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Gesundheitsschädlichkeit des Fernsehens
Bedrängter:
Bei der Betrachtung der Solidarpflichtigkeit für Zahlung des Rundfunkbeitrag steht in erster Linie die Finanzierung der Arbeitsplätze des Medienapparats der öffentlich-rechtlichen Anstalten im Vordergrund. In der Diskussion steht also das Geld im Vordergrund, weniger Beachtung findet der Aspekt der Gesundheit bzw. der Verträglichkeit von Fernsehen mit der kollektiven Gesundheit. Dieser Thread soll Platz bieten für eine Gesundheitsdiskussion über das Fernsehen, das sich in knappen Worten zusammenfassen läßt: Fernsehsucht und Überwindung der Einsamkeit durch die Teilnahme an einer Gemeinschaft, die gar nicht anwesend ist.
Wenn Fernsehen für einen Säugling schädlich ist, ist Fernsehen auch schädlich für den Erwachsenen.
http://www.urbia.de/archiv/forum/th-405795/Fernseh.html
"(...) Genau hier liegt das Problem des Fernsehens - es bietet nur an, kann sich aber dem Säugling nicht anpassen. Deshalb muss aus kinderärztlicher und psychotherapeutischer Sicht jegliches Fernsehen im Säuglingsalter streng abgelehnt werden.
Univ.-Prof.Dr.Marguerite Dunitz-Scheer
Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Graz"
Auf Ihrer Homepage kann man ihre Meinung auch direkt zur Kenntnis nehmen:
http://www.docs4you.at/Content.Node/Spezialbereiche/Psychosomatik/Fernsehen--Univ-ProfDrMarguerite-Scheer-Dunitz.php
"Fernseher, Univ.-Prof.Dr.Marguerite Dunitz-Scheer
F: Welche negativen Folgen für ein Neugeborenes können auftreten, wenn das Gitterbett einen Meter vor dem Fernseher steht, der dauernd eingeschaltet ist, obwohl niemand zuschaut ?
A: Auf diese Frage kann ich nur sagen: Es ist sehr bedenklich und eigentlich traurig, dass so etwas überhaupt gefragt werden muss.
Obwohl es keine wissenschaftlichen Daten zu dieser Fragestellung im Detail gibt, ist die Antwort sicherlich, dass eine Fülle von nicht absehbaren psychologischen, interaktiven und möglicherweise auch sensorisch-medizinischen, negativen Folgen für das Baby zu befürchten ist.
Durch die unselektierte und permanente Reizüberflutung ist die Entwicklung von Seh- und Hörschäden nicht auszuschließen, vor allem aber ist die Entwicklung einer völlig kranken Beziehung des Kindes zu seiner belebten und unbelebten Umwelt zu erwarten.
Interaktiv analysiert, würde ich sogar so weit gehen, dass die beschriebene Situation mit einer schweren Kindesvernachlässigung zu vergleichen ist und bei Prüfung des geschilderten Tatbestandes eine sofortige Veränderung des Umfeldes des Kindes gefordert werden muss!
Dieser Artikel wurde bereits als Pressetext in der Kategorie "Die Ganze Woche - Österreichs Kinder- und JugendärztInnen beantworten Leserfragen", Artikel aus dem Jahr 2005, publiziert, zu sehen unter Fernseher.
*) Mitglied der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde
Erstellt am 30.8.2010 "
Aber nicht nur für Kinder sind durch Fernsehen gefährdet, auch Erwachsene:
http://www.abendblatt.de/hamburg/article504728/Wenn-das-Ausschalten-immer-schwerer-faellt.html
27.11.07
Fernsehsucht: Unterschätzte Gefahr
Wenn das Ausschalten immer schwerer fällt
Von Kilian A. Petersen
Viele Menschen setzen sich für ein generelles Rauchverbot in öffentlichen Räumen, wie auch gegen Drogen ein, um andere Menschen vor einer Sucht zu bewahren. Doch vergessen viele, dass es auch andere Drogen gibt. Ich spreche über eine ganz alltägliche Droge: den Fernseher. Ich habe schon in den Medien viel über verschiedene Suchtarten gehört, aber sie haben immer den Fernseher ausgelassen, obwohl die Fernsehsucht genauso gefährlich werden kann.
