... im GEZ-Boykott-Forum, in dem beinahe jedermann ein potenzieller Rechtsexperte zu sein scheint, ...
Vorweg: ich bin mit Sicherheit kein Rechtsexperte, habe allerdings auch nicht den Eindruck, dass hier jeder ein solcher ist oder vorgibt einer zu sein. Sofern eine Teilnahme an dieser Diskussion diesen Status voraussetzt, dürfte der Threadstarter, dessen weitergehende Kenntnisse unbestritten sind, eigentlich ziemlich einsam bleiben. Ungeachtet dessen erlaube ich mir einige Anmerkungen.
Denn die Vorzugslast selbst ist legitim und es macht wenig Sinn, mit dem Gericht darüber noch zu streiten.
Einspruch euer Ehren! Auch wenn Vorzugslasten grundsätzlich legitim sind, so kann und muss hinterfragt werden, ob es sich beim sogn. Wohnungsbeitrag tatsächlich um eine solche legitime Vorzugslast handelt. Dies wird von den meisten Gutachtern immerhin bestritten. Das BVerfG widerspricht den Feststellungen dieser Gutachter zur Natur der Abgabe durch Übernahme der Behauptungen von Politik und betroffenen Sendern, mithin praktisch ohne Beweis. M. W. ist es zudem bislang einmalig, dass man der gesamten Bevölkerung einen abzugeltenden Vorteil attestiert, also auf eine Gruppe, der kein Vorteil erwächst, nach bisheriger Rechtsprechung aber nötig ist, verzichtet werden kann. Hingegen gibt es Bevölkerungsteile, denen aus der Ausstrahlung öffentlichen Rundfunks angeblich sogar mehrfach ein Vorteil entsteht, nämlich Unternehmern. Dies ist mindestens merkwürdig, eigentlich sogar fragwürdig, weil Teil der Widersprüche, die in letzter Konsequenz das BVerfG zu verantworten hat, wobei man die handelnden Personen leider kaum zur Verantwortung ziehen kann.
Dieses ist fragwürdig und i.d.R. eben nicht tatsächlich umsetzungsfähig, weil die Schranke mitunter in persönlicher Hinsicht, den Schutzbereich des einzelnen in Art. 2 GG einschränkt.
Mit anderen Worten: Die Pflicht des einzelnen, sich einer Vozugslast zu unterwerfen (Rechtsnorm), erhebt sich eben nicht über die Rechte der gleichen Person. D.h. die Handlungsfreiheit dieser Person, und der Wille, seine Privatautonomie auszuüben und wahrzunehmen, kann nicht nachrangig behandelt werden. Der Eingriff dieser Unterwerfung untergräbt den Schutzbereich des einzelnen und führt somit zum Kollateralschaden.
Beim Versuch dies zu verstehen fällt auf, dass die Handlungsfähigkeit jedes Einzelnen, der in diesem Staat lebt, in vielfältiger Weise mehr oder weniger eingeschränkt wird. So bestehen Beschränkungen bei der Berufswahl und -ausübung, - man versuche einmal sich als Chirurg niederzulassen -, man ist verpflichtet einen Teil seines erworbenen Geldes dem Staat zu übergeben, darf in der Stadt sein Kfz nicht mit Höchstgeschwindigkeit bewegen, und schließlich ist es weitgehend unüblich Belästigungen durch ungeliebte Nachbarn mit lebensbeendenden Maßnahmen an diesen zu beseitigen.
Auch wenn man über die Aufzählung lächeln mag, so könnte man sich mit der Frage auseinandersetzen, ob Einschränkungen, auch die von Grundrechten, nicht üblich sind, auch wenn sie abgewogen werden müssen, und ob die, die man durch die zwangsweise Finanzierung des ÖR-Rundfunks erlebt, unter Umständen hinzunehmen sind. Selbst wenn man das für sich verneint, so hat der Verfasser dieser Zeilen nicht den geringsten Zweifel, dass dies Gerichte in Deutschland und insbesondere das BVerfG exakt so sehen. Die besondere Dialektik des BVerfG in Rundfunkfragen zeigt sich ja gerade daran, dass das Gericht den Nutzen des Rundfunks praktisch so hoch setzt, dass dafür auch erhebliche Widersprüche zum geltenden Recht und zur bisherigen Rechtsprechung in Fragen von Abgaben in Kauf genommen werden. Widersprüche zu anderen Normen hindern das Gericht offenbar nicht. Wenn also die folgende Frage
Es wird gefragt: „Ob im verwaltungsrechtlichen Sinne, die Rechte und Pflichten von einzelnen Personen dann eingeschränkt sind, wenn staatliche Interessen sie mithilfe einer Vorzugslast übergehen?“
mit "ja" beantwortet werden muss, so würde das BVerfG aus Staatsräson argumentieren, dass diese Einschränkungen hinzunehmen sind, wenn das staatliche Interesse, das mit dem Interesse aller gleichgesetzt wird, das des Einzelnen überwiegt. Dass dies so ist, daran hat das höchste Gericht der Republik ersichtlich keine Zweifel.
Da sich, wie @seppl gezeigt hat, mit dem ÖPNV ein bereits öffentlich diskutiertes Beispiel finden lässt, an dem die Folgen des Urteils deutlich sichtbar werden können, sind die Konsequenzen des Urteils schon jetzt überdeutlich. Würden die Gesetzgeber nämlich einen praktisch beliebigen Ersatzmaßstab für eine Abgabe festlegen, so genügte es darauf hinzuweisen, dass dies gemäß des Rundfunkurteils zulässig sei. Wobei die Flexibilität der Kriterien, die das BVerfG bei der Abgabedefinition gestattet, ein nahezu "steuerfreies" Land ermöglicht, das de facto unbegrenzte Abgaben kassieren könnte, sofern man die Finanzierung öffentlicher Aufgaben auf Beiträge umstellt. Ich habe zwar einige Zweifel daran, dass das BVerfG tatsächlich jeden "Beitrag" passieren lassen würde, jedoch gelänge eine Ablehnung nur mittels neuerlicher Widersprüche zum Urteil über den "Rundfunkbeitrag". Das BVerfG hat mit solchen erkennbar keine Probleme, geht ihm der ÖR-Rundfunk doch offenbar über alles andere. Warum sollte es also Skrupel bezüglich des Art. 2 GG haben? Immerhin hat es den sogn. Rundfunkbeitrag für "im Wesentlichen verfassungsgemäß" erklärt. Man muss also eigentlich davon ausgehen, dass es eine umfassende Prüfung auf etwaige Kollisionen durchgeführt hat. Kay Winkler hätte besser nicht ins Funkhaus zurück schalten sollen, sondern in die "Anstalt". Aus der muss die Rechtsfortbildung beim Rundfunk aus meiner laienhaften Sicht nämlich kommen, will man bisherigen und zu erwartenden Volten der Gerichte in Sachen Rundfunkfinanzierung folgen.
M. Boettcher
Ken Je(b)sen, Betreiber von KenFM, soll "politische Entfremdung" betreiben und "unwahre Verschwörungstheorien" verbreiten. Daher beobachtet ihn der sogn. Verfassungsschutz. Würden die "Verschwörungspraktiker" dieses Dienstes ihren Maßstab an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Publikationen von der BILD-Zeitung bis zum Magazin SPIEGEL anlegen, in Deutschland bliebe kein Medium unbeobachtet. So schnell wird in Deutschland zum Staatsfeind, der nicht mit dem Strom schwimmt.