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"ordnungsgemäße Absendevermerke" der Bescheide bei Bestreiten des Zugangs

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Knax:
Edit "Bürger" - wichtiger Hinweis vorab:
Das Forum rät ausdrücklich davon ab, tatsächlich zugegangene Bescheide zu ignorieren.
Aufgrund der hinlänglich bekannten Problematik, dass selbst ein Bestreiten des Zugangs tatsächlich nicht zugegangener Bescheider derzeit (noch) von so ziemlich allen Gerichten abgebügelt wird, kann und wird das Forum allein schon aus Kapazitätsgründen keinerlei Diskussion zu absichtlich ignorierten Bescheiden bieten. Jeder hat es selbst in der Hand...
Siehe hierzu bitte die ausführlichen Hinweise im
"Schnelleinstieg"
Zu allererst bitte hier lesen! Schnelleinstieg, "Erste Hilfe", Hinweise...
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=12292.0


"Ordnungsgemäße Absendevermerke" der Bescheide bei Bestreiten des Zugangs


Quelle: Rüdiger Wölk/imago

Liebe Freunde der hartnäckigen Zahlungsverweigerung,

in einem Beschluss des VG Schleswig-Holstein ging es um das Vorliegen von Vollstreckungsvoraussetzungen.

Dieser Beschluss (Az. 4 B 3/15) findet sich in der folgenden Diskussion:
Fragen zum BS, Hamburg & NDR in Bezug auf Anwendbarkeit HmbVwVfG/ HmbVwV
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,17273.msg131266.html#msg131266
bzw. auch unter
Beschlüsse/ Urteile GEGEN ARD-ZDF-GEZ wg. Vollstreckungen [Sammel-Thread]
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=13703.0
wo das gleiche Aktenzeichen bereits mit aufgeführt ist.

Konkret ging es um die Frage, ob ein Beitragsbescheid dem Betroffenen zugegangen ist.
Das VG Schleswig-Holstein verneinte dies mit dem Hinweis darauf, dass ein "ordnungsgemäßer Absendevermerk" nicht erstellt wurde.
Es ist wohl so, dass ein nicht-substantiiertes Bestreiten des Zugangs genügt, sofern ein "ordnungsgemäßer Absendevermerk" fehlt.

Nun habe ich mich bei der Lektüre des Beschlusses des VG Schleswig-Holstein gefragt, wie denn ein "ordnungsgemäßer Absendevermerk" aussehen muss.

Auf Wunsch der Forumsleitung erstelle ich hierfür eine eigene Disukssion.

Da ich Zugang zur Juris-Rechtsprechungsdatenbank habe, habe ich einfach mal die entsprechenden Suchworte eingetippt. Im Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 17.05.2001 (Az. 5 K 134/96) habe ich dann folgende Textstelle gefunden:


--- Zitat von: Niedersächsisches Finanzgericht vom 15.05.2001, Az. 5 K 134/96 ---Der erforderliche Nachweis wird grundsätzlich durch einen Absendevermerk auf der in den Steuerakten des Beklagten befindlichen Ausfertigung des Umsatzsteuerbescheides erbracht. Hierfür ist auf der Rückseite des Bescheides ausdrücklich eine entsprechende Bearbeiterzeile vorgesehen. Auf dem in Streit befindlichen Steuerbescheid der Klägerin befindet sich ein solcher Absendevermerk nicht. Er wird auch nicht durch das Datum des Bescheides ersetzt (vgl. FG München, Urteil vom 08.04.1987 I 50/84 E, U, EFG 1987, 438; Hessisches FG, Urteil vom 30.11.1984 1 K 961/84, EFG 1985, 215), das auf den 1. November 1995 datiert ist; denn dieses ist vom Rechenzentrum vorgegeben und gibt lediglich an, wann der Bescheid abgesandt werden soll, nicht aber, wann er tatsächlich abgesandt wurde.

