Märkische Oderzeitung
28.02.2013 17:12:09 Uhr
Elisabeth Alter
"Die 15.Novelle des Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist mit allen Ländern auf bundesebene entschieden wurden. Gerechtigkeit für alle gibt es nicht, die Entscheidung, (...), die ich nicht teile, aber nicht beeinflussen kann. Neu ist, dass für die Wohnung bzw. Betriebsstätte, egal wie viele Geräte vorhanden sind ein Beitrag nur zu zahlen ist. Wobei der Prozentsatz derer, die weder Radio noch Fernseher besitzen sehr klein sein wird, ich persönlich kenne leider keinen Bürger."
Quelle: http://www.moz.de/nc/kommentare/mc/1110619/216/1/
Eigentlich habe ich den Kommentar so verstanden: " (...), die Entscheidung, (...), die ich nicht teile, aber nicht beeinflussen kann. (...)" (Elisabeth Alter)
Das heißt, in den Verhandlungen zum Vertrag hat sie diese Meinung geäußert, und plappert jetzt das nach, was man ihr bei den Verhandlungen entgegengehalten hat: "Gerechtigkeit für alle gibt es nicht."
Wenn also 16 Bundesländer den Vertrag abgeschlossen haben, werden die Medienausschüsse neben den Landesregierungen mitverhandelt haben. Dabei geht es zu wie auf dem Marktplatz: "Kommst Du mir in dieser Frage entgegen, komme ich Dir in einer anderen Frage entgegen." Und da dies wahrscheinlich sehr stressig ist, gibt es dann irgendwann die Plattitüde: "Gerechtigkeit für alle gibt es nicht." Und das in einer Zeit, die nach Gerechtigkeit schreit.
Natürlich gibt es Gerechtigkeit für alle in dieser Frage: "Wer bestellt, bezahlt!" Und wenn man aus sozialpolitischen Gründen Teile der Bevölkerung Fernsehen lassen will, dann kann man sie ja davon befreien. Mit der zeitgemäßen (Björn Böhning) PIN ist das Problem gelöst. Und wenn man Angst hat, daß der ÖRR ausgegrenzt wird, beauftragt man eben das Bundesamt für Informationstechnik eine datenschutzgerechte Hardware-Lösung zu entwickeln bzw. entwickeln zu lassen, so daß RTL-Zuschauer eben mitzahlen. Bei der LKW-Maut funktionierte es doch auch irgendwann.
Und wenn das Argument kommt: Das ist Ländersache!?
Wer verbietet es denn, daß die Länder selbst einen solchen Auftrag in Gang zu setzen? Aber auch das Bundesamt und Bundesregierung sind an das Grundgesetz gebunden: Artikel 5 und seine Interpretation ist auch vom Bundesamt zu beachten. Wo also liegt das Problem?
Die jetzige Lösung geht doch dahin, daß diejenigen, die am wenigsten mit Rundfunk und Fernsehen zu tun haben, am wenigsten an dem Entscheidungsprozess beteiligt wurden und den größten Schaden haben. Sie wurden einfach nicht wahrgenommen. Allein daran kann man erkennen, wie stark die Fernsehsucht schon verbreitet ist. Wie meinte Frau Alter?: " (...) ich persönlich kenne leider keinen Bürger."
Man läßt sich einfach eine dreifache Stichprobe (Oliver Jörg) anfertigen und leitet aus dieser die gesellschaftliche Realität ab.
Einer Umfrage (YouGov) zufolge sind 43 Prozent der Befragten zufrieden, daß die Wohnungen nicht mehr kontrolliert werden. 57 Prozent haben demnach entweder keine Meinung dazu oder hatten nichts gegen die Kontrollen. Wenn man also dieser Umfrage Glauben schenkt, haben die Volksvertreter der 16 Bundesländer den Vertrag nicht als Repräsentanten eines "demokratischen" (weil Mehrheitsherrschaft) "Rechtsstaat" (weil Rechtsnormen als Wille der Mehrheitsherrschaft) verabschiedet, sondern weil: "Gerechtigkeit für alle gibt es nicht."
Wenn es aber keine "Gerechtigkeit" für alle gibt, bleibt nichts anderes übrig, als sie sich bei Gericht einzuholen, das nach "Gesetz" und "Recht" zu entscheiden hat.
In dem Wort "Gerechtigkeit" steckt das Wort "Recht". Das Etymologische Wörterbuch meint zum Wort "gerecht": "'den geltenden Rechtsnormen entsprechend, rechtlich, rechtmäßig', ahd.
gireht Adj. 'gerade, aufrecht, richtig, rein' (um 900, zuvor schon
ungireht 'unrecht, böse', 8. Jh.),
girehto Ads. Konj. Interj. 'gewiß, fürwahr, nämlich' (9. Jhr.), (...)" Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, München 1997, S. 431
Frau Elisabeth Alter bestätigt mit ihrem Leserbrief selbst, daß der Vertrag ungerecht ist. Zieht man die althochdeutsche Bedeutung von "Gerecht" heran, ist der Vertrag "böse" und "unrecht". Die in diesem Vertrag fixierten Normen sind somit zumindestens teilweise nicht "Recht", sondern "Unrecht" (althochdeutsch). Und wenn Frau Elisabeth Alter in den Verhandlungen zum Vertrag zu hören bekam: "Gerechtigkeit für alle gibt es nicht.", hat man ihr demnach auch implizit entgegengehalten - vielleicht ohne sich dessen dabei bewusst gewesen zu sein - : "Laß' uns ein ungerechtes Gesetz verabschieden!"
Konservativen müsste der jetzige Vertrag eigentlich ein Graus sein, da das "Bewahren" des Rechts zu ihren Kernkompetenzen gehören müsste. Wenn sie aber ein "unrechtes" Gesetz mit verabschiedet haben, haben sie damit gegen ihre eigene Maxime verstoßen.