Die aktuelle Rechtsprechung des BVerwG zur angewandten Typisierung bei der Erhebung des Rundfunkbeitrages - Anknüpfung an das Innehaben einer Wohnung - steht in ganz offensichtlichem Widerspruch zur Entscheidung des BVerfGE vom 21.06. 2006 hinsichtlich den notwendigen Anforderungen an eine sachgerechte Typsierung.
Das BVerfGE hatte sich zur der Thematik einer sachgerechten Typsierung in Relation zu Art. 3 GG wie folgt geäußert:
(
http://www.bverfg.de/entscheidungen/ls20060621_2bvl000299, abgerufen am 26.06.2016)
c) Unabhängig davon, ob mit einer Steuernorm allein Fiskalzwecke oder auch Förderungs- und Lenkungsziele verfolgt werden, ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisie- rung zu beachten: Jede gesetzliche Regelung muss verallgemeinern ( BVerfGE 96, 1 <6>; 99, 280 <290>; 105, 73 <127> ). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt ( BVerfGE 78, 214 <226 f.> m.w.N.; 82, 126 <151 f.>; 99, 280 <290>; 105, 73 <127>; vgl. auch BVerfGE 96, 1 <6> ). Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfGE 84, 348 <359> m.w.N.; 99, 280 <290>; 105, 73 <127> ).
Er darf jedoch für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zu Grunde legen (BVerfGE 112, 164 <180 f.>; 112, 268 <280 f.> jeweils m.w.N.).
Diese begründeten Ausführungen sind auch für uns Nichtjuristen plausibel und entsprechen der Lebensrealität!
Das Maximum einer nicht sachgerechten Typisierung, also ein atypischer worst-case, liegt dann vor, wenn der zu typisierende Ausgangssachverhalt/Ausgangsgegenstand nur einen Anteil von 50% an der Gesamtmenge aufweist. Ist dies der Fall, werden die anderen 50% damit zu etwas gemacht, dass sie eigentlich nicht sind.
Es werden dann sprichwörtlich Äpfel mit Birnen verglichen, bzw. eine Birne aufgrund ihrer Obsteigenschaft zu einem Apfel erklärt, die dann auch als solche gehandelt/verkauft werden würde. Hier sagt einem schon der gesunde Menschenvestand, dass etwas nicht stimmen kann.
Die maximal mögliche, sachgerechteste Typisierung liegt dann vor, wenn der zu typisierende Sachverhalt/Gegenstand nur einen Anteil von 1% an der Gesamtmenge hat. Hier ist ganz offensicht- lich, dass der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt wird. Plausibel wäre die Annahme, dass eine gerade noch sachgerechte Typsierung vorliegen könnte, wenn der Anteil des zu typisierenden Sachverhaltes/Gegenstandes nicht mehr als 24% beträgt.
Lt. Mitteilung des statistischen Bundesamtes (Pressemitteilung vom 28. Mai 2014 - 185/14) liegt der Anteil der Singlehaushalte in Deutschland liegt bei 37,2 %.
Wie das Statistische Bundesamt anhand der Ergebnisse des Zensus 2011 weiter mitteilt, handelt es sich bei den Singlehaushalten um den häufigsten Haushaltstyp in Deutschland!
Etwas mehr als die Hälfte (51,2%) der Bevölkerung in Privathaushalten lebt zu zweit oder dritt, wobei es mehr als doppelt so viele Zweipersonenhaushalte (33,2 %) wie Dreipersonen-haushalte (14,5 %) gibt. Haushalte mit 5 und mehr Personen machen 4,8 %der Privathaushalte in Deutschland aus und umfassen damit 9,7 Millionen Personen.
(abgerufen am 26.06.2016 unter:
https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2014/05/PD14_185_122pdf.pdf;jsessionid=455A8DC8801246B94428D9933BF628B4.cae2?__blob=publicationFile)
Wie man bei 37,2 % Singlehaushalten, dem häufigsten Haushaltstyp in Deutschland, von einer sachgerechten Typisierung ausgehen kann, wenn man diese hinsichtlich der Rundfunkgebühr mit den Mehrpersonenhaushalten gleichsetzt, was für einen Singlehaushalt im Vergleich mindestens eine doppelt so hohe Belastung darstellt, entzieht sich einer logischen, sachgerechten Denkweise völlig.