Das Datum des Bescheides begründet nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch keinen Anscheinsbeweis zugunsten des Beklagten. In seinem Urteil vom 28. September 2000 (Az.: III R 43/97, BStBl II 2001, 211 (215)) hat der Bundesfinanzhof zu § 169 Abs. 1 Satz 3 AO entschieden, das Finanzamt könne den ihm obliegenden Nachweis, der Bescheid habe den Behördenbereich verlassen, nicht nach den Regeln des Anscheinsbeweises führen, wenn die Absendung des Bescheides nicht in einem Absendevermerk festgehalten sei. Diese Grundsätze finden - wie im Streitfall - auch in dem vergleichbaren Fall der Aufgabe zur Post gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO Anwendung.
--- Ende Zitat ---

Dies bedeutet meiner Ansicht nach:
Für einen "ordnungsgemäßen Absendevermerk" muss ein Bearbeiter einen schriftlichen Vermerk auf dem Bescheid anbringen, der bei den Akten verbleibt.

Nun wird deutlich, wie die folgenden Zeilen im Beschluss des VG Schleswig-Holstein (Az. 4 B 3/15) zu verstehen sind:


--- Zitat von: Beschluss des VG Schleswig-Holstein, Az. 4 B 3/15 ---Es ist aber weiterhin gerichtsbekannt, dass die Gebühren- bzw. Beitragsbescheide des Norddeutschen Rundfunks nicht mit einem ordnungsgemäßen Absendevermerk im genannten Sinne versehen werden.
--- Ende Zitat ---

Der Beitragsservice erstellt die Festsetzungsbescheide vollständig automatisiert, d.h. ein Computer druckt sie aus und sie werden automatisch couvertiert. Bei Millionen von Festsetzungsbescheiden wäre der Beitragsservice folglich komplett überfordert, wenn er für jeden Festsetzungsbescheid einen "ordnungsgemäßen Absendevermerk" erstellen müsste. Dafür fehlt ihm schlichtweg die Manpower.

Deshalb fehlen ordnungsgemäße Absendevermerke - und dies ist dem Gericht bekannt.


Fazit:

Es könnte also keine schlechte Idee sein, den Zugang zu bestreiten, weil der Beitragsservice regelmäßig keinen "ordnungsgemäßen Absendevermerk" erstellt.

Solange der Beitragsservice keine "ordnungsgemäßen Absendevermerke" erstellt, genügt bloßes unsubstantiiertes Bestreiten des Zugangs. Dann hat der Beitragsservice keine Chance mehr. Und genau dies ist die verwaltungsorganisatorische Achillesverse, die jeder nutzen könnte, um dieses Unrechtssystem zu Fall zu bringen.

Denn eines ist klar:
Mit Millionen von förmlichen Zustellungen, die insofern die Alternative für den Beitragsservice wären, solange er keine "ordnungsgemäßen Absendevermerke" erstellt, wären die Geldschneider aus Köln hoffnungslos überfordert.

___

Edit/René:
Kleine Anpassungen am Layout


Ausgewählte Link-Sammlung zu diesem Thema:
hochinst. Urteile > Bestreiten/Nachweis Zustellung/Bekanntgabe (Zugangsfiktion)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=13736.0

Vollstr.-Einstellg. wg. fehl. Voraussetz./ fehl. Zugangsnachw. von Briefpost
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=33720.0
Revisionsverfahren BVerwG 6 C 3.22 - Zugang von Bescheiden
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=37520.0
OVG Nieders. 06.06.2025 - 8 ME 116/24 > Vollstr.Einstell. wg. fehl. Mahnung
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=38473.0
BVerwG > Bestreiten des Zugangs eines Verwaltungsaktes durch Nichtwissen
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=23163.0

Bescheide angeblich "korrekt adressiert & nicht als unzustellbar zurückgesandt"
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=20955.0
Substantiierte Darlegungen bei Nichtzustellung von Bescheiden
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=18542.0
Aushebelung der Zugangsfiktion durch die AGB der Deutschen Post
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=28563.0

BGH I ZB 64/14 > "Bescheide sind für die zwangsweise Beitreibung erforderlich"
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=21315.0
Anwendung des BGH-Beschlusses vom 11.6.15 bei Vollstreckung ohne Bescheid
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=15970.0
Nicht erhalt. Bescheide/ verjährte Gebühren/ Rechtsansicht VG Stgt, VGH Manh
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=25689.0
Verwaltungsvollstreckung - Rechtsschutz bei fehlendem Bescheid/ Verwaltungsakt?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=17623.0
"ordnungsgemäße Absendevermerke" der Bescheide bei Bestreiten des Zugangs
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=20320.0
OVG: bestrittene Mahnung nicht in Postabgang > vorl. Unterlassg. d. Vollstreckg.
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=18548.0
AG Riesa/ AG Dresden > fehlender Bescheid > §766 ZPO oder §40 VwGO? AG oder VG?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=13609.0
LG Tübingen, Beschluss vom 29.08.2019 - 5 T 192/19 (Zustellungserfordernis)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=32514.0

muuhhhlli:

