VI.
In einem Vertrag haben die Rundfunkanstalten eine Verwaltungsvereinbarung "Beitragseinzug" geschlossen, welche eine Ertragssteigerung durch eine Akzeptanzsteigerung des gesamten Beitragseinzugs angestrebt. Dazu haben die Rundfunkanstalten in § 1 der Verwaltungsvereinbarung die Einrichtung einer „Gemeinschaftseinrichtung Beitragsrecht“ und einer „Gemeinschaftseinrichtung Beitragskommunikation/Marketing“ beschlossen:
„§ 8 Gemeinschaftseinrichtung Beitragsrecht und Gemeinschaftseinrichtung Beitragskommunikation/Marketing
A. Beitragsrechtliche Fragen sowie die Aufgaben Kommunikation/Marketing des Beitragsservice werden in zwei getrennten Gemeinschaftseinrichtungen bearbeitet. Ihre Leiter werden einvernehmlich von den Intendantinnen und Intendanten der Rundfunkanstalten berufen.
B. Die Gemeinschaftseinrichtung Beitragsrecht hat insbesondere folgende Aufgaben:
a) Klärung von Rechtsfragen zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, die vom Zentralen Beitragsservice oder von der Fachgruppe Kundenmanagement sowie den dezentralen Einheiten in den Landesrundfunkanstalten eingebracht werden
b) Information der Fachgruppe Kundenmanagement und der Geschäftsführung des Zentralen Beitragsservice über die Beratungsergebnisse zwecks operativer Umsetzung der Ergebnisse für den zentralen und dezentralen Beitragsservice
c) Empfehlung für die Gerichtsprozess-Strategien für ARD. ZDF und Deutschlandradio
d) Pflege einer Urteilsdatenbank, Weitergabe positiver Gerichtsentscheidungen an Juris und ggf. Kommentierung
e) Kommunikation der Gerichtsentscheidungen an die Fachgruppe Kundenmanagement und an die Geschäftsführung des Zentralen Beitragsservice für die Umsetzung der operativen Aufgaben
f) Information der Gemeinschaftseinrichtung Marketing/Kommunikation über presserelevante Gerichtsentscheidungen
g) Festigung von Richtlinien für die dezentralen Einheiten Beitragsservice in den Landesrundfunkanstalten
h) Äußerungsrechtliche Prüfung von Aussagen im Zusammenhang mit dem Beitragseinzug
i) Sonderaufgaben zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (z.B. Evaluation etc.)
C. Die Gemeinschaftseinrichtung Beitragskommunikation/Marketing hat folgende Aufgaben:
1. Kommunikation bezüglich des Rundfunkbeitrags und des Zentralen Beitragsservice:
a) Pressearbeit, bei grundsätzlichen Fragen in enger Abstimmung mit dem ARD-Vorsitz/der ARD-Pressestelle
b) Inhaltliche und redaktionelle Gestaltung des Internetauftritts „www.rundfunkbeitrag.de“, soweit nicht unter § 2 m geregelt
c) Inhaltliche Abstimmung der Webpräsenzen der Landesrundfunkanstalten, ZDF und Deutschlandradio zum Thema Rundfunkbeitrag
d) Beobachtung des Social Web
e) Erstellen von Informationsmaterial
f) Interne Kommunikation, insbesondere zum ARD-Vorsitz, zu den Intendanzen, der ARD-Pressestelle und den Pressestellen der Rundfunkanstalten
g) Begleitforschung, die die Reaktionen auf den Rundfunkbeitrag auswertet
2. lm Rahmen von Werbung und Public Relations:
a) Planung und Bedienung aller Werbeformen [klassische Werbung, Online-Werbung, sonstige Werbeformen] im Rahmen des zur Verfügung stehenden Etats; die Planung nationaler Werbekampagnen und deren Umsetzung bedarf der Zustimmung der Intendantinnen und Intendanten
b) Konzeptionelle Entwicklung einer Kommunikationsstrategie zum Rundfunkbeitrag und seinem Zweck zur Finanzierung der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Form von Gemeinschaftskampagnen sowie von Angeboten für regionale Einsatzmöglichkeiten; die Planung nationaler Werbekampagnen und deren Umsetzung bedarf der Zustimmung der Intendantinnen und Intendanten
c) Gezielte Ansprache von Multiplikatoren und Betroffenenorganisationen, Verbänden und Gremien
3. Marktforschung“
Die Pflege der Urteilsdatenbank durch die GSEA Beitragsrecht beinhaltet auch die Weitergabe „positiver“ Gerichtsentscheidungen an Juris und ggf. eine Kommentierung. Der Beklagte versucht so, die Öffentlichkeit von der Rechtmäßigkeit seines Handelns zu überzeugen. Er argumentiert in seinen Widerspruchsbescheiden und Klageerwiderungen immer wieder mit, von den Rundfunkanstalten selbst verfassten, Kommentierungen.
