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Autor Thema: BVerfG 1 BvR 1675/16 - Rundfunkbeitrag ist eine Sonderabgabe  (Gelesen 6200 mal)

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Ergänzend zur "Sonderabgabe" vielleicht auch noch Anna Terschüren [1] aus 2013:

Zitat von: Die Reform der Rundfunkfinanzierung in Deutschland (2013) S.54ff
[...]
c) Sonderabgabe
Entfällt also die Möglichkeit, die Rundfunkgebühr den Vorzugslasten zuzuordnen, so müssen die Abgabenarten betrachtet werden, die keine Gegenleistung voraussetzen. Hierbei handelt es sich – neben der Steuer – um die Sonderabgabe und die sonstigen, nichtsteuerlichen Abgaben, wie die Abgabe sui generis und die sachkompetenzimplizite Abgabe.{300} Im Folgenden wird zunächst die Sonderabgabe als mögliche Abgabenart der Rundfunkgebühr betrachtet.

Im Gegensatz zu den Vorzugslasten besteht bei der Sonderabgabe zwar keine individuell zurechenbare Gegenleistung; jedoch muss es sich bei den Abgabepflichtigen von Sonderabgaben um eine homogene Gruppe handeln, die abgrenzbar zur Allgemeinheit ist und eine wesentliche Sachnähe zur finanzierten Leistung ausweist.{301} Die Homogenität der Gruppe wird z.B. durch ähnliche Interessen oder besondere Gemeinsamkeiten bestimmt. Hieraus ergeben sich einerseits die Verantwortlichkeit der Gruppe für die Finanzierung der Aufgabe und andererseits der Nutzen aus der finanzierten Leistung für die Gruppe. Weiterhin müssen Sonderabgaben aufgrund ihres Ausnahmetatbestands{302} laufend neu legitimiert werden.{303} Dies bedeutet, dass regelmäßig überprüft werden muss, ob die Sonderabgabe noch zur Erreichung des Zwecks – zu dem sie erhoben wird – sinnvoll ist bzw. ob dieser Zweck auch weiter besteht. Sonderabgaben haben demnach grundsätzlich einen temporären Charakter.

Die Abgabepflichtigen der Rundfunkgebühr hätten zunächst eine homogene Gruppe begründen können, die eine besondere Sachnähe zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufwies,{304} denn die Mitglieder der Gruppe der Rundfunknutzer verfügten alle über Rundfunkempfangsgeräte. Allerdings konnte nicht unterstellt werden, dass die Gruppenmitglieder auch typischerweise öffentlich-rechtlichen Rundfunk rezipierten, da diese Form der Nutzung nicht automatisch mit dem Besitzen eines Empfangsgerätes verbunden war.{305} So bestanden nicht zwangsläufig die gleichen Interessen bzw. Gemeinsamkeiten innerhalb der Gruppe der Rundfunknutzer, in jedem Fall aber nicht die besondere Sachnähe und der eindeutig zuordenbare Gruppennutzen. Auch die Abgrenzung einer spezifischen Gruppenverantwortung im Vergleich zur Allgemeinheit konnte – wie bereits erläutert – nicht gelingen, da der öffentlich-rechtliche Rundfunk u.a. gesamtgesellschaftliche Aufgaben übernahm bzw. übernimmt. Der temporäre Charakter und Zwang zur fortlaufenden Legitimation waren bei der Rundfunkgebühr gewiss nicht feststellbar,{306} denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk verfügt innerhalb der bestehenden Rundfunkordnung über eine Finanzierungsgarantie aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Somit muss im Ergebnis auch das Vorliegen einer Sonderabgabe verneint werden. Im nächsten Schritt wird daher geprüft, ob die Rundfunkgebühr den sonstigen Abgaben zuzuordnen ist. [...]

Quellenverweise:
{300} Zusammenfassend siehe Fiebig, Rundfunkgebührenpflicht und Medienkonvergenz, S. 247.
{301} Siehe auch zum Folgenden zu den Voraussetzungen für Sonderabgaben BVerfG 55, 274 (274 f., 298, 304 ff.); 67, 256 (274 ff.); 78, 249 (267); 82, 159 (180); 92, 91 (113); 93, 319 (344); 108, 186 (217); 110, 370 (389); 113, 128 (149).
{302} Sonderabgaben müssen die „seltene Ausnahme“ bilden, siehe BVerfG 55, 274 (275, 308); 82, 159 (181); 98, 83 (100); 101, 141 (147); 108, 186 (217).
{303} Auch zum Folgenden BVerfG 49, 89 (130); 55, 274 (275, 308); 82, 159 (181); Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 105 GG, Rdnr. 10; Heintzen, in: von Münch/Kunig, Art. 105 GG, Rdnr. 25; Kirchhof, Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 36.
{304} Dies für das „digitale Zeitalter“ bejahend Lohbeck, Verfassungsmäßigkeit der Rundfunkgebühr, S. 165.
{305} Auch zum Folgenden Siekmann, in: Sachs, vor Art. 104a GG, Rdnr. 115; Fiebig, Rundfunkgebührenpflicht und Medienkonvergenz, S. 242 ff.; Chen, Grundversorgungsaufgabe, S. 21 f.; Hasse, Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 170; Dargel, Rundfunkgebühr, S. 137; Lips, Internet als „Rundfunkübertragungsweg“, S. 151.
{306} So auch Kirchhof, Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 36 f.

