URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)
3. Februar 2021(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 97/7/EG – Art. 9 – Richtlinie 2011/83/EU – Art. 27 – Richtlinie 2005/29/EG – Art. 5 Abs. 5 – Anhang I Nr. 29 – Unlautere Geschäftspraktiken – Begriff ‚Lieferung einer unbestellten Ware oder Dienstleistung‘ – Trinkwasserversorgung“
In der Rechtssache C-922/19https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=237283&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=1201719Rn. 53Was den Begriff „unbestellte Waren oder Dienstleistungen“ betrifft, so sieht Anhang I Nr. 29 der Richtlinie 2005/29 vor, dass zu den aggressiven Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter gelten, insbesondere die „Aufforderung des Verbrauchers zur sofortigen oder späteren Bezahlung … von Produkten [zählt], die der Gewe[r]betreibende geliefert, der Verbraucher aber nicht bestellt hat (unbestellte Waren oder Dienstleistungen)“.
Rn. 54Eine „unbestellte Ware oder Dienstleistung“ im Sinne von Nr. 29 ist somit insbesondere ein Verhalten, das darin besteht, dass der Gewerbetreibende den Verbraucher zur Bezahlung einer Dienstleistung auffordert, die er dem Verbraucher geliefert hat, die vom Verbraucher aber nicht bestellt worden ist (Urteile vom 13. September 2018, Wind Tre und Vodafone Italia, C-54/17 und C-55/17, EU:C:2018:710, Rn. 43, und vom 5. Dezember 2019, EVN Bulgaria Toplofikatsia und Toplofikatsia Sofia, C-708/17 und C-725/17, EU:C:2019:1049, Rn. 64).
Rn. 55Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 8 der Richtlinie 2005/29 eine „aggressive Geschäftspraktik“ insbesondere dadurch definiert, dass sie die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Durchschnittsverbrauchers in Bezug auf ein Produkt tatsächlich oder voraussichtlich erheblich beeinträchtigt. Daraus folgt, dass die Inanspruchnahme eines Dienstes eine freie Entscheidung des Verbrauchers darstellen muss. Dies setzt insbesondere voraus, dass der Gewerbetreibende den Verbraucher klar und angemessen aufklärt (Urteil vom 13. September 2018, Wind Tre und Vodafone Italia, C-54/17 und C-55/17, EU:C:2018:710, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Rn. 57Für die Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie 2005/29 ist zudem der Begriff des Verbrauchers von entscheidender Bedeutung. Die Richtlinie nimmt nach ihrem 18. Erwägungsgrund den Durchschnittsverbraucher, der angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch ist, unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren als Maßstab (Urteil vom 13. September 2018, Wind Tre und Vodafone Italia, C-54/17 und C-55/17, EU:C:2018:710, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nach dem 18. Erwägungsgrund ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die typische Reaktion des Durchschnittsverbrauchers in einem gegebenen Fall zu ermitteln.
Zu den in Rn. 54 benannten Entscheidungen:
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)
13. September 2018(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Richtlinie 2005/29/EG – Unlautere Geschäftspraktiken – Art. 3 Abs. 4 – Geltungsbereich – Art. 5, 8 und 9 – Aggressive Geschäftspraktiken -Anhang I Nr. 29 – Unter allen Umständen aggressive Geschäftspraktiken – Lieferung einer unbestellte Ware oder Dienstleistung – Richtlinie 2002/21/EG – Richtlinie 2002/22/EG – Telekommunikationsdienste – Verkauf von SIM-Karten (‚Subscriber Identity Module‘, Teilnehmer-Identifikationsmodul) mit bestimmten vorinstallierten und -aktivierten Diensten – Keine vorherige Aufklärung der Verbraucher“
In den verbundenen Rechtssachen C-54/17 und C-55/17https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=205669&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=1309952Rn. 43Eine „unbestellte Ware oder Dienstleistung“ im Sinne von Nr. 29 ist somit insbesondere ein Verhalten, das darin besteht, dass der Gewerbetreibende den Verbraucher zur Bezahlung einer Ware oder Dienstleistung auffordert, die er dem Verbraucher geliefert hat, die vom Verbraucher aber nicht bestellt worden ist.
Rn. 45Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 8 der Richtlinie 2005/29 eine „aggressive Geschäftspraktik“ insbesondere dadurch definiert, dass sie die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Durchschnittsverbrauchers in Bezug auf ein Produkt tatsächlich oder voraussichtlich erheblich beeinträchtigt. Daraus folgt, dass die Inanspruchnahme eines Dienstes eine freie Entscheidung des Verbrauchers darstellen muss. Dies setzt insbesondere voraus, dass der Gewerbetreibende den Verbraucher klar und angemessen aufklärt (vgl. entsprechend Urteil vom 18. Oktober 2012, Purely Creative u. a., C-428/11, EU:C:2012:651, Rn. 53).
Rn. 49Insoweit ist es unerheblich, dass für die Benutzung der in den Ausgangsverfahren fraglichen Dienste in bestimmten Fällen möglicherweise eine bewusste Handlung des Verbrauchers notwendig war. Ohne angemessene Aufklärung über die Kosten des Internetzugangs und der Mailbox vermag eine solche Handlung nämlich keine Entscheidungsfreiheit bei der Erbringung der Dienste zu belegen. Im Übrigen konnte der Dienst des Internetzugangs dazu führen, dass vom Benutzer unbemerkt Internetverbindungen aufgebaut wurden, die Kosten verursachten, ohne dass ihm dies bewusst war.