Von den 41 Autoren, welche die einschlägig zitierten Gesetzeskommentare im Beck'schen Kommentar zum Rundfunkrecht verfasst haben, stehen mindestens 23 Autoren eindeutig in einem direkten Arbeitsverhältnis mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Beiträge aus diesem „Standardkommentar zum gesamten Rundfunkrecht“ können also nicht als unabhängig i.S.d. Wissenschaft angesehen werden. Dazu schreibt das LG Tübingen in seinem Beschluss vom 9.9.2015, (5 T 162/15, Rn. 21):
„ - Die einzige einschlägige Kommentierung (Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. A. 2012), auf die auch der Bundesgerichtshof zurückgreift und die trotz des Umstandes, dass die Kommentierung durch eine Mitarbeiterin der Beschwerdegegnerin erfolgte, als wissenschaftliche Meinung mit besonderer praktischer Sachkunde angesehen werden kann, kommt hinsichtlich der Gläubigerstellung zum Ergebnis, dass Gläubigerin gerade nicht entsprechend der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und nun auch des Bundesgerichtshofs die Landesrundfunkanstalt ist, sondern die Landesrundfunkanstalt zusammen mit dem ZDF, dem Deutschlandradio und der Medienanstalt (Tucholke, in Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. A. 2012, § 10 RBStV, Rn. 4). Ohne dass es hierauf dann noch ankäme, wird darauf hingewiesen, dass das Gericht im Rubrum entsprechend der BGH-Entscheidung noch eine mögliche Gläubigerstellung der Landesrundfunkanstalt ausweist. Für die abweichende Kommentierung von Tucholke zur Gläubigerstellung diesem Punkt spricht allerdings sowohl der klare Wortlaut von § 10 I RBStV als auch der Gesamtsystematik von § 10 RBStV, wonach in Abs. 1 der Gläubiger, in Abs. 2 die Inkassostelle bzw. der Empfangsberechtigte und in Abs. 5 die Vollstreckungsbehörde beschrieben werden.“
Insbesondere die Kommentierungen des SWR-Justiziars Dr. Hermann Eicher sollten, mit Blick auf seine maßgebliche Beteiligung an der Entwicklung des neuen Modells zur Finanzierung des Rundfunkbeitrags, entsprechend bewertet werden. In einer Klarstellung schreibt Eicher: „Zudem stellen weder die öffentlich-rechtlichen Sender noch die GEZ eine Behörde dar.“ (Quelle:
http://www.ard.de/home/intern/presse/pressearchiv/252836/index.html)
Die Gemeinschaftseinrichtung Beitragskommunikation/Marketing unterhält mehrere Websites:
„Wir sind die GSEA Beitragskommunikation von ARD, ZDF und Deutschlandradio und für die externe Kommunikation rund um den Rundfunkbeitrag zuständig. Durch eine aktive und transparente Kommunikation mit unseren Zielgruppen schaffen wir mehr Verständnis und Akzeptanz für die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Wir beantworten alle Fragen zum Rundfunkbeitrag, machen Schluss mit Fehlannahmen aus dem Netz und eröffnen neue Sichtweisen für das Thema.
