Liebe Mitstreiter,
hier also nochmal der komplette Text an das Gericht:
Sehr geehrte Damen und Herren,
in Bezug auf Ihr Schreiben vom 21.2.2017 möchte ich Ihnen mitteilen, daß ich mit der Übertragung des Rechtsstreits auf den/die Einzelrichter/in nicht einverstanden bin.
Zur Begründung möchte ich folgendes anführen:
Wenn ich die Sachlage als Laie richtig verstanden habe, soll die Kammer in der Regel den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn
1. die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
Zu Nummer 1 kann ich - wiederum als Laie - natürlich den Schwierigkeitsgrad schlecht abschätzen, möchte aber als leidenschaftlicher und berufsmäßiger Nomade die Möglichkeit erhalten, das “Nichtbewohnen meiner Ruine“ in rechtlichen Einklang mit dem Vorhandensein einer Meldeadresse zu bringen. Da sich hier das Kernproblem meines Rechtsstreites verbirgt, halte ich die Klärung dieses Umstandes für notwendig.
Zu 2 : Da ich außerdem der Überzeugung bin, daß der RBStV nicht verfassungskonform ist, sehe ich hier eine gewisse „grundsätzliche Bedeutung“, da er einen nicht unerheblichen Teil der ca. 4,5 Mio Beitragszahler betrifft, die laut folgendem Artikel in einem Mahnverfahren stecken:
http://www.tagesspiegel.de/medien/immer-mehr-zahlen-keinen-rundfunkbeitrag-2-2-millionen-vollstreckungsersuchen/12931448.htmlDa Sie mir desweiteren die Möglichkeit einer Stellungnahme geben, möchte ich dies hiermit tun, auch um Ihnen meine persönliche Situation darzustellen, aus der heraus ich in diesen Rechtsstreit mit dem SWR geraten bin:
Allerdings muß ich dazu etwas ausholen, denn schon zu meiner Jugendzeit spürte ich einen unwiderstehlichen Drang zum Reisen, mein erstes Fahrzeug war ein alter Fiat-Bus, den ich mir zum Wohnmobil umbaute. Nach der Bundeswehrzeit, einer 3-monatige Afrikareise und einem abgebrochenen Maschinenbaustudium festigte in mir die Gewissheit: Das Reisen und „den Lebensunterhalt verdienen“ mußten unter einen Hut gebracht werden. Also wurde ich Straßenkünstler, Clown, Marionettist, Stelzenläufer... und bin seitdem mit meinem Circuswagen unterwegs.
Immer wieder gab es aber Probleme mit der Post, trotz Nachsendeauftrag, Postlagernd etc. und leider braucht man in Deutschland eine Meldeadresse. In den ersten Jahren wurde ich zweimal von Amts wegen abgemeldet, einmal bei einem Bekannten (hier war mein Namensschild vom Briefkasten abgefallen) und ein weiteres Mal in einem Projekt für Wagenleute, als jemand dem Briefträger gegenüber behauptete, er würde mich dort nicht kennen. Beide Male war ich mehrere Monate lang in Südeuropa unterwegs gewesen.
Jedenfalls reifte in mir die Ansicht, das etwas Eigenes hermußte, um nicht mehr der Willkür anderer ausgesetzt sein zu müssen. So kam es, daß ich mir 1998 das besagte Objekt kaufte, wo ich seit 1999 angemeldet bin. Es war beim Kauf schon eine Ruine; Renovierungsarbeiten kann ich mir nicht leisten, weder finaziell noch gesundheitlich, da ich mit meinem Rücken keine Lasten mehr heben kann. Mit dem was ich verdiene, konnte und kann ich gerade meine Existenz sichern, aber immerhin kommen und kamen seitdem alle Briefe an, ich war weiterhin sozialversichert, konnte meine Einkommensteuer erklären und hatte keine Probleme mehr - bis zum Auftauchen des Beitragsservice!
Womit wir beim Thema wären: Seit meinem Auszug aus dem Elternhaus habe ich nie einen Fernseher besessen oder mich irgendwie für den Konsum von Fernsehsendungen interessiert. Theater, Spektakel in jeglicher Form, Zeitungen waren mir immer wichtger. Folgerichtig habe ich unter dem vorhergehenden Gesetz legalerweise auch keine GEZ-Gebühren gezahlt.
Alle weiteren Gründe habe ich schon in meinen Widersprüchen zu den Bescheiden dargelegt und muß sie hier nicht wiederholen!
Zum Schriftsatz des Beklagten vom XXX möchte ich jedoch noch ein paar Anmerkungen machen:
* Im 1. Absatz Seite 1 des Schreibens könnte man den Eindruck gewinnen, es hätte eine Anmeldung oder eine Anmeldebestätigung meinerseits gegeben. Dem ist in keinster Weise so, ich bin - wie viele andere Bürger auch - von diesem „Service“ zwangsangemeldet worden.
