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Autor Thema: BVerfG 2 BvE 7/11 - Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Land unzulässig  (Gelesen 1840 mal)

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Rn. 107
Zitat
2. Im föderal verfassten Staat des Grundgesetzes kann demokratische Legitimation grundsätzlich nur durch das Bundes- oder Landesvolk für seinen jeweiligen Bereich vermittelt werden (BVerfGE 119, 331 <366>). Staatliche Aufgaben müssen daher durch Organe und Amtswalter unter Bedingungen wahrgenommen werden, die eine klare Verantwortungszuordnung ermöglichen. Der Bürger muss wissen können, wen er wofür verantwortlich machen kann (BVerfGE 119, 331 <366>). Die Kompetenzaufteilung nach Art. 30 und Art. 83 ff. GG ist somit zum einen wichtige Ausformung des bundesstaatlichen Prinzips im Grundgesetz, die dazu dient, die Länder vor einem Eindringen des Bundes in den ihnen vorbehaltenen Bereich der Verwaltung zu schützen. Zum anderen wird durch die organisatorische und funktionelle Trennung der Verwaltung des Bundes und der Verwaltung der Länder im Sinne von in sich geschlossenen Einheiten (vgl. hierzu BVerfGE 108, 169 <181 f.>; 119, 331 <364>) die Zuordnung von Verantwortung ermöglicht, die Voraussetzung für eine effektive parlamentarische Kontrolle durch den Deutschen Bundestag und die Volksvertretungen der Länder ist und über die staatliches Handeln auf das Volk als Souverän des Bundes und des jeweiligen Landes rückgeführt werden kann (BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 -, juris, Rn. 81).

Rn. 108
Zitat
Die Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern sind in den Art. 83 ff. GG erschöpfend geregelt und grundsätzlich nicht abdingbares Recht (vgl. BVerfGE 32, 145 <156>; 41, 291 <311>; 63, 1 <39>; 119, 331 <364>). Es gilt der allgemeine Verfassungssatz, dass weder der Bund noch die Länder über ihre im Grundgesetz festgelegten Kompetenzen verfügen können (vgl. BVerfGE 4, 115 <139>); Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern sind selbst mit Zustimmung der Beteiligten nicht zulässig (vgl. BVerfGE 32, 145 <156>). Aus dem Normgefüge der Art. 83 ff. GG folgt, dass Mitplanungs-, Mitverwaltungs- und Mitentscheidungsbefugnisse gleich welcher Art im Aufgabenbereich der Länder, wenn die Verfassung dem Bund entsprechende Sachkompetenzen nicht übertragen hat, durch das Grundgesetz ausgeschlossen sind (vgl. BVerfGE 32, 145 <156>; 108, 169 <182>; 119, 331 <365>). Das Grundgesetz schließt, von begrenzten Ausnahmen abgesehen, auch eine sogenannte Mischverwaltung aus (vgl. BVerfGE 63, 1 <38 ff.>; 108, 169 <182>; 119, 331 <365>; BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 -, juris, Rn. 80 ff.).

Rn. 109
Zitat
3. Vor diesem Hintergrund ist der Einsatz von Kräften der Bundespolizei zur Wahrnehmung von Aufgaben eines Landes nur aufgrund ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Ermächtigung zulässig, wie sie das Grundgesetz in Art. 35 Abs. 2 Satz 1 für Fälle von besonderer Bedeutung unter engen Voraussetzungen vorsieht. Ein darüber hinausgehender regelmäßiger Einsatz von Kräften der Bundespolizei zur Wahrnehmung von Aufgaben der Länder wäre ebenso wenig zulässig wie der Ausbau der mit begrenzten Aufgaben betrauten Bundespolizei zu einer allgemeinen, mit der Polizei der Länder konkurrierenden Polizei des Bundes (vgl. BVerfGE 97, 198 <217 f.>). Zudem hat der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Verwaltungszuständigkeiten die rechtsstaatlichen Grundsätze der Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit zu beachten, um die Länder vor einem Eindringen des Bundes in den ihnen vorbehaltenen Bereich der Verwaltung zu schützen und eine Aushöhlung des Grundsatzes des Art. 30 GG zu verhindern (vgl. BVerfGE 108, 169 <181 f.>; 119, 331 <366>). Die einfachrechtlichen Regelungen über die Zuständigkeiten bei Unterstützungseinsätzen der Bundespolizei für die Länder sind daher so auszugestalten, dass sie eine klare und widerspruchsfreie Zuordnung der Kompetenzen und der Verantwortung des Bundes und des jeweiligen Landes ermöglichen.

BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 02. Juni 2015
- 2 BvE 7/11 -, Rn. (1-147),

http://www.bverfg.de/e/es20150602_2bve000711.html

Diese Entscheidung bestätigt im Grunde auch den Inhalt von Rn. 169 der 1. Rundfunkentscheidung,

Zitat
Rn. 169
Zitat
[...] "Bleiben die Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung nicht auf den Raum des Landes begrenzt, so muß der Landesgesetzgeber Rücksicht auf die Interessen des Bundes und der übrigen Länder nehmen" (BVerfGE 4, 115 [140]). Aus dem Verfassungsgrundsatz der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten kann sich weiter die Pflicht der Länder zur Beachtung von völkerrechtlichen Verträgen des Bundes ergeben (BVerfGE 6, 309 [328, 361 f.]). Unter Umständen kann schließlich ein Land mit Rücksicht auf seine Pflicht zur Bundestreue verpflichtet sein, im Wege der Kommunalaufsicht gegen Gemeinden einzuschreiten, die durch ihre Maßnahmen in eine ausschließliche Bundeskompetenz eingreifen (BVerfGE 8, 122 [138 ff.]). Auch bei der Wahrnehmung der Bundeskompetenzen auf dem Gebiet des Rundfunks ist, wie oben dargelegt (vgl. I 4 d und D II 7 b), der Satz vom bundesfreundlichen Verhalten von grundsätzlicher Bedeutung.

