"Beitragsservice" (vormals GEZ) > Baden-Württemberg
Antrag auf Einstellung der Vollstreckung beim VG Karlsruhe
Couscous:
Hallo allerseits,
in einem fiktiven Fall hätte die Person K beim VG Karlsruhe die Einstellung der Vollstreckung von Rundfunkbeiträgen beantragt. Dabei hätte sie sich an den Argumenten der Entscheidung des VG Dresden orientiert - siehe dazu u.a. unter
Vollstr.-Einstellg. wg. fehl. Voraussetz./ fehl. Zugangsnachw. von Briefpost
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=33720.0
--- Zitat ---Verwaltungsgericht Karlsruhe
Nördliche Hildapromenade 1
76133 Karlsruhe
________, den ____-__-__
Antrag auf Einstellung der Vollstreckung sowie Antrag auf einstweilige Anordnung
Vollstreckungsersuchen des Südwestrundfunks vom ____-__-_, Aktenzeichen: ___ ___ ___
Aktenzeichen des Gerichtsvollziehers: _________
Eilt! Bitte sofort vorlegen!
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Schreiben vom ____-__-__ hat mich die Gerichtsvollzieherin _________ beim Amtsgericht Karlsruhe darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie aufgefordert ist, auf Grundlage eines Vollstreckungsersuchens des Südwestrundfunks eine Forderung in Höhe von ___,__ EUR bei mir beizutreiben.
Hiermit beantrage die dringende Einstellung der Vollstreckung aufgrund fehlender Vollstreckungsvoraussetzungen.
Da ich unmittelbar von der Vollstreckung bedroht bin und mir in Kürze die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis droht, beantrage ich außerdem einstweilige Anordnung an die Gerichtsvollzieherin, die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen und insbesondere eine Eintragung ins Schuldnerverzeichnis zu unterlassen, bis eine Entscheidung durch das Verwaltungsgericht über meine Beschwerde ergangen ist.
Bei Fortsetzung der unzulässigen Vollstreckung (Eintragung ins Schuldnerverzeichnis, Pfändung oder gar Erzwingungshaft) würde ich rechtswidrige Beeinträchtigungen erleiden. Mir würden u.a. auch ungerechtfertigte, unverhältnismäßige und nicht revidierbare wirtschaftliche und existentielle Nachteile entstehen.
Ich mache als Einwand gegen die Zwangsvollstreckung geltend, dass mir die relevanten Bescheide und Titel nicht zugegangen sind:
• dem Vollstreckungsersuchen zugrundeliegende Festsetzungsbescheide, vorliegend betreffend den Zeitraum __/2016 bis __/2019, wurden nicht bekanntgegeben (nicht zugestellt);
• dem Vollstreckungsersuchen zugrundeliegende Mahnungen wurden nicht bekanntgegeben (nicht zugestellt);
• die Ankündigung der Zwangsvollstreckung wurde nicht bekanntgegeben (nicht zugestellt);
Die Zustellung des Titels ist laut § 750 ZPO eine zwingende Voraussetzung für seine Zwangsvollstreckung. Falls der Titel dem Schuldner nicht zugestellt wird, besteht keine Möglichkeit, Rechtsbehelf gegen den Titel zu begehren. Die Zwangsvollstreckung darf nur beginnen, wenn der Titel bereits zugestellt ist (§ 750 I 1 ZPO). Nachgewiesen wird dies durch eine Zustellungsurkunde, ein Empfangsbekenntnis oder bei der Amtszustellung durch eine Bescheinigung der Geschäftsstelle des Gerichts bzw. durch einen amtlichen Zustellungsvermerk auf dem Titel.
