit ausreichendes Gesetzgebungsrecht haben.

 
Dies wurde gesagt, damit die juristischen Spürnasen
--------------------------------------------------------
des Forums wissen, welche Droge zu erschnüffeln ist:
Die Droge "Textbaustein-Konglomerat statt Antragsbearbeitung". Das ist die Droge, die das gesamte Thema "Rundfunkabgabe" seit nun rund 10 Jahren vergiftet und die natürlich Gesundheit der Gerechtigkeit sabotiert.

Das Medikament hiergegen wäre Rechtsprechung, die gehaltlose Urteile und behördliche Entscheide ohne Eingehen auf Anträge als "Scheinurteile" für von Anbeginn an nichtig erklärt. Funde in diesem Sinn, das ist rar, aber träfe den Kern der aussichtslosen VG-Verfahren.

Dies Phänomen ist derart konträr zum Selbstbild der Justiz.... Obersten Richtern muss überhaupt erst einmal klar gemacht werden, dass es das überhaupt gibt und dass es hiergegen bereits Rechtsprechung gibt.


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Re: BFH I R 32/17 - Unwirksames Urteil
#2: 31. August 2021, 17:52
Das Medikament hiergegen wäre Rechtsprechung, die gehaltlose Urteile und behördliche Entscheide ohne Eingehen auf Anträge als "Scheinurteile" für von Anbeginn an nichtig erklärt.
Sowas ähnliches hat es doch vom Bundesfinanzhof auch schon; siehe den in nachstehendem Thema

BFH IX B 40/20 - Rüge einer Divergenz - Pflicht z. Prüfung aller Prozessakten
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,35624.msg215538.html#msg215538

enthaltenen weiteren Beschluß

Beschluss vom 04. Februar 2021, VIII B 38/20
Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens bei der Entscheidungsfindung

https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202150055/

Zitat
Rn. 3
[...] Insbesondere verpflichtet § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO das Gericht, den Inhalt der ihm vorliegenden Akten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen [...]

Zumindest ist damit ein Ansatzpunkt für die Qualifizierung eines Urteils als Fehlurteil gegeben, wenn bspw. europäische Grundrechte seitens der Kläger, bspw., thematisiert werden, das Gericht darauf aber gar nicht reagiert, wozu es verpflichtet ist, wenn das Vorbringen dieser vom Kläger nachweislich Teil der Prozessführung ist.

Es könnte hier dann wiederum verfassungsrechtlich kritisch sein, wenn das Gericht nur einen Teil der Prozessakten berücksichtigt und den Rest gar nicht zur Kenntnis nimmt; siehe Unparteilichkeit des Gerichts.


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Re: BFH I R 32/17 - Unwirksames Urteil
#3: 02. September 2021, 08:40
genau das ist der Punkt, danke @pinguin :
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Es geht um die Frage, dass rechtliches Gehör als generelles Prinzip beispielsweise erfordert, den gesamten Antrag zu lesen und zu berücksichtigen. Zwar haben Verfassungsgerichte ihr jeweiliges eigenes Verfahrensrecht. Aber der Pflicht des rechtlichen Gehörs unterliegen sie auf jeden Fall.

Wenn also eine Sammlung von 20 Verfassungsbeschwerden (Themen, Verletzungen)
--------------------------------------------------------------------------
insgesamt 200 übersichtlich strukturierte Schriftsatzseiten der Nachweise umfasst, müssen alle unterschreibenden Richter dies jedenfalls "überfliegen" und der berichterstattende Richter muss sich hinein vertiefen. 10 Seiten pro Einzelbeschwerde ist nicht  unverhältnismäßig.
Die rund 1000 zugehörigen "Gutachten"-Seiten, hierfür können Richter eine punktuelle Lektüre nach Ermessen und Bedarf wählen.

Vorstehend wurde ein wichtiges aktuelles Beispiel dargestellt.
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Das ist, damit die juristischen Spürnasen des Forums erkennen, was wir durch mehr Rechtsprechungsnachweis vertiefen sollten: Der Bürger kann ein antragsfremdes Textbaustein-Konglomerat als Nichtrechtsprechung zurückweisen und - im VG-Fall - beim Präsidium des Gerichts die Aberkennung der Urteilseigenschaft beantragen.

Über die Aussichten haben wir keine Illusionen. Nur ist dann eine Ausgangslage geschaffen, dass zu Recht die gesamte übliche Ordnung der Verfahrensfolgen nicht mehr funktioniert, weil der Bürger immer neu das noch fehlende echte Urteil reklamiert:
- Befangenheitsantrag / VG: kann man sich sparen.
- Anhörungsrüge ist vom Verbleibenden dann das Aussichtsloseste
- Gegenvorstellung bringt nicht sehr viel mehr
- Aber Antrag auf Wiederaufnahme ist noch in 100 Jahren beantragbar.

Nachdem der Staat es in Corona-Zeiten als politische Pflicht erkannt hat, das Sterben der Bürger zu unterbinden, müssen wir mit Dank für die Genialität unserer Politiker ja ab jetzt in etwas längeren Zeiträumen zu denken beginnen. 



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Re: BFH I R 32/17 - Unwirksames Urteil
#4: 02. September 2021, 18:32
Es geht um die Frage, dass rechtliches Gehör als generelles Prinzip beispielsweise erfordert, den gesamten Antrag zu lesen und zu berücksichtigen.
Das ist nicht nur Bundesrecht, siehe eben diese BFH-Entscheidung; es ist schlicht europäisches Grundrecht:

1.)
Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
in der Fassung der Protokolle Nr. 11 und 14

https://rm.coe.int/1680063764

Zitat
Artikel 13 – Recht auf wirksame Beschwerde
Jede Person, die in ihren in dieser Konvention anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, hat das Recht, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Beschwerde zu erheben, auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.

2.)
Charta der Grundrechte der Europäischen Union
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A12016P%2FTXT

Zitat
Artikel 47
Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht


Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.

Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, wird Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten.

Artikel 48
Unschuldsvermutung und Verteidigungsrechte


(1)   Jeder Angeklagte gilt bis zum rechtsförmlich erbrachten Beweis seiner Schuld als unschuldig.

(2)   Jedem Angeklagten wird die Achtung der Verteidigungsrechte gewährleistet.

Artikel 49
Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen


(1)   Niemand darf wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Es darf auch keine schwerere Strafe als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt werden. Wird nach Begehung einer Straftat durch Gesetz eine mildere Strafe eingeführt, so ist diese zu verhängen.

(2)   Dieser Artikel schließt nicht aus, dass eine Person wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt oder bestraft wird, die zur Zeit ihrer Begehung nach den allgemeinen, von der Gesamtheit der Nationen anerkannten Grundsätzen strafbar war.

(3)   Das Strafmaß darf zur Straftat nicht unverhältnismäßig sein.


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Re: BFH I R 32/17 - Unwirksames Urteil
#5: 03. September 2021, 10:57
 danke. @pinguin . Wurde in die Vormerkungen für diesbezüglich geplante Schriftsatzerweiterung übernommen.


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