--- Zitat von: Knax am 24. September 2016, 23:34 ---Fazit:

Es könnte also keine schlechte Idee sein, den Zugang zu bestreiten, weil der Beitragsservice regelmäßig keinen "ordnungsgemäßen Absendevermerk" erstellt.

Solange der Beitragsservice keine "ordnungsgemäßen Absendevermerke" erstellt, genügt bloßes unsubstantiiertes Bestreiten des Zugangs. Dann hat der Beitragsservice keine Chance mehr. Und genau dies ist die verwaltungsorganisatorische Achillesverse, die jeder nutzen könnte, um dieses Unrechtssystem zu Fall zu bringen.

Denn eines ist klar:
Mit Millionen von förmlichen Zustellungen, die insofern die Alternative für den Beitragsservice wären, solange er keine "ordnungsgemäßen Absendevermerke" erstellt, wären die Geldschneider aus Köln hoffnungslos überfordert.

--- Ende Zitat ---

Diese förmlichen Zustellungen sind dem Beitragservice schon deshalb nicht möglich, weil die Daten nicht zum Zeitpunkt der Bearbeitung anschließend sofort zum Druck und zur Postversendung täglich aufbereitend abgearbeitet werden.

Der Beitragservice übergibt die bearbeitenden Daten seiner Post und der Briefe an externe Dienstleister. Schon deshalb kann ein "ordnungsgemäßer Absendevermerk" niemals das tatsächliche Datum vom Vermerk, welches eine Kontrollperson mit inhaltlich bezogenem Text auslösen müsste mit dem Druckdatum und schon gar nicht mit dem Zustelldatum der Briefe übereinstimmen. Das erklären die Zeitdifferenzen.

Stützend auf die FA-Ausführungen und Urteile wie von Knax in seinem Beitrag herausgearbeitet, kann jeder diese zeitlichen Abläufe als Argument in seiner Klage bei den Gerichten belegend verwenden. Bei der Darlegung in einer Klage bleibt natürlich immer das Risiko, dass 99% der Richter an den VG dieses nicht begreifen oder berücksichtigen wollen.

Zu Zeiten des letzten Jahrhunderts als die betriebseigenen Muhlies bei den Rundfunkanstalten selbst die Bearbeitung einzeln durchgeführt haben, war die "ordnungsgemäßen Absendevermerke" wie es das Gesetz vorsieht noch konform. EDV-Verarbeitung kann Fehler verursachen und wenn dann Massenhaft.

Gruß muuhhhlli

Knax:

--- Zitat von: muuhhhlli am 25. September 2016, 07:15 ---Zu Zeiten des letzten Jahrhunderts als die betriebseigenen Muhlies bei den Rundfunkanstalten selbst die Bearbeitung einzeln durchgeführt haben, war die "ordnungsgemäßen Absendevermerke" wie es das Gesetz vorsieht noch konform. EDV-Verarbeitung kann Fehler verursachen und wenn dann Massenhaft.

--- Ende Zitat ---

Die Ansicht, dass bei Fehlen eines ordnungsgemäßen Absendevermerks das bloße (also unsubstantiierte) Bestreiten des Zugangs genügt, teilt jedoch nicht jedes Gericht.

Nachfolgend ein Textauszug aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlands vom 19.05.2016 (Az. 6 L 289/16):


