Ein guter Artikel in der "Hauszeitung" der Politiker in Hannover.
An der Armutsgrenze
(rb) Die öffentlich-rechtlichen Sender sind immer wieder gut für eine Skandalmeldung. Mal geht es um die leicht gemachte Möglichkeit, sich bei den Sendern zu Nebenverdiensten zu verhelfen oder mit Mogeleien und Betrügereien Geld zu generieren. Zumeist aber wird über die angeblich mickrige Finanzausstattung gejammert, über viel zu wenig Geld, das sie per Abgaben von jedem Bürger kassieren, ob dieser die Sender nun will oder nicht. Jeder weiß in diesem Lande, dass dieses Klagen auf außergewöhnlich hohem Niveau erfolgt. In der Regel aber finden die Sender viel Rückhalt bei den Politikern, weil die Parteien allesamt irgendwie bei den Sendern involviert sind, sei es in den Verwaltungs- oder Rundfunkräten, sei es, dass sie die Sen-der auch mal gern als Rückzugsgebiet für verdientes Parteipersonal benutzen. Man braucht einander und tut sich nicht weh.
Umso dankbarer muss man sein, dass der Spiegel endlich mal öffentlich gemacht hat, was die kundigen Thebaner längst wussten: die Überversorgung der Sender-Chefs und ihre Selbstbedienung bei den eigenen Tochtergesellschaften („Die Aufstocker"). Da klingt es schon wie eine frohe Botschaft, dass als einziger der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, auf solche Zusatzeinnahmen verzichtet hat. Sein Gehalt, immerhin 309 720 Euro, reicht offenbar auch so zum Überleben. Nicht hinnehmbar ist es, dass nur zwei Intendanten weniger verdienen als die Bundeskanzlerin: die Intendanten des Saarländischen Rundfunks und des RBB (Rundfunk Berlin-Brandenburg) mit 216 762 bzw. 228 000 Euro. Angela Merkel kommt da sehr bescheiden daher; sie verdient 233 271 Euro. Klagen sind von ihr bislang nicht bekannt geworden. Nicht einmal über ihren Arbeitszeitaufwand, der deutlich über dem der Intendanten liegt.
Besonders heftig hat es die ausgeschiedene Intendantin des Westdeutschen Rundfunks, Monika Piel, getrieben: Sie kassierte am Ende 352 000 Euro Jahresgehalt, das sie vermutlich wegen Armutsangst um 58 922 Euro Nebenverdienste durch Tätigkeiten in den Aufsichtsgremien der Tochtergesellschaften aufzubessern wusste. Der staunende, sicherlich auch neidische Zuschauer/Zuhörer des NDR wird sich wundern, dass NDR-Intendant Lutz Marmor sein Gehalt von 305 864 Euro durch 27 000 Euro an Nebenverdiensten ergänzen musste, darunter auch Mandate bei zwei Banken und Versicherungen, die damit vielleicht auch erhoffen, sich vor Recherchen des Senders zu schützen.
Es ist müßig, darüber zu streiten, ob es sinnvoll ist, dass Sender-Chefs so viel mehr verdienen müssen als die Kanzlerin oder die Mehrheit der Ministerpräsidenten. Man landet dann schnell wieder bei der Diskussion über die Verdienste der bekannten Sparkassendirektoren. Das muss nicht sein. Ein wenig mehr Transparenz oder weniger Geheimnistuerei aber wären schon von Vorteil. Es geht immerhin um das Geld der Gebührenzahler, denen man bei den Sendern augenscheinlich keine Offenlegung der Kostenstrukturen der Sender zumuten möchte. Sicher ist aber, dass keiner der Intendanten mit der Kanzlerin tauschen wollen würde. vb