Fernsehsucht fängt am Anfang harmlos an. Zuerst schaut der Zuschauer sich nur seine Lieblingssendung an, durch Programmhinweise in den Werbungen erfährt er von anderen Sendungen. Man gewöhnt sich an, mehrere Sendungen am Tag und in der Woche zu schauen, um die Handlungen der Serien zu verfolgen und sich in das Leben der gespielten Personen hineinzuversetzen. Da die Serien jeden Tag oder einmal in jeder Woche laufen, muss der Zuschauer einschalten, um nichts zu verpassen. Man empfindet es als entspannend, vor dem Fernseher zu sitzen.
Insbesondere sind Kinder zwischen 10 und 17 Jahren gefährdet, dieser Sucht zu verfallen. Denn in diesen Jahren sind die Stimmungsschwankungen sehr hoch, die durch Ereignisse in ihrem Umfeld ausgelöst werden. Ich selber habe manchmal keine Lust mehr, Aufgaben zu erledigen, die mir im Haushalt oder in der Schule aufgegeben worden sind. Dieses Aufschieben von Aufgaben bewirkt, dass das Kind in einen Stresszustand kommt. Diesen Stress versucht man, durch andere Aktivitäten auszugleichen.
Man schaltet den Fernseher an, der einem ein beruhigendes Gefühl gibt. Sobald aber der Fernseher ausgeschaltet ist, verfällt man wieder in den Stresszustand, den man versucht hatte zu verdrängen. Die Probleme holen einen ein. Das Ausschalten fällt einen immer schwerer. Die schulischen Leistungen werden so kontinuierlich schlechter, und ein Teufelskreis entsteht. Auch die Konzentration lässt nach. So vergisst man schneller, dass man etwas im Haushalt erledigen muss. Die Vergesslichkeit führt manchmal zum Konflikt mit den Eltern, und das Kind kommt wieder in eine Stresssituation. Man flüchtet in das Zimmer und schaltet zur Beruhigung den Fernseher an.
Erstaunlich ist, dass immer mehr Kinder einen eigenen Fernseher in ihrem Zimmer stehen haben. Die Folgen von langem Fernsehschauen sind Schlafbeschwerden, Müdigkeit und Aggressivität.
Doch nicht nur Kinder sind gefährdet, fernsehsüchtig zu werden, ebenso auch Erwachsene. Viele Deutsche sitzen mehr als drei Stunden pro Tag vorm Fernseher. Der TV-Konsum von 50- bis 64-Jährigen liegt im Durchschnitt bei 245 Minuten pro Tag. Über 65-Jährige schauen im Durchschnitt sogar 285 Minuten - ganze fünf Stunden pro Tag (Quelle: GFK/Tagesspiegel).
Meistens merkt man selber den überdosierten Konsum von flackernden Bildern auf seinem Bildschirm nicht. Es ist eine Sucht, die wie jede andere Sucht entsteht.
Kilian A. Petersen, 10 a,
Johannes-Brahms-Gymnasium"
Wieviele pennen beim Fernsehen ein? Wieviele benötigen Fernsehen, um einschlafen zu können, um dann Mitten in der Nacht aufzuschrecken, weil dann irgendein Lärm aus dem Fernsehen plötzlich kommt? In welchen Krankenhäusern gibt es KEIN Fernsehen, um die Patienten ruhigzustellen?
http://www.gez-abschaffen.de/Neu2012/Interview-Wurzel.pdf
Auf diesen schädlichen Aspekt des Fernsehens kommt auch Bernd Höcker in seinem Aufsatz auf Seite 2 zu sprechen.
Der Rundfunkbeitrag für jeden Haushalt soll somit dabei mithelfen, die schädlichen Auswirkungen des Fernsehens auf seine Mitbürger mitfinanzieren helfen.