Genau dies tat das BVerwG in seinem Urteil 18.03.2016 - 6 C 26.15 - aber. Dort wird zu diesem Thema behauptet:
9. Die Anknüpfung der Rundfunkbeitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung hat einen Verteilungsmaßstab zur Folge, der als noch vorteilsgerecht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Wie unter 1. dargelegt, stellt der Wohnungsbezug Personen, die eine Wohnung zusammen mit anderen dem Grunde nach Beitragspflichtigen innehaben, besser als alleinwohnende Personen. Da mehrere Inhaber einer Wohnung als Gesamtschuldner haften, können sie die Beit-ragszahlungen nach ihren Vorstellungen unter sich aufteilen. Übernimmt einer von ihnen die Zahlungen in voller Höhe, haben die anderen den Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit unentgeltlich. Es gilt die Faustregel, dass die Beitragsbelastung pro Person umso niedriger ist, je mehr beitragspflichtige Inhaber eine Wohnung hat.
Leider hat es das BVerG zu dieser sehr wichtigen Thematik versäumt, tatsächlich vorhandene Daten zu den einzelnen Haushalten über das Statistische Bundesamt aus dem Jahr 2014 abzurufen. Es hat dies interessanterweise aber mit Daten des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2012 getan, um den Anteil der privaten Haushalte mit Fernsehgeräten zu belegen...
Es findet sich speziell zu dem wichtigen Sachverhalt einer notwendigen, sachgerechten Typisierung in den aktuellen Urteilen des BVerG überhautp keine fundierte Begründung. Es wird einfach frei in den Rechtsraum hinein behauptet, dass der Verteilungsmaßstab als noch vor-teilsgerecht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Etwas lapidarer ausgedrückt: "Wir sagen, dass es so ist, also ist es so." Dies ist für ein oberstes deutsches Gericht schon mehr als dürftig! Es erinnert auch ein bißchen an die Kaiserzeit und den Hauptmann von Köpenick.
Ein Schelm wer denkt, dass das BVerwG einfach übersehen hat, hinsichtlich der Daten zu einer sachgerechten Typsierung noch ein zweites Mal beim Statistischen Bundesamt nachzufragen.
Ein anderer Schelm könnte vielleicht auch denken: "Ach!, unsere copy- und pastler bei BVerG kopieren nicht nur ihre eigenen Urteilsbegründungen, sondern mogeln auch noch, in dem sie für den Rundfunk geeignete Daten heranziehen, aber sichtlich ungeeignete unter den Tisch fallen lassen".
Aber nein, so etwa kann ja nicht sein, denn es handelt sich um das höchste Deutsche Verwaltungsgericht. Hier steht Sachaufklärung meilenweit vor Parteilichkeit, Parteipolitik oder handfesten Geld- und Machtinteressen.
Bei 8,3 Millarden (!) Euro aus öffentlichen Rundfunkgebühren jährlich geht es hier um den dicksten Fisch, der bisher bei Deutschen Gerichten verhandelt worden ist.
Wer bisher immer eine Erklärung gesucht hat, warum alle Verfahren bei den Gerichten bisher verloren gingen, braucht sich nur die Summe und die Zusammensetzung/ Herkunft der bisherigen Gerichte/Richter anzusehen. Er wird möglicherweise eine Entdeckung machen...
Die nicht sachgerechte Typisierung ist meiner Meinung nach der offensichtlichste Sachverhalt für eine Verfassungswidrigkeit. Bei allen anderen Punkte wurde groß und mit viel Aufwand rumlaviert und rumgeeiert, an die Typsierung wagt man sich mit einer echten Begründung, basierend auf Daten, verbal nicht heran, sagt nur kurz ohne irgendeinen Beleg, dass alles in Ordnung ist und geht schnell zum nächsten Thema über.
Es wäre/ist daher wichtig, beim Bundesverfassungsgericht genau auf diesen Punkt hinzuweisen, mit einer regulären Klage, mit einer Verfassungsklage, wie auch immer.
Dies ist meines Wissens in der konkreten Form noch nicht geschehen, sonst hätte das Bundesverwaltungsgericht diesen Punkt nicht so knapp und einfach abtun können.
LG Peli