--- Zitat von: Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlands vom 19.05.2016, Az. 6 L 289/16 ---Die der Vollstreckungsankündigung der Antragsgegnerin vom 10.03.2016 zugrunde liegenden Festsetzungsbescheide des Beigeladenen vom 01.05., 01.06. und 01.09.2015 sind mangels Widerspruchseinlegung durch den Antragsteller bestandskräftig und damit unanfechtbar gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 SVwVG geworden. Hinreichende Zweifel, dass diese dem Antragsteller nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben und demzufolge nicht im Verständnis von § 43 Abs. 1 Satz 1 SVwVfG wirksam geworden wären, bestehen nicht. Soweit der Antragsteller bestritten hat, dass ihm die entsprechenden Festsetzungsbescheide des Beigeladenen zugegangen sind, vermag er damit nicht durchzudringen. Vielmehr ist nach den Grundsätzen über den Beweis des ersten Anscheins von einem Zugang der in Rede stehenden Festsetzungsbescheide des Beigeladenen auszugehen. Zwar bleibt auch in sog. Massenverwaltungsverfahren wie der Erhebung von Rundfunkbeiträgen ungeachtet der Zulässigkeit einer kostensparenden formlosen Übermittlung der Beitragsbescheide grundsätzlich die Behörde beweispflichtig für den Zugang. Die Behörde kann aber ihrer Beweispflicht im Streitfall auch nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins genügen, wenn sie Tatsachen vorträgt, aus denen nach allgemeiner Lebenserfahrung geschlossen werden kann, dass der Empfänger den Bescheid tatsächlich erhalten haben muss.

Vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 11.04.2014, 1 D 214/14; ferner BayVGH, Beschluss vom 06.07.2007, 7 CE 07.1151, zitiert nach juris

Solche für einen Zugang der der angekündigten Vollstreckung zugrunde liegenden Festsetzungsbescheide sprechenden Tatsachen sind hier gegeben. Nach den Verwaltungsunterlagen des Beigeladenen sind in dem hier in Rede stehenden Beitragszeitraum neben den drei Festsetzungsbescheiden vom 01.05., 01.06. und 01.09.2015 auch weitere drei Mahnungsschreiben vom 02.07., 01.08. und 01.11.2015 von dem Beigeladenen erstellt und ordnungsgemäß an die seinerzeit gültige Anschrift des Antragstellers ... übersandt worden. Dies wird durch die in der sog. Historie-Aufstellung des Beigeladenen enthaltenen Versanddaten hinreichend belegt. Irgendein Rücklauf der Festsetzungsbescheide oder der sonstigen an den Antragsteller gerichteten Schreiben des Beigeladenen ist in den Verwaltungsakten nicht dokumentiert. Dies spricht nach allgemeiner Lebenserfahrung dafür, dass der Antragsteller die Bescheide, auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass gelegentlich eine Postsendung auf dem Postweg verloren geht, auch erhalten hat. Begründete Zweifel, dass der Antragsteller die in Rede stehenden Festsetzungsbescheide gleichwohl nicht erhalten haben könnte, bestehen nicht. Solche Zweifel am Zugang der Festsetzungsbescheide sind nur gerechtfertigt, wenn der Adressat einen atypischen Geschehensablauf glaubhaft und schlüssig vorträgt. Dem genügt das Vorbringen des Antragstellers, der Briefkasten sei defekt gewesen, so dass die Post frei zugänglich gewesen sei und auch habe herausfallen können, nicht. Davon abgesehen, dass es an der erforderlichen Glaubhaftmachung durch den Antragsteller fehlt, ist sein Vorbringen in der dargelegten Weise auch wenig nachvollziehbar, widerspricht es doch jeglicher Lebenserfahrung, dass über einen Zeitraum von sechs Monaten sämtliche Festsetzungsbescheide des Beigeladenen und dessen sonstige Schreiben aus dem Briefkasten des Antragstellers entwendet worden oder anderweitig verloren gegangen sein könnten.
--- Ende Zitat ---

Dem Verwaltungsgericht des Saarlands genügte hier anstelle eines ordnungsgemäßen Absendevermerks, den die Rundfunkanstalten regelmäßig nicht liefern können, die sog. "Historie-Aufstellung", um das bloße Bestreiten des Zugangs aus dem Weg zu räumen.

Man sieht also, dass der Spruch "Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand." auch hier gilt, weil man nicht sicher sein kann, ob man an einen rundfunkhörigen oder einen rundfunkkritischen Richter gerät.

marga:

--- Zitat von: Knax am 25. September 2016, 10:50 ---Dem Verwaltungsgericht des Saarlands genügte hier anstelle eines ordnungsgemäßen Absendevermerks, den die Rundfunkanstalten regelmäßig nicht liefern können, die sog. "Historie-Aufstellung", um das bloße Bestreiten des Zugangs aus dem Weg zu räumen.
Man sieht also, dass der Spruch "Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand." auch hier gilt, weil man nicht sicher sein kann, ob man an einen rundfunkhörigen oder einen rundfunkkritischen Richter gerät.