Die drei grundlegenden Vollstreckungsvoraussetzungen – Titel, Klausel und Zustellung (§ 750 ZPO) – und deren Vorliegen sind vom Gläubiger vorzutragen und nachzuweisen. Vollstreckungsgericht und Beschwerdegericht haben diese von Amts wegen zu prüfen. Fehlt eine der drei Voraussetzungen, ist die Zwangsvollstreckung unzulässig und einzustellen. Dem bisherigen Verfahren sind keinerlei Nachweise über die – erforderliche – Zustellung der zu vollstreckenden Bescheide oder auch der Mahnungen zu entnehmen.
In diesem Sinn hat das Verwaltungsgericht Dresden mit Beschluss vom 2020-05-04 (Az. 2 L 191/20) dem Antrag eines Schuldners stattgegeben und den Gläubiger verpflichtet, die Vollstreckung zu unterlassen und einzustellen:
„Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sämtliche Voraussetzungen der Vollstreckung der Bescheide vom [...] vorliegen.“
„Vor der Beitreibung eines Verwaltungsakts ist der Schuldner von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, durch verschlossenes Schreiben zu mahnen (vgl. § 13 Abs. 2 SächsVwVG).“
„Der Antragsgegner hat den Zugang der Mahnung in den Machtbereich der Antragstellerin nicht nachgewiesen, obwohl dieser behauptet hat, sie sei ihr nicht bekanntgegeben worden.“
„Damit bestehen Zweifel, ob das Schriftstück die Antragstellerin als Adressatin erreicht hat. Sie gehen zulasten der Behörde, denn es existiert keine Vermutung für den Zugang formlos versendeter Briefe (BVerfG, Beschluss vom 09. Oktober 1993 - 2 BvR 482/72, Beschluss vom 19. Juni 2013 - 2 BvR 1960/12, BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2016 - 9 C 19/15, BFH, Urteil vom 14. März 1989 - VII R 75/85, Urteil vom 31. Mai 2005 - I R 103/04, Beschluss vom 06. Juli 2011 - III S IV/11, VG Dresden, Urteil vom 16. Mai 2017 - 2 K 1246/15, Urteil vom 02. Oktober 2018 - 2 K 161/18).“
„Die Behörde kann den Streit darüber vermeiden, ob ein abgesandter Brief angekommen ist, indem sie ihn förmlich zustellt oder die Form des Einschreibens mit Rückschein wählt. Der Empfänger kann den Nichtzugang nicht darlegen, weil er nicht in seiner Sphäre liegt.“
Des weiteren ist die in der Vollstreckungsankündigung genannte Gesamtforderung nicht aufgeschlüsselt nach Hauptforderung, Mahngebühren, Säumniszuschlägen sowie Gerichtsvollziehergebühren. Mutmaßlich enthält die Gesamtforderung jedoch sowohl Mahngebühren als auch Säumniszuschläge. Diese sind jedoch nicht vollstreckbar, da sie vom „Beitragsservice“ und nicht von einer öffentlich-rechtlichen Behörde ergehen. Die vom „Beitragsservice“ ergangenen Mahnschreiben sind auch nicht als Bescheide gekennzeichnet und enthalten keine Rechtsbehelfsbelehrung. Siehe hierzu die Entscheidung des VG Schleswig-Holstein vom 2018-08-01 (Aktenzeichen 4 B 46/18):
„Nach beiden hier insoweit hinsichtlich der Vollstreckung von 5,00 € Mahngebühren in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlagen bedarf es demnach für die Rechtmäßigkeit der Vollstreckung im Ergebnis eines Verwaltungsaktes, mit der Antragsteller zu Leistung von Mahngebühren aufgefordert bzw. mit dem Mahngebühren festgesetzt wurden.“
Ein solcher Verwaltungsakt liegt hier nicht vor. Er ist insbesondere nicht in den typischerweise vom „Beitragsservice“ ergangenen Mahnschreiben zu erkennen.
Ich beantrage kostenfreie Mitteilung, wer für mir entstandene sowie bei Fortsetzung der unzulässigen Vollstreckung noch entstehende materielle und immaterielle Schäden aufzukommen hat.