BVerfGE 12, 205 - 1. Rundfunkentscheidung - Begriff "Rundfunk"
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31178.msg193852.html#msg193852

wonach es den Kommunen nicht gestattet ist, sich über völkerrechtliche Verträge des Bundes hinwegzusetzen oder die alleinige Bundeskompetenz zu mißachten.

Nun steht aber wirklich mal die Frage im Raum, warum die Länder noch immer Meldegesetze haben dürfen, wo sich doch Melderecht gemäß Art. 73 Abs. 1 Ziffer 3 in alleiniger Gesetzgebungsbefugnis des Bundes befindet?

Zur gleichen Thematik auch

Rn. 142
Zitat
Die Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern sind in den Art. 83 ff. GG erschöpfend geregelt und grundsätzlich nicht abdingbares Recht (BVerfGE 32, 145 [156]; 39, 90 [190]; 41, 291 [311]). Bund und Länder dürfen von der in diesen Bestimmungen vorgeschriebenen "Verwaltungsordnung" nicht abweichen. Es gilt der allgemeine Verfassungssatz (vgl. BVerfGE 4, 115 [139]), daß weder der Bund noch die Länder über ihre im Grundgesetz festgelegten Kompetenzen verfügen können; Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern sind auch mit Zustimmung der Beteiligten nicht zulässig (BVerfGE 32, 145 [156]). Auch organisatorische Regelungen können nicht abbedungen werden. Der Spielraum bei der organisatorischen Ausgestaltung der Verwaltung findet in den Kompetenz- und Organisationsnormen der Art. 83 ff. GG seine Grenzen.

Rn. 143
Zitat
[...] Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit unterliegt der Bundesaufsicht (Art. 84 GG). [...]
Weiterführend hierzu siehe ***

Aus der Entscheidung geht auch hervor, daß Recht, welches über ein Bundesland hinauswirkt, grundsätzlich der Bundesverwaltung unterfällt, denn

Rn. 136
Zitat
(1) Im Schrifttum wird vielfach darauf hingewiesen, das Grundgesetz gehe von einer "Trennung der Verwaltungsräume" von Bund und Ländern aus (siehe etwa Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, 1980,BVerfGE 63, 1 (36)BVerfGE 63, 1 (37) § 41 VIII 1, S. 832; Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern in der Bundesrepublik Deutschland, 1967, S. 264; Ronellenfitsch, Die Mischverwaltung im Bundesstaat, 1975, S. 32 f., 248 ff.; auch schon Kratzer, DÖV 1950, S. 529 ff. [534]). Das Grundgesetz kenne in aller Regel nur die Verwaltung durch den Bund oder durch die Länder. Die Verwaltungskompetenzen von Bund und Ländern seien, sofern nicht ausdrücklich Abweichendes bestimmt sei, voneinander getrennt. Art. 83 ff. legten auch bestimmte "Verwaltungstypen" fest. Es gelte ein "numerus clausus der Verwaltungstypen". Hiervon abweichende Organisationsformen seien, soweit nicht eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Ermächtigung gegeben sei, nicht zulässig (vgl. dazu Maunz in Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, Grundgesetz, Bearbeitung 1961, Art. 83, Rdnr. 13, 48 [m. w. N.]; Ronellenfitsch, a.a.O., S. 252 ff.; Grawert, a.a.O., S. 190 ff. ["Geschlossenheit der bundesstaatlichen Verwaltungstypen"]).

Rn. 138
Zitat
Im Schrifttum wird der Begriff zumeist zur Kennzeichnung aller grundsätzlich unzulässigen Verbindungen zwischen Bund und Ländern auf dem Bereich der Verwaltung verwendet (Ronellenfitsch, a.a.O., S. 58). So verstanden bedeutet Mischverwaltung Einwand, Vorwurf oder Verbot; er dient geradezu zur "Stigmatisierung von Verfassungsbrüchen" (Ronellenfitsch, a.a.O., S. 49, m. w. N.), ist "Kampfbegriff" (Stern, a.a.O., § 41 VIII 1, S. 833). Er ist nicht anerkanntes Rechtsinstitut, sondern "juristisches Veto" (Ronellenfitsch, a.a.O., S. 17). Die Einordnung einer verwaltungsorganisatorischen Erscheinungsform als Mischverwaltung bedeutet danach zugleich ihre Beurteilung als rechtswidrig. Auch das Bundesverfassungsgericht hat verschiedentlich von dem "grundgesetzlichen Verbot der sogenannten Mischverwaltung" gesprochen (vgl. BVerfGE 32, 145 [156]; 39, 96 [120]; 41, 291 [311]; s. zur "Mischverwaltung" auch BVerfGE 11, 105 [124]).

BVerfGE 63, 1 - Schornsteinfegerversorgung

Beschluß    
des Zweiten Senats vom 12. Januar 1983    
-- 2 BvL 23/81 --

http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv063001.html

*** ->
Zitat
Rechtsaufsicht des Bundes einfordern?
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