--- Ende Zitat ---

@Knax

Für normale Postbriefe als Zustellung für Widerspruchsbescheide gibt es aber auch ein Urteil das folgendes zitiert:

VG Saarlouis Urteil vom 25.1.2016, 6 K 525/15 (Auszug)

--- Zitat ---Gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO sind Widerspruchsbescheide zu begründen, mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen und zuzustellen. Zugestellt wird nach § 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO von Amts wegen nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG). Vorliegend erfolgte jedoch eine formgerechte Zustellung nach den §§ 2 ff. VwZG nicht. Auch liegt noch nicht einmal ein auf dem Widerspruchsbescheid angebrachter Absendevermerk vor. Aus der im Klageverfahren nachgereichten Erklärung des zuständigen Sachbearbeiters des Beitragsservice des Beklagten vom 15.07.2015 ergibt sich lediglich, dass der Widerspruchsbescheid am 02.04.2015 zur Post gegeben worden sein „muss“. Aus all dem folgt, dass der Widerspruchsbescheid als einfacher Brief zur Post gegeben wurde. Auch ist mit dem tatsächlichen Erhalt des Widerspruchsbescheids keine Heilung von Zustellungsmängeln eingetreten. Denn eine Heilung von Zustellungsmängeln erfolgt gemäß § 8 VwZG nur dann, wenn sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen lässt oder die Zustellung unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften erfolgt ist. Beides ist jedoch nicht gegeben, wenn es bereits an einem Zustellungswillen mangelt. Eine (förmliche) Zustellung, gleich welcher Art, ist aber hier nicht verfügt worden und war ganz offensichtlich auch nicht beabsichtigt. Da sich die Klagefrist des § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO an der Zustellung des Widerspruchsbescheids orientiert, eine solche vorliegend jedoch gar nicht erfolgt ist, hat sonach eine Klagefrist für den Kläger trotz tatsächlichen Erhalts des Widerspruchsbescheids nicht zu laufen begonnen.
vgl. Urteil der Kammer vom 23.12.2015, 6 K 43/15; VG München, Urteil vom 10.04.2012, M 6b K 11.1831, juris, Rz. 25 ff.; VG Augsburg, Urteil vom 30.08.2013, AU 7 K 13.824, juris, Rz. 31; vgl. auch Sadler, in: Sadler, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2014, § 8 VwZG Rz. 3
Im Übrigen besteht vor diesem Hintergrund Veranlassung, den Beklagten erneut darauf hinzuweisen, dass ein Widerspruchsbescheid gemäß § 73 Abs. 3 Sätze 1 und 2 VwGO zuzustellen ist, und zwar von Amts wegen nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Ausnahmen sind auch in sog. Massenverwaltungsverfahren wie der Rundfunkbeitragserhebung gesetzlich nicht vorgesehen, auch nicht aus ökonomischen Gründen. Ein bewusstes Absehen des Beklagten von der ihm obliegenden Zustellungspflicht wäre mit seiner Bindung an Recht und Gesetz nach Art. 20 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren.
--- Ende Zitat ---

Weiterlesen:
http://www.rechtsprechung.saarland.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=sl&nr=5266
+++

Maverick:
@knax
Müssen wir veilleicht mal weitere Urteile vergleichen, um herauszubekommen wie sich das republikweit darstellt und ob man daraus dann ggfs. Handlungsempfehlungen je nach Wohnort ableiten kann.

Was schreiben denn "Kopp/Ramsauer VwVfG 13. Auflage 2012, §41 Rn. 43 m.w.N." als Quellverweis im Urteil vom VG Schleswig-Holstein? Kannst Du das einsehen?

@marga
es muss aber unterschieden werden zwischen "einfachen" Bescheiden und einem Widersprchsbescheid. Beim Widerspruchsbescheid greift explizit die VwGO - und von daher ist eine "Zustellung" (im juristischen Sinne) zwingend. Normale Postbriefe erfüllen nicht die Kriterien einer "Zustellung" bzw. bei "einfachen" Bescheiden werden beim Versand nicht die gleichen Anforderungen gestellt wie bei einem Widerspruchsbescheid.

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