Auf der Seite 3 unter II. im 4. Absatz glaubt der Beklagte einen Widerpruch in meinen Ausführungen zu erkennen (evt., weil ich in einem Schreiben von einem Haus in einem anderen von einer Ruine spreche???). Damit Sie sich selbst ein Bild davon machen können, habe einige Fotos gemacht, die ich dem Schreiben beifüge. Einen Widerspruch kann ich da keinen erkennen, stehe aber gerne für eine Ortsbegehung zur Verfügung.
Im selben Absatz führt der Beklagte im letzten Satz an, ich würde die Anschrift in XXX ja auch als Korrespondenzadresse verwenden. Womit er wohl sagen möchte, wo eine Korrespondenzadresse ist, ist ein Briefkasten, wo ein Briefkasten ist, ist eine Wohnung, wo eine Wohnung ist, ist ein Fernseher, wo ein Fernseher ist, ist jemand, der ihn anschaltet und schaut. Verkürzt gesagt: wo eine Korrespondenzadresse ist, darf ich Rundfunkbeiträge einfordern!
Auf den Seiten 3 und 4 spricht der Beklagte 6 mal in verschiedenen Formulierungen davon, daß ich an meiner Meldeadresse „vermutlich“ wohne. Ich habe diesem mehrfach widersprochen und habe mich vergeblich erkundigt welche Unterlagen ich zurückschicken soll, um diese Vermutung zu widerlegen. Der Beitragsservice hat nichts unternommen, um seine Vermutung zu erhärten und wirft mir nun vor, ich hätte diese „gesetzliche Vermutung bislang nicht widerlegt“. Muß ich eine Vermutung widerlegen, oder ist der Beitragsservice/SWR nicht gesetzlich dazu verpflichtet aus einer Vermutung zu einer Gewißheit zu kommen?
Auf Seite 4 1. Absatz zitiert der Beklagte den §11 Abs. 1 des Melderechtsrahmengesetzes, wonach jede Person sich anzumelden habe, die eine Wohnung bezieht. Abgesehen davon, daß dieses Gesetz schon seit dem 1. November 2015 außer Kraft getreten ist, betrifft es mich doch im eigentlichen Sinne nicht, denn ich habe diese „Wohnung/Ruine“ ja nicht bezogen.
Im nächsten Satz behauptet der Beklagte (ohne eine Gesetzesquelle anzugeben), jemand begehe eine Ordnungswidrigkeit, in dem er eine Anmeldung für eine Wohnung vornimmt, die er nicht bezieht. Meine - zugegebenermaßen laienhafte und vielleicht unvollständige - Internetrecherche konnte nur folgende Information des „Tagesspiegel“ aus dem Jahr 2005 in Berlin zu Tage fördern. Nachzulesen hier:
http://www.tagesspiegel.de/verbraucher/kontrolliert-wird-nicht/653288.html. Es ging dort um Eltern, die sich für einen Monat woanders angemeldet hatten, um ihre schulpflichtigen Grundschulkinder in die entsprechende gewünschte Grundschule zu bekommen! § 30 des damaligen Gesetzes sah in der Tat vor, ein solches Vorgehen als Ordnungswidrigkeit mit bis zu 500,-€ zu belegen. Noch ein Zitat aus dem Artikel: Doch zu einem Bußgeld kommt es in aller Regel nicht. „Das ist keine Straftat und wir sind auch nicht die Polizei“, sagt Mechthild Bloch, Leiterin des Amtes für Bürgerdienste in Berlin. So ist es: der Bürgerdienst 2005 in Berlin ist nicht der Beitragsservice/SWR 2017 in Rheinland-Pfalz (der gerne Polizei spielen würde und veraltete Gesetze zitiert). Im neuen BMG steht unter
§ 54 Bußgeldvorschriften:
Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 17 Absatz 1, auch in Verbindung mit § 27 Absatz 2 Satz 2 oder § 28 Absatz 1 Satz 1 oder Satz 2, entgegen § 29 Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 4 Satz 2 oder § 32 Absatz 1 Satz 2 sich nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig anmeldet.
Es ist also klar, daß ich keine Ordnungswidrigkeit begangen habe! Auch darum ist der im nächsten Satz gezogene Schluß des Beitragsservice/SWR, „daß die melderechtlich erfasste Person die jeweilige Wohnung selbst bewohnt“ ein Trugschluß! Es muß also auch keine wie immer lautende Vermutung durch Zeugenaussagen erhärtet oder widerlegt werden. Im Gegenteil: Im §27 (2) BMG heißt es: Wer im Inland nach § 17 oder § 28 gemeldet ist und für einen nicht länger als sechs Monate dauernden Aufenthalt eine Wohnung bezieht, muss sich für diese Wohnung weder an- noch abmelden. Da meine Tourneen selten länger als 3 Monate dauern (in diesen Zeiträumen stelle ich dann natürlich auch einen Nachsendeantrag wg. vorübergehender Abwesenheit) und ich in der übrigen Zeit durchschnittlich alle 2 Wochen vor Ort bin um nach dem Rechten zu sehen und die Post abzuholen, steht mein Verhalten nicht im geringsten Widerspruch zum Meldegesetz! Die Meldebehörde ist in den vergangenen 18 Jahren auch noch nie in der Sache bei mir vorstellig geworden.