Jedes Gesetz wäre obszön, das gebieten würde, Alkoholikern ihre Sucht zu finanzieren. Die Zigarettensucht wird sogar aggressiv von staatlicher Seite bekämpft. Dem Zigarettensüchtigen wird sogar ein schlechtes Gewissen eingehämmert.
Aber beim Fernsehen soll dies anders sein?
Bedrängter:
http://de.wikipedia.org/wiki/Verhaltenssucht
"Fernsehabhängigkeit [Bearbeiten]
Als Fernsehabhängigkeit bezeichnet man das zwanghafte Verlangen, Fernsehen zu schauen. Umgangssprachlich weit verbreitet ist der Begriff Fernsehsucht. Fernsehabhängigkeit ist eine Medienabhängigkeit, wobei als Alleinstellungsmerkmale der passive Konsum und der fehlende soziale Aspekt genannt werden müssen. Es existieren derzeit keine allgemein akzeptierten Diagnosekriterien zur Feststellung der Abhängigkeit.
Merkmale einer Fernsehabhängigkeit können sein:
Unruhe bis Unwohlsein, Aggressivität, Lustlosigkeit und Passivität, wenn kein Fernseher läuft oder es ruhig ist.
Sofortiges, reflexartiges Einschalten des Fernsehers, sobald man nach Hause kommt.
Fernsehschauen ohne vorherige Planung und Interesse an den Inhalten, damit einher geht oft stundenlanges Zapping, also Durchschalten der Kanäle, ohne dass man etwas findet, was man sehen möchte und ohne dass man den Fernseher ausschalten kann."
Bedrängter:
http://www.sucht.com/arten/fernsehsucht
"Fernsehsucht
Hinter dem Begriff Fernsehsucht verbirgt sich das zwanghafte Verlangen, unentwegt Fernsehen zu schauen. Die Wirkung des Mediums ist beruhigend, der Betroffene fühlt sich wohl und ausgeglichen. Wir das Gerät jedoch abgeschaltet, machen sich Leere und ein Gefühl der Schlappheit breit. Die Entwicklung zur Fernsehsucht hin ist ein schleichender Prozess. Erste Anzeichen lassen sich erkennen, wenn man kaum noch Aktivitäten erledigen kann, ohne dass der Fernseher nebenbei läuft. Auch das sofortige Einschalten des Fernsehers, wenn an nach Hause kommt, deutet auf Symptome der Fernsehsucht hin. Des weiteren gehört stundenlanges Zappen zur Fernsehsucht, man schaltet in den Programmen hin und her, ohne etwas Interessantes zu entdecken, kann das Gerät aber dennoch nicht ausschalten. Fernsehsucht ist deswegen so gefährlich, weil sie durch uralte Instinkte zustande kommt. Die sogenannte Orientierungsreaktion sorgte schon immer dafür, dass bei plötzlichen Bewegungen die Aufmerksamkeit geweckt wird. Diese Reaktion war und ist überlebensnotwendig, um auf plötzliche Bewegungen wie Autos reagieren zu können. Früher diente die dem Schutz gegen Raubtiere. Die Bewegungen im Fernsehen erzeugen eine ähnliche Reaktion, der Körper wird dabei jedoch in einen Ruhemodus versetzt, das Gehirn verarbeitet die Bilder. Wird der Fernseher ausgeschaltet, kann der Körper nicht lange in diesem Ruhemodus bleiben, das Gehirn erhält keine Reize mehr, die Folge sind Leere und Passivität. Im Falle von Fernsehsucht ist der Besuch bei einem Arzt oder einer Beratungsstelle angeraten."
Jetzt weiß man wenigstens, was man von Leuten zu halten hat, die sich nicht vorstellen können, daß jemand keinen Fernseher hat und auch nicht fernsehen. Immerhin dominieren diese Leute die Diskussion um den Rundfunkbeitrag. Und das Statistische Bundesamt dient als Waffe.
