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Autor Thema: Dr. Martin Pagenkopf: Unzulässige Rundfunkbeiträge für Betriebsstätten  (Gelesen 3676 mal)

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  • Beiträge: 178
Dr. Martin Pagenkopf
Unzulässige Rundfunkbeiträge für
Betriebsstätten und betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) Heft 13/2017, Seite 936 (NVwZ 2017, 936)

Zitat
Mit vier Urteilen vom 7.12.2016 hat das BVerwG die Heranziehung der Inhaber von Betriebsstätten und von betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen zur der seit dem 1.1.2013 geltenden Rundfunkabgabe im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) gebilligt. Diese rundfunkspezifische, nicht steuerliche Abgabe solle die Möglichkeit des Rundfunkempfangs für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk umfassen, was aus der grundrechtlich vorgegebenen Finanzierungsgarantie für die Rundfunkfreiheit folgen soll. Gerade die Anknüpfung an eine Betriebsstätte und die genannten Kraftfahrzeuge sei geeignet, „diesen Vorteil im nicht privaten Bereich zu erfassen“. Damit wird ein weiterer Personenkreis über die Heranziehung aller Wohnungsinhaber hinausgehend zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender herangezogen. Wie schon ein wohnungsbezogener Rundfunkbeitrag wirft auch ein betriebsstätten- und kraftfahrzeugbezogener Beitrag eine Vielzahl von rechtlichen Problemen auf, von denen hier nur ein Teil abgehandelt werden kann.

Zitat
Nach Eröffnung des Rundfunks für Private und erst recht nach Entstehen der neuen Medien, insbesondere des Internets, ist der Grundgedanke der Staatsferne des Rundfunkwesens, allein bezogen auf das herkömmliche öffentlich-rechtliche Rundfunksystem jedoch in seinen Grundfesten erschüttert worden. Die Staatsferne des gesamten Rundfunkwesens ist insoweit schon hergestellt, als auf dem Markt der elektronischen Verbreitung von Nachrichten eine kaum überschaubare Zahl von Akteuren vorhanden ist und hier durchaus die Grundsätze der Meinungsvielfalt und des Wettbewerbs herrschen. Der Gedanke der Sicherung der Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks steht dabei in einem merkwürdigem Widerspruch zu der „höchsten Staatsnähe“, die mit der Auferlegung von gesetzlichen Abgabenpflichten für die Staatsbürger, Betriebe und Kfz-Inhaber verbunden ist. Allein schon durch die Belastung mit spezifischen Beiträgen stellt der Staat eine besondere Nähe im Staat-Bürgerverhältnis her, die sich mit dem allgemeinen Gedanken einer Staatsferne des zu finanzierenden Objekts kaum in Einklang bringen lässt. Überraschend ist dann, dass aber eine „Staatsferne“ insoweit gesetzlich verankert ist, indem gerade die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von der Entrichtung des Rundfunkbeitrags befreit sind (§ 5 VI Nr. 1 RBStV).

Zitat
Mit einem Typisierungsgedanken lassen sich nicht gravierende Sachverhaltsunterschiede, die aus der Lebenswirklichkeit folgen, einebnen. Hinweise auf eine „medienbedingte oder mediengestützte Informationskultur“ – was das immer heißen mag – können keine rechtliche Relevanz beanspruchen.

Zitat
Die Grenze zulässiger Typisierung ist überschritten, wenn dadurch eine ins Gewicht fallende verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbare Mehrbelastung eines Teils der Betroffenen herbeigeführt wird, die dann außer Verhältnis zu den mit der Typisierung verbundenen Zielen steht. Ein von der Regelung erfasster atypischer Fall darf damit nur ganz vereinzelnd auftreten. Die durch die Typisierung eintretenden Härten dürfen auch nur eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Personen treffen. Das ist aber schon angesichts der eingangs geschilderten Fälle nicht der Fall. Nur wenn der Normgeber dann zum Ausgleich extremer Ungleichheiten Möglichkeiten der Befreiung vorsieht, kann eine Typisierung mit dem Gleichheitssatz vereinbar sein. Das ist aber gerade im RBStV nicht geschehen.


