Wer ist die nicht beitragspflichtige Allgemeinheit?Widmen wir uns der Frage der nicht beitragspflichtigen Allgemeinheit zu.
Mit Sicherheit werden die Argumente vor dem BVerfG und dem BVerwG von Bedeutung sein.
Wir erinnern uns noch an die Ausführungen im Urteil des VG Berlin, VG 27 K 375.13 auf Seite 18:
http://www.zwangsfernsehen.de/urteile/urteil_vg27k375_13.php
"Nicht unproblematisch ist der Umstand, dass der Rundfunkbeitrag praktisch jedermann trifft. Das Bundesverfassungsgericht hat zum Straßenbaubeitrag ausgeführt, dass sich aus Gründen der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) der Sondervorteil, dessen Inanspruchnahme durch die Erhebung eines Beitrags ausgeglichen werden soll, nicht in der Weise auflösen, dass Beitragspflichtige keinen größeren Vorteil aus der potentiellen Inanspruchnahme der Gegenleistung ziehen können als die nichtbeitragspflichtige Allgemeinheit (BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668/10 u.a. -, juris Rn. 54). Diese Entscheidung setzt als selbstverständlich voraus, dass es eine Gruppe der Beitragspflichtigen gibt, die einen größeren Vorteil erlangt als die davon zu unterscheidende nichtbeitragspflichtige Allgemeinheit, was beim Straßenbaubeitrag unproblematisch ist. Diese Situation lasst sich nicht mit der des Rundfunkbeitrags vergleichen, bei dem nahezu 100 % der Bevölkerung die technischen Voraussetzungen erfüllen, um das Angebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nutzen zu können. In derselben Entscheidung, auf die sich der Kläger beruft, hat das Bundesverfassungsgericht das Urteil des Verfassungsgerichtshofes Rheinland-Pfalz vom 13. Mai 2014 (- VGH B 35/12 -), das die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrag festgestellt hat, wohlwollend zitiert und ausgeführt, es sei nicht ausgeschlossen, dass eine unbestimmte Vielzahl von Bürgern zu Beiträgen herangezogen wird, sofern ihnen jeweils ein Sondervorteil individuell konkret zugerechnet werden kann (BVerfG, a.a.O., Rn. 52)."
Welche wichtige Konsequenz das VG aus der Problematik zieht, dass der Rundfunkbeitrag praktisch jedermann und damit die Allgemeinheit trifft, bleibt offen. Dazu schweigt sich das Gericht aus. Die Allgemeinheit kann nicht beitragspflichtig sein. Es bedarf der nichtbeitragspflichtigen Allgemeinheit.
Die enge Auslegung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts dient dem Schutz vor dem unbegrenzten Zugriff des Staates auf die finanziellen Ressourcen der Bürger durch Fiktion, Verdrehung und das Aufweichen des rechtlichen Rahmens für die Abgabe "Beitrag".
Die Situation mit dem Straßenbaubeitrag lässt sich sehr wohl mit dem des Rundfunkbeitrags vergleichen, wenn die Richter die Fiktion weglassen, dass jeder durch die fiktive Möglichkeit einen besonderen Vorteil hat und eine sachgerechte tatsachenbezogene Differenzierung zwischen Nutzern und den Nichtnutzern der öffentlich-rechtlichen Option, inkl. der aus Sorge vor Repressalien zahlenden Nichtnutzer, nach Maßgabe des besonderen Vorteils vornimmt.
Die breite Allgemeinheit kann in keine menschenwürdigen Wohnungen (Raumeinheiten) wechseln, um den Rundfunkbeitrag für eine aufgedrängte öffentlich-rechtliche Medien-Option zu vermeiden. Das Ausweichen der breiten Allgemeinheit auf das Wohnen unter der Brücke ist keine praktikable Alternative. Dies ist bezeichnend, weil sogar der Steuer durch die Vermeidung des steuerpflichtigen Einkommens ausgewichen werden kann. Ein Straßenbaubeitrag ist da noch durch weniger drastische Maßnahmen vermeidbar. Es wird jeweils nur ein Teil der Allgemeinheit belastet. Nicht so beim Rundfunkbeitrag.
Die Unausweichlichkeit des Rundfunkbeitrags für die breite Allgemeinheit, und zwar auf Grund der fehlenden sachgerechten Differenzierung nach Nutzer und Nichtnutzer der ö.-r. Option, bewirkt das Fehlen der vom Bundesverfassungsgericht geforderten "nicht beitragspflichtigen Allgemeinheit".
Die Akzeptanz der öffentlich-rechtlichen Programme sinkt unaufhaltsam weiter. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird von den Nichtnutzern nicht in Anspruch genommen. Dazu die offiziellen Stellen:
„Haupt- und Medienausschuss, 13. Sitzung (öffentlich) vom 7. April 2011, Landtag Nordrhein-Westfalen.
Quelle:
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMA15-177.pdf"Horst Röper (Forschungsinstitut Formatt):
Wichtiger erschien mir immer, dass mit der zurückgehenden Gebührenakzeptanz auch das System öffentlich-rechtlicher Rundfunk in der Bevölkerung immer weniger akzeptiert wurde.
