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Vollstreckung von Mahngebühren in Niedersachsen? Widersprüchliches aus Lüneburg

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GesamtSchuldner:
Dass der NDR Mahngebühren in Schleswig-Holstein nicht vollstrecken lassen darf, hat sich dort ja mittlerweile rumgesprochen.

In Niedersachsen hat das zweitinstanzliche Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg allerdings bisher eine gegenteilige Ansicht vertreten, siehe z.B.
OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.05.2019, 4 LA 277/18
http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=MWRE190001631&st=ent&doctyp=juris-r&showdoccase=1&paramfromHL=true#focuspoint

Gegen diese Ansicht hat nun das erstinstanzliche Verwaltungsgericht (VG) in Lüneburg "rebelliert":
VG Lüneburg  Urteil vom 25.10.2019, 6 A 453/18
http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=MWRE190003810&st=ent&doctyp=juris-r&showdoccase=1&paramfromHL=true#focuspoint

Das VG stuft kurz gesagt die Schreiben des NDR als Erinnerungsschreiben ein, die eine spätere Mahnung durch die kommunale Vollstreckungsbehörde entbehrlich machen, aber selber keine Mahnungen im Sinne des NVwVG sind. Das VG begründet diese Ansicht damit, dass sich eine Mahnung an Vollstreckungsschuldner zu richten hat, dass die Beitragsschuldner aber noch keine Vollstreckungsschuldner sind, bevor der NDR ein Vollstreckungsersuchen an die zuständige Kommune gerichtet hat. Nach Ansicht des VG muss man Vollstreckungsschuldner sein, bevor die Mahnung abgeschickt wird.

Hier noch der Link zum niedersächsischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz (NVwVG):
http://www.nds-voris.de/jportal/?quelle=jlink&query=VwVG+ND&psml=bsvorisprod.psml&max=true&aiz=true

Leider lässt sich dem Urteil des VG nicht entnehmen, ob der Beschluss des OVG Thema der mündlichen Verhandlung war.
Damit ist auch unklar, ob sich das VG bewusst war, dass es von der Rechtsprechung des OVG abweicht. Das ist nämlich ein Grund, die Berufung zuzulassen. Das hätte das VG dann auch schon in die im Internet nicht verfügbare Entscheidungsformel aufnehmen müssen.

Mal sehen, was da noch passiert.

Ridley:
Leider hat das OVG in dieser Sache das Urteil des VG geändert (wie zu erwarten war):

https://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?showdoccase=1&st=ent&doc.id=MWRE210001165&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint


--- Zitat ---1. Bescheide der zuständigen Landesrundfunkanstalt über die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen werden in Niedersachsen nach dem Niedersächsischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz (NVwVG) vollstreckt.

2. Zu den Vollstreckungsvoraussetzungen gehört grundsätzlich die Androhung der Vollstreckung durch eine Mahnung. Für die Mahnung ist die Landesrundfunkanstalt als Gläubigerbehörde zuständig.

3. Die Befugnis der Landesrundfunkanstalt als Gläubigerbehörde zur Erhebung von Mahngebühren folgt aus § 67 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 NVwVG i.V.m. § 2 VwVKostVO. Die Mahngebühren können ohne besonderen Leistungsbescheid mit der Hauptleistung durch die Vollstreckungsbehörde beigetrieben werden.
--- Ende Zitat ---

hankhug:
Und wieder einmal ist -und das ist der eigentliche Knackpunkt des OVG Lüneburg Beschlusses vom 05.03.2021, diesmal in Rn 31- die Mär bzw. die aktive Rechtsbeugung zu lesen, dass der Festsetzungsbescheid ein Leistungsbescheid sein soll.

--- Zitat ---31 Für die Vollstreckung der Bescheide über rückständige Rundfunkgebühren oder Rundfunkbeiträge sind nach § 7 Abs. 4 NVwVG die Gemeinden, im vorliegenden Fall die Beklagte, zuständig. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 NVwVG wird ein Verwaltungsakt, der zu einer Geldleistung verpflichtet (Leistungsbescheid), nach den Vorschriften des ersten Teils des NVwVG (§§ 2 bis 69 NVwVG) vollstreckt. Die Rundfunkbeitragsfestsetzungsbescheide des Beigeladenen vom 4. Juli 2014, vom 1. August 2014 und vom 1. Dezember 2014 sind Leistungsbescheide im Sinne dieser Vorschrift.
--- Ende Zitat ---
Wenn mir einmal ein Gericht detailliert begründen würde, warum der FB ein LB sein soll, dann würde ich ja vielleicht Frieden finden. Das OVG sollte vielleicht nochmal sein Repetitorium fürs 1.Staatsexamen rauskramen, um da nochmal die Definition bzw. die Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Leistungsbescheids nachzuschlagen.
Wenn das OVG jedenfalls ohne Erläuterungen Behauptungen aufstellt, dann ist seine Integrität zu hinterfragen. Außer wenn die besagten Festsetzungsbescheide wirklich den Anforderungen an einen Leistungsbescheid genügen. (die Anforderungen sind laut Wiki z.B. zu finden bei Jürgen Brandt/Michael Sachs (Hrsg.), Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 2009, S. 217
https://books.google.de/books?id=aJEWgvBmeWAC&pg=PA181&dq=Leistungsbescheid&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwjri7Ly75frAhXNyaQKHZtsBsAQuwUwAHoECAAQBg#v=onepage&q=Leistungsbescheid&f=false)

Da ist insbesondere die Bestimmtheit zu prüfen. Ist denn die Zahlstelle, an die die Zahlung erwartet wird, in diesen 2014 Bescheiden genannt? Die genaue Nennung dieser Zahlstelle ist ja laut (dem Gericht offenbar unbekannten) Handbuch zwingende Voraussetzung zur Erfüllung des Bestimmtheitgebots...

hankhug:
Ob es Zufall ist, dass weniger als 4 Stunden nach meinem Vorkommentar der unter https://de.wikipedia.org/wiki/Leistungsbescheid hinterlegte Einzelnachweis auf die Definition des Leistungsbescheids und des Bestimmtheitsgebots nicht mehr abrufbar ist? Ein Paranoiker, der Böses dabei denkt...

querkopf:
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