Für den Fall, dass das Verwaltungsgericht Karlsruhe sich für nicht zuständig erklären sollte, beantrage ich die Verweisung an die zuständige Stelle des zulässigen Rechtswegs.
Richterliche Hinweise nehme ich gerne entgegen.
Weiterer Sachvortrag bleibt ausdrücklich vorbehalten.
Mit freundlichen Grüßen
Person K
--- Ende Zitat ---
Gleichzeitig hätte Person K das AG Karlsruhe und den Gerichtsvollzieher über das beim VG anhängige Verfahren informiert und darum gebeten, das Vollstreckungsverfahren ruhen zu lassen.
--- Zitat ---Amtsgericht Karlsruhe
Schlossplatz 23
76125 Karlsruhe
________, den ____-__-__
Antrag auf Aussetzung der Zwangsvollstreckung
Vollstreckungsersuchen des Südwestrundfunks vom ____-__-__, Aktenzeichen: ___ ___ ___
Aktenzeichen des Gerichtsvollziehers: __________
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Schreiben vom ____-__-__ hat mich die Gerichtsvollzieherin ___________ beim Amtsgericht Karlsruhe darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie aufgefordert ist, auf Grundlage eines Vollstreckungsersuchens des Südwestrundfunks eine Forderung in Höhe von ___,__ EUR bei mir beizutreiben.
Mit Datum vom ____-__-__ (zugestellt am ____-__-__) habe ich beim Verwaltungsgericht Karlsruhe die Einstellung der Vollstreckung aufgrund fehlender Vollstreckungsvoraussetzungen beantragt. Ich mache als Einwand gegen die Zwangsvollstreckung geltend, dass mir die relevanten Bescheide und Titel (Festsetzungsbescheide, Mahnungen) nicht zugegangen sind.
Da ich unmittelbar von der Vollstreckung bedroht bin und mir in Kürze die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis droht, beantrage ich hiermit, die Gerichtsvollzieherin anzuweisen, die Zwangsvollstreckung auszusetzen und insbesondere eine Eintragung ins Schuldnerverzeichnis zu unterlassen, bis eine Entscheidung durch das Verwaltungsgericht ergangen ist. Außerdem stelle ich Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 732 Abs. 2 ZPO, die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen.
Bei Fortsetzung der unzulässigen Vollstreckung (Eintragung ins Schuldnerverzeichnis, Pfändung oder gar Erzwingungshaft) würde ich rechtswidrige Beeinträchtigungen erleiden. Mir würden u.a. auch ungerechtfertigte, unverhältnismäßige und nicht revidierbare wirtschaftliche und existentielle Nachteile entstehen.
Mit freundlichen Grüßen
Person K
--- Ende Zitat ---
Das VG hätte daraufhin zunächst
1) Den Streitwert festgelegt
2) die Beklagte (Rundfunkanstalt) aufgefordert, binnen 2 Wochen zu den Ausführungen Stellung zu nehmen,
3) um Zustimmung dafür gebeten, das Verfahren durch einen Einzelrichter durchzuführen, womit sich Person K einverstanden gezeigt hätte.
Gruss, Couscous
Markus KA:
Ergänzender Hinweis, es könnte in einem fiktiven Fall von Vorteil sein, sich in einer Begründung nicht nur auf die fehlende Bekanntgabe des "Festsetzungsbescheides" zu berufen.
Es könnte in einem fiktiven Fall auch vorgekommen sein, dass die "Festsetzungsbescheide" generell unwirksam sein könnten, hierzu auch:
Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG [Sammelthread]
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,32123.msg197844.html#msg197844
Couscous:
Zwischenzeitlich hätte Person K folgende Verfügung des AG Karlsruhe erhalten:
(Bitte Bild hier einfügen)
Da Person K der Meinung wäre, dass es durchaus dem AG zukommt, die Zwangsvollstreckung bis zur Entscheidung durch das VG auszusetzen, hätte sie wie folgt reagiert:
--- Zitat ---Amtsgericht Karlsruhe - Vollstreckungsgericht
Lammstraße 1–5
76125 Karlsruhe
__________, den ____-__-__
Aktenzeichen __________
Eilt, bitte sofort vorlegen!