...
Prof. Dr. Bernd Holznagel (Westfälische Wilhelms-Universität Münster):
Dass das derzeitige Modell Akzeptanzverluste und auch erhebliche Umsetzungsverluste aufweist, wenn nur 75 % einspielt werden können, liegt auf der Hand.
...
Dass auch das öffentlich-rechtliche System Akzeptanzverluste hat, das sehe ich gerade an der Uni jeden Tag. Die meisten Studenten haben eine ganz andere Mediennutzung als meine Generation.
...
Dr. Thorsten Ricke (Westfälische Wilhelms-Universität Münster):
Die Akzeptanz der gegenwärtigen Gebühr ist bei Studenten sehr gering. Ein Drittel von ihnen nutzt zum Fernsehen mittlerweile den Computer und nicht mehr den Fernseher. Dass man die irgendwie erfassen muss, ist, glaube ich, selbstverständlich.“
Der Sondervorteil aus der Möglichkeit der Nutzung ist eine vorgeschobene Fiktion, die als Mittel eingesetzt wird, um entgegen der Wirklichkeit ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Zahlt man etwa für die reine Möglichkeit der Nutzung von Sky oder Netfix? Nein, es bedarf einer demokratischen freien Willensentscheidung und keiner Fiktion.
BVerfGE 31, 314 - 2. Rundfunkentscheidung / Tätigkeit der Rundfunkanstalten
http://www.telemedicus.info/urteile/Rundfunkrecht/81-BVerfG-Az-2-BvF-168,-2-BvR-70268-2.-Rundfunkentscheidung-Taetigkeit-der-Rundfunkanstalten.html„Es darf indessen nicht außer acht gelassen werden, daß sich der Gesetzgeber nicht beliebig der Fiktion bedienen kann. Ihm sind unter anderem bestimmte Grenzen auch dadurch gesetzt, daß der Verfassungsgesetzgeber, wenn er direkt oder indirekt auf Begriffe Bezug nimmt, die er der allgemeinen Rechtsordnung entlehnt, diese nicht mit einem beliebigen Inhalt füllen kann.“
Der Gesetzgeber darf eine Fiktion nicht als Mittel einsetzen, um entgegen der Wirklichkeit ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
Die Fiktion mündet in einer Nötigung und Belästigung der Nichtnutzer dieser ö.-r. Option, um Geld von Unbeteiligten abzupressen. Der Nichtnutzer der öffentlich-rechtlichen Option und die aus Sorge vor Repressalien zahlenden Nichtnutzer wollen nichts mit der wiederkehrenden Nötigung und Belästigung durch die finanziell aufgedrängte überflüssige Zusatz-Option zu tun haben. Sie wollen und brauchen im Multimediazeitalter diese überflüssige staatsnahe ö.-r. Medienoption nicht. Es gibt einen Überfluss an Informations- und Unterhaltungsmöglichkeiten.
Die Härtefälle sind nicht mit der nicht beitragspflichtigen Allgemeinheit identisch. Ein Teil der Härtefälle (Menschen ohne Rundfunkgeräte) können der Nichtnutzergruppe der öffentlich-rechtlichen Option und damit der nicht beitragspflichtigen Allgemeinheit hinzugerechnet werden. Diese Gruppe ist jedoch viel größer und nur eine sachgerechte Differenzierung zwischen Nutzern und den Nichtnutzern der öffentlich-rechtlichen Option nach Maßgabe des besonderen Vorteils, inkl. der aus Sorge vor Repressalien zahlenden Nichtnutzer, bringt die nicht beitragspflichtige Allgemeinheit hervor.
Rundfunkbeitrag leistende Gruppe hat keinen besonderen Vorteil, genaugenommen einen finanziellen Nachteil, gegenüber der ö.-r. Rundfunk nutzenden Härtefall Personengruppe. Diese Härtefallgruppe hat einen Vorteil und kann nicht der NICHT beitragspflichtigen Allgemeinheit ohne besonderen Vorteil zugerechnet werden.
Aus Gründen der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) darf sich der Sondervorteil, dessen Inanspruchnahme durch die Erhebung eines Beitrags ausgeglichen werden soll, nicht in der Weise auflösen, dass Beitragspflichtige keinen größeren Vorteil aus der potentiellen Inanspruchnahme der Gegenleistung ziehen können als die nichtbeitragspflichtige Allgemeinheit. Durch die Belastung der Allgemeinheit hat sich der Vorteil in Luft aufgelöst.
Vielleicht setzt einer von den kommenden Klägern die Argumente im Verfahren entschieden ein und besteht darauf, dass die ehrenwerten Richter sich eingehend mit dem Thema befassen und in dem Urteil eine solide Begründung liefern, warum sie keine Richtervorlage auf Grund der fehlenden sachgerechten Differenzierung der NICHT beitragspflichtigen Allgemeinheit nach Maßgabe des Vorteils der Nutzer und Nichtnutzer der ö.-r. Medienopion machen. Sie sollten auch ganz genau begründen, warum sie die Verfassungswidrigkeit auf Grund der nicht vorhandenen Belastungsgleichheit (Nutzer <-> Nichtnutzer ) nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz ignorieren.