Rn. 50Auch ist es unerheblich, wenn der Verbraucher die Möglichkeit hatte, sich gegenüber den betreffenden Telekommunikationsanbietern für die Abschaltung der fraglichen Dienste auf der SIM-Karte zu entscheiden oder sie über die Einstellungen seines Geräts abzuschalten. Zum einen ist es nämlich, da es vor dem Kauf der fraglichen SIM-Karte an einer klaren und angemessenen Aufklärung der Verbraucher durch diese Anbieter über das Bestehen der vorinstallierten und ?aktivierten Dienste und ihre Kosten fehlte, zumindest unwahrscheinlich, dass der Verbraucher wirklich in die Lage versetzt wurde, eine solche Wahlmöglichkeit auszuüben, zumindest bevor ihm ebendiese Dienste in Rechnung gestellt wurden, was zu prüfen jedoch Sache des vorlegenden Gerichts ist.
Rn. 56Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass der Begriff „unbestellte Waren oder Dienstleistungen“ im Sinne von Anhang I Nr. 29 der Richtlinie 2005/29 vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen dahin auszulegen ist, dass er ein Verhalten wie das in den Ausgangsverfahren fragliche umfasst, das darin besteht, dass ein Telekommunikationsanbieter SIM?Karten vermarktet, auf denen bestimmte Dienste – wie Internetzugangs- und Mailbox-Dienste – vorinstalliert und ?aktiviert sind, ohne dass der Verbraucher zuvor angemessen darüber aufgeklärt wurde, dass diese Dienste vorinstalliert und ?aktiviert sind oder welche Kosten hierfür anfallen.
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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)
5. Dezember 2019(*)(i)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Richtlinie 2011/83/EU – Verbraucherrecht – Art. 2 Abs. 1 – Begriff ‚Verbraucher‘ – Art. 3 Abs. 1 – Vertrag, der zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen wird – Vertrag über die Lieferung von Fernwärme – Art. 27 – Unbestellte Waren und Dienstleistungen – Richtlinie 2005/29/EG – Unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt – Art. 5 – Verbot unlauterer Geschäftspraktiken – Anhang I – Unbestellte Waren oder Dienstleistungen – Nationale Regelung, wonach jeder Eigentümer einer Wohnung in einem in Miteigentum stehenden Gebäude, das an ein Fernwärmenetz angeschlossen ist, sich an den Kosten des Wärmeenergieverbrauchs der gemeinschaftlichen Teile und der internen Anlage des Gebäudes beteiligen muss – Energieeffizienz – Richtlinie 2006/32/EG – Art. 13 Abs. 2 – Richtlinie 2012/27/EU – Art. 10 Abs. 1 – Abrechnungsinformationen – Nationale Regelung, die vorsieht, dass bei einem in Miteigentum stehenden Gebäude die Abrechnungen bezüglich des Wärmeenergieverbrauchs der internen Anlage für jeden Eigentümer des Gebäudes proportional zum beheizten Volumen seiner Wohnung erstellt werden“
In den verbundenen Rechtssachen C-708/17 und C-725/17https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=221326&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=1309426Rn. 56Des Weiteren ist der Begriff „Verbraucher“ in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83 definiert als jede natürliche Person, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen zu Zwecken handelt, die außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit liegen. Der Gerichtshof hat hierzu entschieden, dass dieser Begriff jeden nicht gewerblich oder beruflich Tätigen bezeichnet (Urteil vom 4. Oktober 2018, Kamenova, C-105/17, EU:C:2018:808, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Rn. 57Für die Zwecke der Auslegung dieser Richtlinie kommt dem Begriff „Verbraucher“ somit entscheidende Bedeutung zu, und ihre Bestimmungen sind im Wesentlichen aus der Sicht des Verbrauchers als des Adressaten und Opfers unlauterer Geschäftspraktiken konzipiert (Urteil vom 3. Oktober 2013, Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, C-59/12, EU:C:2013:634, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Rn. 63Gemäß Art. 27 der Richtlinie 2011/83 ist der Verbraucher, wenn unter Verstoß gegen Art. 5 Abs. 5 und Anhang I Nr. 29 der Richtlinie 2005/29 unbestellte Waren, Wasser, Gas, Strom, Fernwärme oder digitaler Inhalt geliefert oder unbestellte Dienstleistungen erbracht werden, von der Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung befreit, und in diesen Fällen gilt das Ausbleiben einer Antwort des Verbrauchers auf eine solche unbestellte Lieferung oder Erbringung nicht als Zustimmung. Wie sich aus dem 60. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/83 ergibt, stellt diese Praxis nämlich eine nach der Richtlinie 2005/29 verbotene unlautere Geschäftspraxis dar.
Rn. 64Nach diesen Erwägungsgründen handelt es sich bei unbestellten Waren und Dienstleistungen um die „Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, die der Verbraucher nicht bestellt hat“. Der Gerichtshof hat insoweit darauf hingewiesen, dass eine „unbestellte Ware oder Dienstleistung“ im Sinne von Nr. 29 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29, auf die Art. 27 der Richtlinie 2011/83 verweist, insbesondere ein Verhalten ist, das darin besteht, dass der Gewerbetreibende den Verbraucher zur Bezahlung einer Ware oder Dienstleistung auffordert, die er dem Verbraucher geliefert hat, die vom Verbraucher aber nicht bestellt worden ist (Urteil vom 13. September 2018, Wind Tre und Vodafone Italia, C-54/17 und C-55/17, EU:C:2018:710, Rn. 43).
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