Bedrängter:
http://www.ejz.de/cgi-bin/pipeline.fcg?userid=&publikation=28&template=arttextarchiv&ausgabe=23862&archiv=1&redaktion=28&artikel=107339197
"Im Bann der
Prävention gegen Fernseh- und Internetsucht
mh Hitzacker. »Wir sind in einem Zustand der Ratlosigkeit», bekannte Uwe Buermann. Der Medienpädagoge aus Hamburg referierte in der Freien Schule Hitzacker im Rahmen der dortigen Präventionswoche über das Phänomen Fernsehsucht.
Erst vor kurzem habe die Weltgesundheitsorganisation das hemmungslose Abtauchen in virtuelle Welten als Krank-heit definiert. Nach deren Kriterien könnten allein in Deutschland sechs Millionen Menschen suchtgefährdet sein. Realitätsverlust, Hyperaktivität und Unkonzentriertheit seien die Folgen. Mediensüchtige ziehen sich in ihre Welt zurück und verlieren soziale Kontakte. Für sie sind - so Buermann - »Seifenopern, Talkshows, Computerspiele und Chatrooms realer als die Realität». Er machte seine Zuhörer auf die vielfältigen Gefahren aufmerksam. So habe Fernsehen messbar eine willensdämpfende Wirkung. »Selbst ein ,Zappelphilipp» wird vor dem Bildschirm ruhig», aber »jedes Kind hat das Bedürfnis nach Bewegung: Je mehr diese Impulse ruhiggestellt werden, desto hefti-ger brechen sie woanders auf.» Vor allem das frühkindliche Fernsehen sei nachweislich gesundheitsschädlich. Chronische Augenschäden seien die Folge. Buermann: »Die Entwicklung der Augenmuskeln ist erst mit dem neunten Lebensjahr abgeschlossen.» (...)" (Elbe-Jetzel-Zeitung)
Und bei Weigerung der Bezahlung der Förderung der Fernsehsucht soll man ins Gefängnis?
Bedrängter:
Einen interessanten Artikel zum Thema Fernsehsucht bietet Spektrum der Wissenschaften. Er ist unter dem Link: http://www.spektrum.de/alias/pdf/6079/828685?file abrufbar und ist kostenlos. Im folgenden sind die wichtigsten Passagen aus dem Artikel zitiert. Interessant dabei ist, daß u.a. siebzig Prozent der U.S.-Amerikaner sich für fernsehsüchtig halten. Es ist somit der Mehrheit der Bevölkerung tatsächlich bewusst, daß irgendwie etwas falsch läuft, ist aber gleichzeitig unfähig, das eigene Verhalten selbstbestimmt entsprechend der eigenen Erkenntnis zu bestimmen. Die Psychiatrien und das damit zusammenhängende fachliche Personal wird mit dieser Realität konfrontiert, sind aber unfähig gegen die Allmacht der TV-Präsenz etwas auszurichten. Auf der politischen Ebene wurde aber bis heute verhindert, den Begriff der Verhaltenssucht in die entsprechenden medizinischen Klassifikationen der WHO einzuführen. Dies hat insofern eine Auswirkung, weil diese Klassifikationen den Ärzten die Kodierung für die Diagnose vorgeben. Was es also nicht gibt - jedenfalls nicht offiziell -, kann ja dann auch keine Krankheit sein:
"Fernsehsucht
Wenn Fernsehen zur Droge wird
(...)
Nicht nur chemische Substanzen können süchtig machen: Manche Menschen werden von Spielautomaten magisch angezogen, andere sind von sexuellen Begierden wie besessen. Doch ein suchtähnliches Verhalten fällt durch seine Allgegenwart aus der Reihe - die beliebteste Freizeitaktivität der Welt, das Fernsehen.
(...)
Seit Jahrzehnten werden die Auswirkungen des Fernsehkonsums wissenschaftlich untersucht, insbesondere die Frage, ob der häufige Anblick von Gewalt im Fernsehen zu gewalttätigem Verhalten führt. Weniger Aufmerksamkeit widmete man dem verführerischen Reiz der Mattscheibe selbst, das heißt, dem Medium im Gegensatz zur Botschaft.