Jetzt zu dem Vorwurf der Treuwidrigkeit: Auch hier möchte ich vorausschicken, daß ich ein juristischer Laie bin, und einige Stunden Internetrecherche kein Jurastudium ersetzen können! Aber der Vorwurf scheint mir doch stark an den Haaren herbeigezogen. Es fängt schon bei der Definition an: Der Duden online z.B. kennt diesen Begriff nicht einmal! Bei Wikipedia findet man: Prinzipiell ist der Grundsatz von Treu und Glauben nur innerhalb einer Sonderverbindung (also etwa einer Vertragsbeziehung) anwendbar, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 242 BGB entnehmen lässt. Da ich aber weder mit der Meldebehörde noch mit dem Beitragsservice/SWR ein Vertragsverhältnis habe, stellt sich die Frage, ob man den Begriff hier überhaupt verwenden sollte. Weiter unten im Text heißt es : Kontroversen bestehen darüber, ob der Grundsatz von Treu und Glauben auch im Öffentlichen Recht und dabei insbesondere im Verwaltungsverfahrens- und im Prozessrecht Anwendung findet. Laut Rechtslexikon.net ist der aus § 242 BGB abgeleitete Grundsatz, daß ein widersprüchliches Verhalten im Rechtsleben unzulässig ist, ... wenn er sich in seinem jetzigen Verhalten oder seiner jetzigen Argumentation in unlösbarem Selbstwiderspruch zu seinem früheren Verhalten und seiner früheren Argumentation befinden würde.
Wenn mir also der Beklagte Treuwidrigkeit vorwirft, müßte ich im übertragenen Sinne mich früher anders verhalten haben bzw. argumentiert haben als heute. Stimmt das? Nein, denn seit 1999 bis heute bin ich dort ununterbrochen gemeldet, ich habe noch nie der Meldebehörde gegenüber behauptet dort eingezogen zu sein, wie es mir der Beitragsservice/SWR unterstellt. Wie ich weiter oben bereits gezeigt habe, ist das auch keine Ordnungswidrigkeit. Und den Beitragsservice/SWR habe ich von Anfang an darauf hingewiesen, daß es sich hierbei nicht um eine Wohnung im Sinne des RBStV handelt. Wo ist also die Treuwidrigkeit? (Anmerkung: Ich werde nicht so weit gehen, dem Gesetzgeber eine solche Treuwidrigkeit vorzuwerfen, aber es könnte einen doch nachdenklich stimmen, wenn man bedenkt, daß man sich vor der Gesetzesänderung - bei gleichem Tatbestand - von der Gebühr befreien lassen konnte und danach nicht mehr, sich der Gesetzgeber also heute in der Tat in einem Widerspruch zu seinen früheren Argumenten befindet!)
Auf Seite 4 im letzten Absatz weist der Beklagte darauf hin, daß die Beitragspflicht mit dem Innehaben einer Wohnung beginnt. Das BMG sagt im § 20 (2): Objekt. Im RBStV § 3 wird die Wohnung etwas weiter definiert, nämlich als zum Wohnen oder Schlafen geeignet oder genutzt. Da sich im Laufe meiner Argumentation wohl gezeigt haben dürfte, daß das Objekt hier weder zum Wohnen oder Schlafen genutzt wird, noch dafür geeignet ist, ist das betreffende Objekt also nicht als Wohnung anzusehen, sondern als das, was es ist: Eine alte Immobilie im fortgeschrittenen Verfallsstadium! Dementsprechend möchte ich das Gericht bitten meiner Klage stattzugeben.
Den Rest des Schreibens verwendet der Beklagte darauf, mir glaubhaft machen zu wollen, daß ich - wenn ich erstmal gezahlt hätte - ja meine Beiträge/Säumniszuschläge nach einem Gerichtsbeschluß auch wieder zurückbekommen hätte (wäre ja noch schöner, wenn dem so nicht wäre). Darauf möchte ich aber jetzt nicht eingehen und behalte mir vor, später noch einmal darauf zu antworten.
Ich beantrage hiermit die Anberaumung eines Ortstermins um 1. meine Ausführungen zur Widerlegung der Wohnungsvermutung und 2. die Unbewohnbarkeit des Objektes beweisen zu können.
Anlage: 2. Ausführung des Schriftsatzes und Fotoabzüge für den Beklagten
z.Zt. XXX, XX.2017
Unterschrift