Auch die anderen Abgabeformen werden in ihrer Arbeit dargestellt und analysiert. Ihre Einschätzung damals (Interview vom 14.07.2013 mit Petty News [2]): "Der Rundfunkbeitrag ist verfassungswidrig".

[1] Anna Terschüren - Die Reform der Rundfunkfinanzierung in Deutschland
Analyse der Neuordnung und Entwicklung eines idealtypischen Modells
in
Medienrechtliche Schriften
Herausgegeben von Prof. Dr. Frank Fechner, Institut für Rechtswissenschaft an der TU Ilmenau
Band 10
Universitätsverlag Ilmenau 2013
ISSN 1864-0273 (Druckausgabe)
ISBN 978-3-86360-062-4 (Druckausgabe)

[2] Gibt's vielleicht noch auf YT. Hab's nicht recherchiert...


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aber die Aussage des BVerfG in Rn. 60 ist nicht korrekt.
Nicht korrekt ist die Umsetzung durch die konkret handelnden Personen; das BVerfG weiß schon, was es schreibt, ist aber in der nationalen Zwickmühle zwischen seinen bisherigen Entscheidungen und der europäischen wie internationalen Rahmenentwicklung.

Besonders geht dieses aus einer aktuellen Entscheidung betreffs eines Blindenhundes hervor:
BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2020
- 2 BvR 1005/18 -, Rn. (1-50),

http://www.bverfg.de/e/rk20200130_2bvr100518.html
Rn. 40
Zitat
Völkervertragliche Bindungen haben innerstaatlich zwar nicht den Rang von Verfassungsrecht (vgl. für die EMRK BVerfGE 111, 307 <317>). Der UN-Behindertenrechtskonvention hat der Bundesgesetzgeber mittels förmlichen Gesetzes gemäß Art. 59 Abs. 2 GG zugestimmt. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung steht sie damit im Rang eines Bundesgesetzes (vgl. BVerfGE 141, 1 <19 Rn. 45>; 142, 313 <345 Rn. 88>; 149, 293 <329 f. Rn. 90>). Gleichwohl besitzt sie verfassungsrechtliche Bedeutung als Auslegungshilfe für die Bestimmung des Inhalts und der Reichweite der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 142, 313 <345 Rn. 88>). Ihre Heranziehung ist Ausdruck der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, das einer Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in inter- und supranationale Zusammenhänge sowie deren Weiterentwicklung nicht entgegensteht, sondern diese voraussetzt und erwartet. Deutsche Rechtsvorschriften sind nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nicht entsteht (vgl. BVerfGE 111, 307 <317 f.>; 141, 1 <27 Rn. 65>).

Auch wenn das jetzt zwar nichts mit der Rundfunkfinanzierung speziell zu tun hat, beleuchtet es den internationalen Rahmen, dem sich der Bund unterzuordnen hat und über den sich auch die Länder und ihre Behörden kraft Art. 31 GG schlicht nicht hinwegsetzen dürfen. (Siehe hierzu BVerfG 2 BvN 1/95 zur Tragweite des Art. 31 GG, bzw., die 1. Rundfunkentscheidung mit Rn. 169).

Der Bund gibt hier kraft des Bundesverfassungsorgans namens BVerfG vor, daß der Rundfunkbeitrag eine Sonderabgabe ist, die sich damit den Bestimmungen der allgemeinen Finanzverfassung unterzuordnen hat.


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Querverweis auf folgende Dissertation ;)
"Der Rundfunkbeitrag eine Steuer?" > verfassungswidrige Sonderabgabe (2022)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=36805.0
mit dem Fazit, dass der sog. "Rundfunkbeitrag" weder Beitrag im beitragsrechtlichen Sinne noch Steuer ist,
sondern eine verfassungswidrige Sonderabgabe.


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