Unser Internetangebot dein-beitrag-bewegt-was.de bildet zusammen mit rundfunkbeitrag.de die Plattform im Internet, auf der du alle Informationen rund um den Rundfunkbeitrag findest – aktuell, unterhaltsam und auf den Punkt.“ (Quelle: http://www.dein-beitrag-bewegt-was.de/ueberuns.html)
Auf „dein-beitrag-bewegt-was.de“ diffamierte die GSEA Beitragskommunikation am 07.10.2016 nach dem Tübinger Beschluss vom 16.09.2016 solche Personen, die gegen die Landesrundfunkanstalten vor Gericht ziehen, als „Beitragsgegner und GEZ-Boykotteure“. Geradezu genüsslich freut man sich auf die Berufungsverfahren, in denen die „GEZ-Boykotteure“, laut der Vorahnung des Autors, sicherlich alle unterliegen werden:
„Rundfunkbeitrag erledigt! – Ach nee, doch nicht…
Das Landgericht Tübingen ist mal wieder in aller Munde, denn es hat sich am 16. September 2016 erneut in einem Beschluss mit dem Rundfunkbeitrag befasst.
„Der Rundfunkbeitrag ist erledigt“ und „Das Ende der GEZ“ frohlocken die Beitragsgegner und GEZ-Boykotteure im Netz und freuen sich über die vermeintlich bahnbrechende Rechtsprechung des LG Tübingen.
Dabei geht es hier gar nicht konkret um den Rundfunkbeitrag oder seine Rechtmäßigkeit selbst, sondern um die Art und Weise, wie der SWR die Beitragsforderungen vollstreckt. Aber da beim Rundfunkbeitrag gern mal pauschalisiert wird, ist für viele Leute die Sache klar: Gerichtsurteil kippt Rundfunkbeitrag! Solche Informationen verbreiten sich natürlich auch besser, obwohl viele Medien den Beschluss sachlich eingeordnet haben.
Muss ich nicht mehr zahlen?
Aber was heißt das jetzt genau? Muss ich jetzt keinen Rundfunkbeitrag mehr zahlen, so wie es zuletzt in vielen Social-Media-Kanälen und Blogs zu lesen war? Also, LG Tübingen hin oder her - Nein, weder der Rundfunkbeitrag noch der Beitragsservice wurden abgeschafft.
Das Gericht erklärte lediglich die Vollstreckung im konkreten Fall für unzulässig, weil nicht alle Vollstreckungsvoraussetzungen vorgelegen hätten, z. B. fehle dem SWR angeblich die für die Vollstreckung erforderliche "Behördeneigenschaft". Aber bereits 2015 hat der Bundesgerichtshof einen ähnlichen Beschluss des LG Tübingen aufgehoben und die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungen des SWR ausdrücklich bestätigt.
In diesem Sinne: Nach dem Beschluss ist vor dem Beschluss. Bis zum nächsten Mal!“
Der Kläger legt darauf wert, vom Beklagten weder als „Beitragsgegner“, noch als „GEZ-Boykotteur“ bezeichnet zu werden. Zudem hat der Kläger, auch mit Blick auf die Kommentierung von Gerichtsentscheidungen, ein fundamental gegenteiliges Verständnis von „aktiver und transparenter Kommunikation“. „Verständnis und Akzeptanz für die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ haben sich beim Kläger bisher jedenfalls noch nicht eingestellt. Sicher nicht ohne Grund sprechen selbst Mitarbeiter der Öffentlich-Rechtlichen scherzhaft von „Pensionskassen mit angeschlossenem Sendebetrieb“.