Danke erst mal, sergal, für die anschauliche fiktive Fallbeschreibung und umfassende Dokumentation dieses fiktiven Falls.
Vorab:
Der neuerliche Festsetzungsbescheid (ehem. "Beitragsbescheid") hat mit dem beschriebenen aktuellen Vorgang der Vollstreckung an sich erst mal nichts zu tun.
Der Hinweis, dass für ausstehende Forderungen
"Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet" worden seien, ist informativ (und soll sicher auch als subversive Drohung verstanden werden). Spätestens seit der "förmlicher Zustellung" der Vollstreckungsunterlagen ist Person X ja aber selbst im Bilde.
Die Aussage, dass
[...] eine Zahlungsvereinbarung mit Person X bereits jetzt zugestimmt wurde.
ist leicht missverständlich wiedergegeben. MDR/ Beitragsservice schreibt im Vollstreckungsersuchen aus seiner eigenen Position heraus, dass er (selbst) einer
"Zahlungsvereinbarung über 12 Monate [...] bereits jetzt" (also ohne weitere Rückfrage von "Schuldner" oder "Vollstrecker") zustimmt. Das soll eine gütliche Einigung "befördern" - natürlich mit dem Hauptzweck, Gelder in die Kassen von MDR/ Beitragsservice zu spülen.
Die "kann-erwirken"-Aussage im Brief des Gerichtsvollziehers
Kommen Sie nicht zum Termin oder verweigern Ihre Auskunftspflicht, kann der Gläubiger gegen Sie Haftbefehl zur Erzwingung der Vermögensauskunft erwirken.
kann Person X wohl vergessen. MDR/ Beitragsservice wird diese Art von Märtyrertum ganz bestimmt nicht befördern
Insbesondere interessant ist dann wohl eher der Rest des gut dokumentierten
Vollstreckungsersuchens des MDR bzw. des Beitragsservice, dessen
formale Richtigkeit wohl erst mal einer eingehenden Prüfung zu unterziehen wäre.
Ob dies allein dem "Schuldner" obliegt oder nicht vielmehr der OGV bzw. das Amtsgericht selbst mit in der Verantwortung stehen, dürfte ebenfalls mit zu prüfen sein im weiteren Vorgehen.
Als erste grobe, allerdings nicht auf alle Bundesländer 1:1 übertragbare Orientierung dürfte u.a. dieser Beschluss des LG Tübingen dienen können:
LG Tübingen > Urteil: eklatante Formfehler der Beitragserhebung/ -beitreibunghttp://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,10569.0.htmlLG Tübingen, Beschluss vom 19. Mai 2014, Az. 5 T 81/14http://openjur.de/u/708173.htmlAuszug:
- Im Vollstreckungsersuchen betreffend Rundfunkbeiträge müssen die Gläubigerin und die Vollstreckungsbehörde korrekt bezeichnet sein.
- Ersuchen mit individuellen Gründen sind nicht "automatisch" erstellt und bedürfen eines Siegels nebst Unterschrift.
- Der öffentlich-rechtliche Rundfunkbeitrag wird erst mit wirksamem Bescheid fällig.
- Die theoretische Möglichkeit des Schuldners, die Höhe des Beitrags selbst zu ermitteln, ersetzt nicht den zu begründenden Bescheid.
- Eine einfache Zahlungsaufforderung ersetzt nicht den Beitragsbescheid (Verwaltungsakt) als Vollstreckungsvoraussetzung.
- Das Vollstreckungsgericht ist befugt, das Vollstreckungsersuchen zu prüfen, wenn offenkundig der Ausgangsbescheid fehlt.
Speziell für das jeweilige Bundesland wären dann die
Verwaltungsvollstreckungsgesetze der Länder zu Rate zu ziehen, im speziellen fiktiven Falle für Sachsen also das
Verwaltungsvollstreckungsgesetz Sachsen[Anm.: leider scheint der Link etwas zu "schwächeln"]Eine gute Übersicht über das
Sächsische Vollstreckungsrechtfindet sich u.a. auf der Seite einer Dresdner Anwaltskanzlei unter
http://brueggen-ra.de/index.php?option=com_content&task=view&id=99&Itemid=123Dem dort u.a. mit verlinkten
Verwaltungsverfahrensgesetz des Freistaates Sachsen - SächsVwVfGist allerdings zu entnehmen:
§ 2 Ausnahmen vom Anwendungsbereich
[...]
(3) Für die Tätigkeit des Mitteldeutschen Rundfunks gilt das Verfahrensgesetz nicht.