Hinweis - weitere Gutachten/ Aufsätze/ wissenschaftliche Arbeiten siehe u.a. unter
Gutachten zum Rundfunkbeitrag/ Rundfunkbeitragsstaatsvertrag [gesammelte Werke]
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,5817.0.html
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,5817.msg144511.html#msg144511

Dr. Martin Pagenkopf ist Richter am BVerwG a.D. und hatte auch diesen kritischen Aufsatz verfasst

[...]
Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,20028.0.html
"Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?"
Neue Juristische Wochenschrift (NJW) Heft 35/2016. 25.08.2016, Seite 2535-2540

Dr. Martin Pagenkopf: Richter am BVerwG a.D.
[...]


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 17. Juli 2017, 01:39 von Bürger«

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  • Beiträge: 79
Gibt es irgendwo ein Grundsatzurteil o.ä. zum Thema ÖRR in gemeinschaftlich genutzen Großraumbüros? z.B. dort wo man selbst zum Telefonieren bereits vor die Tür gehen muss, damit es niemanden stört?


Edit "Bürger":
Wenn es dieses gäbe, wäre das sicherlich bekannt ;)
Ungeachtet dessen - hier bitte nicht eigenständige Themen vertiefen, sondern bitte eng und zielgerichtet am eigentlichen Kern-Thema bleiben, welches hier lautet
Dr. Martin Pagenkopf: Unzulässige Rundfunkbeiträge für Betriebsstätten
und den besagten Aufsatz von Dr. Pagenkopf zum Inhalt hat.
Danke für das Verständnis und die Berücksichtigung.


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 18. Juli 2017, 00:59 von Bürger«

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  • Beiträge: 352
Eine weitere schöne Publikation von Martin Pagenkopf, bei der er auf einige offenkundige Widersprüche aufmerksam macht, so auf Seite 936:

Zitat
Der Gedanke der Sicherung der Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks steht dabei in einem merkwürdigem Widerspruch zu der "höchsten Staatsnähe", die mit der Auferlegung von gesetzlichen Abgabenpflichten für die Staatsbürger, Betriebe und Kfz-Inhaber verbunden ist.

Und dann fährt Pagenkopf mit einem netten Wortspiel zum Begriff "Beitrag" fort:

Zitat
Erst recht bestehen Probleme bei der Heranziehung der Inhaber von Betriebsstätten und betrieblich genutzten Fahrzeugen zur Zahlung eines Rundfunkbeitrags, wenn man an den Inhalt der durch die öffentlich-rechtlichen Medien vermittelten Beiträge denkt. Oft gibt es herrschaftssichernde "Beiträge", die nicht mehr zwischen dem Wiedergeben neutraler Nachrichten und einer subjektiven Kommentierung unterscheiden, oder es gibt Beiträge und Unterhaltungssendungen, bei denen oft subkutan ein politisch erwünschtes Verhalten (wie in den vielen Vorabendserien und Krimis) vermittelt wird. Eine Beitragspflicht für das Gemeinwesen stützende Betriebe wird insbesondere dann fraglich, wenn man das Talkshow-/Quizwesen im Groß-TV mit den üblichen Verdummungseffekten heranzieht oder an eine zeitvertreibende Sendung, wie die Übertragung vieler, oft kommerziell geprägter Fußballereignisse mit sich im Grunde immer wiederholenden Abläufen denkt. Ein betriebsbezogener Nutzen durch die Entrichtung von derartigen, auf einen schmalen Lebenssektor bezogenen Rundfunkbeiträgen ist bei dem beitragspflichtigen Personenkreis nicht festzustellen. (...) Es erscheint dann geradezu abwegig, derartige Betriebsinhaber mit der Pflicht zur Zahlung eines Rundfunkbeitrags zu überziehen.

Vielleicht ist das der Sinn des Rundfunk-Beitrags?
Ein Beitrag zu herrschaftssichernden Unterhaltungssendungen?


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 25. Juli 2017, 23:37 von Bürger«

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  • Beiträge: 352
Für alle Liebhaber selbstständiger Lektüre hier der Katalogeintrag mit der alphabetischen Liste der Bibliotheken, in denen die Zeitschrift vorrätig ist:

Martin Pagenkopf: Unzulässige Rundfunkbeiträge für Betriebsstätten und betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht [NVwZ], Jahrgang 36, Heft 13, 2017, Seite 936-940.

http://gso.gbv.de/DB=2.1/PPNSET?PPN=894274953

Für alle 'Betriebstätteninhaber' eine Pflichtlektüre!


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