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich beziehe mich auf mein Schreiben vom ____-__-__ sowie Ihre Verfügung vom ____-__-__.
Zunächst teile ich Ihnen mit, dass das Verwaltungsgericht Karlsruhe auf meinen Antrag hin ein Verfahren eröffnet hat. Der Beklagten wurde eine Frist von 2 bzw. 6 Wochen eingeräumt, um zu meinen Einwänden Stellung zu nehmen.
Mein Antrag vom ____-__-__ an das Amtsgericht wird insoweit aufrechterhalten, als das Amtsgericht zuständig und die Vollstreckung auszusetzen und der Termin zur Vermögensauskunft am ____-__-__ dringend aufzuheben ist, bis eine abschließende Entscheidung im bereits anhängigen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht über die Unzulässigkeit der Vollstreckung wegen Nicht-Vorliegens sämtlicher Vollstreckungsvoraussetzungen und somit Nichtbestehens einer Verpflichtung zur Abgabe der Vermögensauskunft erfolgt sein wird und/oder der Südwestrundfunk die Vollstreckung unterlässt bzw. einstellt.
Ich bestreite die Verpflichtung zur Abgabe der Vermögensauskunft wegen Nicht-Vorliegens sämtlicher Vollstreckungsvoraussetzungen.
Die Entscheidung des VG ist abzuwarten. Weiterer Sachvortrag bleibt ausdrücklich vorbehalten.
Mit freundlichen Grüßen
Person K
--- Ende Zitat ---
Gruss, Couscous
Couscous:
Nach Verstreichen des Termins zur Vermögensauskunft und etwa zeitgleich mit dem Eingang der Androhung der Eintragung ins Schuldnerverzeichnis wäre der Person K folgender Beschluss des VG Karlsruhe (betreffend den Antrag auf einstweilige Anordnung) zugegangen:
(Bitte Bilder hier einfügen)
Tenor der Entscheidung wäre, dass es sich bei der Einlassung der Person K, die Bescheide, Mahnungen usw. der Rundfunkanstalt seien ihr nicht zugegangen, um eine Schutzbehauptung handelt.
Der GV wäre vom Beschluss des VG in Kenntnis und würde die Zwangsvollstreckung unbeirrt weiter vorantreiben.
Das AG hätte sich seit der o.a. Verfügung nicht mehr gemeldet. Es stünde zu erwarten, dass es ebenfalls vom Beschluss des VG Kenntnis erlangt hätte.
Jetzt wäre im Fall der Person K guter Rat teuer, welche zielführenden Massnahmen sie bis zur in ca. 10 Tagen bevorstehenden Eintragung ins Schuldnerverzeichnis noch ergreifen könnte.
Gruss, Couscous
sky-gucker:
Moment e mal...
Lese ich da richtig, dass das VG u.a. damit begründet, dass das LVwVFG für den ÖRR nicht zur Anwendung kommen kann und deshalb auch kein Nachweis der Zustellung und Bekanntgabe zu erfolgen hat?
Ja bitte wie kann man denn dann überhaupt von Verwaltungsakten sprechen? Ist nicht der Begriff Verwaltungsakt im gleichen LVwVFG legal definiert, welches für den ÖRR eben keine Anwendung findet?
Bei den Festsetzungsbescheiden handelt es sich demnach einfach um Briefe, unerwünschte Post, Spam, was auch immer, aber sicher keine Verwaltungsakte oder?
Falls ich da beim querlesen irgendwo was durcheinander gebracht habe, dann kläre mich mal bitte jemand über mein Irren auf...
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