In diesem Falle dürfte dann also wohl - man möge mich berichtigen, sofern ich falsch liege - allenfalls das ebenfalls dort mit verlinkte
Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes - (VwVfG)noch zu Rate zu ziehen sein - auffindbar auch unter
http://www.gesetze-im-internet.de/vwvfg/Dem dort ebenfalls mit verlinkten
Sächsisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz - SächsVwVGist zu entnehmen
§ 4 SächsVwVG, Vollstreckungsbehörden, Vollstreckungshilfe(3) Einem Vollstreckungsersuchen nach Absatz 2 darf, soweit nichts anderes bestimmt ist, nur entsprochen werden, wenn es folgende Angaben enthält:
1. die Bezeichnung und das Dienstsiegel der ersuchenden Behörde sowie die Unterschrift des Behördenleiters oder seines Beauftragten; bei einem Vollstreckungsersuchen, das mit Hilfe automatischer Einrichtungen erstellt ist, können Dienstsiegel und Unterschrift fehlen,
2. die Bezeichnung des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes unter Angabe der erfassenden Behörde, des Datums und des Aktenzeichens,
3. die Angabe der Verpflichtung des Vollstreckungsschuldners, im Falle der Beitreibung die Angabe des Grundes und der Höhe der Geldforderung,
4. die Angabe, dass der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist, ein gegen ihn gerichteter Rechtsbehelf kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat oder seine sofortige Vollziehung angeordnet worden ist; im Falle der Vollstreckung aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag die Angabe, dass sich der Schuldner in dem Vertrag wirksam der sofortigen Vollstreckung unterworfen hat und die sonstigen Voraussetzungen der Vollstreckung aus dem Vertrag vorliegen,
5. die Bezeichnung der Person, gegen die sich die Vollstreckung richten soll,
6. im Falle der Beitreibung die Angabe, wann der Schuldner gemahnt worden ist oder aus welchem Grund die Mahnung unterblieben ist.
Grundsätzlich dürfte wohl gelten - und wird von MDR/ Beitragsservice im Vollstreckungsersuchen ja im ersten Satz geltend gemacht, was auch gilt nach
§ 2 SächsVwVG, Allgemeine Voraussetzungen der VerwaltungsvollstreckungEin Verwaltungsakt [...] kann vollstreckt werden, wenn er
1. unanfechtbar geworden ist oder
2. ein gegen ihn gerichteter Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat.
Ein
Widerspruch hat bei öffentlichen Abgaben prinzipiell erst mal keine aufschiebende Wirkung§80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
1. bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten
[...]
d.h. der Betrag müsste theoretisch auch bei Einlegen eines Rechtsbehelfs gezahlt werden, wogegen eigentlich erst mal nur ein ebenfalls mit eingereichter und bewilligter
Antrag auf "Aussetzung der Vollziehung" schützen könnte.
Fragen daher:
Hat Person X mit den fristgerecht eingelegten Widersprüchen gegen alle bisherigen Bescheide auch jeweils Antrag auf "Aussetzung der Vollziehung" gestellt?
Und wie lange ist es her, dass der erste Widerspruch eingelegt und seither ja offensichtlich noch kein offizieller WiderspruchsBESCHEID incl. Rechtsbehelfsbelehrung eingegangen ist?Zu prüfen bzw. in Frage zu stellen wäre dann wohl noch auch die Zulässigkeit der bisher ohne Ausgangsbescheid erfolgten und als Vollstreckungsgrundlage dienenden "Verwaltungsakte" in Form rückwirkender Gebühren-/ BeitragsBESCHEIDe incl. fragwürdigen Säumniszuschlags und überhaupt deren daraus resultierende generell fragliche Gültigkeit...
...hinzu kommt noch die irreführende Bezeichnung als "Gebühren-/ BeitragBESCHEID", bei lediglicher Auflistung der Rechtsgrundlagen für die neue Beitrags- jedoch nicht für die alte Gebührenregelung.
Ungeachtet all dieser Aspekte und ergänzend dazu:
Da erwähnt wurde, dass
Person X wohl die meiste Zeit ALGII-Empfänger gewesen ist, insofern
Anspruch auf Befreiung gehabt hätte, dies aber wohl in in Anspruch genommen hatte, wäre zudem noch zu prüfen, inwiefern z.B. diese Informationen ggf. weiterhelfen könnten:
"Rückwirkende Befreiung ist möglich" für ALG2-Empfänger - mit Beispielhttp://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,11383.0.htmlIn diesem Zusammenhang sollte sich Person X evtl. auch erkundigen, inwiefern ggf.
Prozesskostenhilfe bzw. ein
kostenloser Beratungsschein o.ä. zusteht, um ihre Rechte zu verteidigen.
Unter Umständen könnte Person X auch prüfen - sofern es ihre Lebensumstände, ihre Zukunftspläne und ihr persönliches "Gewissen" erlauben - inwiefern ggf. ein
Pfändungsschutzkonto in Betracht kommen könnte.
Ich bin jetzt erst mal am Ende meiner "Weisheiten".
Wünsche fiktives, gutes Gelingen
Kleine bissige Randbemerkung:
Wer hat wohl trotz des ausdrücklichen Hinweises und Symbols "Bitte nichts heften!" das 3-seitige Vollstreckugnsersuchen dennoch zusammengeheftet...? An alle Mitforisten hier schon der vorsorgliche Hinweis bzw. die gutgemeinte Aufforderung, bitte auf jegliche Empörungskommentare, Mitgefühlsbekundungen o.ä. zu verzichten und nur sachdienliche und möglichst zielführende Hinweise/ Ratschläge in diesem fiktiven Fall abzugeben - und diese nach Möglichkeit auch zu trennen nach bundesweit einheitlich gültigen oder nur auf Sachsen bezogene Aspekte. Danke