Der Ausdruck 'Fernsehsucht' ist sicherlich unpräzise und keineswegs wertfrei, doch er trifft den Kern eines echten Phänomens. Psychologen und Psychiater definieren 'Abhängigkeit' als eine Störung mit folgenden Merkmalen: Der Betroffene verbringt einen großen Teil seiner Zeit mit dem Konsum des Suchtmittels; er konsumiert es häufiger als er eigentlich will; er denkt daran, den Konsum zu reduzieren oder unternimmt wiederholt erfolglose Versuche dazu; er gibt wichtige soziale, familiäre oder berufliche Tätigkeiten auf, um das Suchtmittel zu konsumieren; und er berichtet von Entzugserscheinungen bei Einstellung des Konsums.
(...)
Fernsehen verschlingt erstaunlich viel Zeit. Die Menschen in den Industrieländern opfern dafür im Mittel drei Stunden täglich - die Hälfte ihrer Freizeit und mehr als für jede andere Einzelaktivität außer Arbeiten und Schlafen. Wer dies 75 Jahre lang durchhält, hat volle neun Jahre seines Lebens vor der Mattscheibe gesessen. Gibt sich der Mensch womöglich einfach deshalb dem Fernsehen hin, weil es ihm Spaß macht und er sich bewusst dafür entscheidet? Wenn dem so wäre, warum bereitet der Fernseh-konsum dann so vielen Menschen ein schlechtes Gewissen? In Umfragen des Gallup-Instituts aus den Jahren 1992 und 1999 gestanden vierzig Prozent der Erwachsenen und siebzig Prozent der Jugendlichen: 'Ja, ich sehe zu viel fern'. Andere Studien ergeben übereinstimmend, dass zehn Prozent der Erwachsenen sich als fernsehsüchtig einstufen.
Fernsehen entspannt - solange es läuft
Um mehr über die Reaktionen des menschlichen Körpers auf das Fernsehen herauszufinden, beobachteten einige Forscher bei Versuchspersonen, die im Dienst der Wissenschaft in die Röhre guckten, die Hirnstromkurven mittels Elektroenzephalogramm (EEG) sowie den Hautwiderstand und die Herzfrequenz. Wir wollten hingegen Verhalten und Emotionen lieber im normalen Alltagsleben erfassen statt unter künstlichen Laborbedingungen; zu diesem Zweck benutzten wir die Erlebens-Stichproben-Methode (englisch Experience Sampling Method, ESM). Unsere Testpersonen trugen eine Woche lang einen Pieper bei sich, und wir piepten sie sechs- bis achtmal pro Tag an, damit sie jeweils auf einer standardisierten Auswertungskarte notierten, was sie gerade taten und wie sie sich fühlten.
Wie nicht anders zu erwarten, berichteten die Probanden, die gerade fernsahen, von einem entspannten und passiven Gemütszustand. Überraschend ist jedoch folgendes Resultat: Sobald der Ausschaltknopf gedrückt wird, bricht das Gefühl von Entspannung ab, aber der Eindruck von Passivität und reduzierter Wachheit besteht weiter fort. "Es ist, als ob das Fernsehen meine Energie absorbiert oder aussaugt und mich irgendwie leer zurücklässt", meinten Teilnehmer der Studie. Allgemein gaben die Probanden an, sich nach dem Fernsehen schlechter konzentrieren zu können als vorher. Hingegen erwähnten sie nach dem Lesen nur selten solche Schwierigkeiten. Nach Sport oder Ausüben eines Hobbys berichteten die Teilnehmer meist von einer Verbesserung ihrer Stimmungslage. Nach Fernsehkonsum blieb die Laune ungefähr gleich oder verschlechterte sich sogar.
(...)
Ganz ähnlich wirken süchtig machende Substanzen. Ein Tranquilizer, dessen Wirkung rasch nachlässt, führt viel eher zur Abhängigkeit als ein Beruhigungsmittel mit langsam abnehmender Wirkung, weil dem Benutzer im ersten Fall das nahende Ende des Wohlgefühls stärker bewusst wird. Vermutlich ist auch die erlernte Vorahnung des Fernsehkonsumenten, dass er sich weniger entspannt fühlen wird, wenn er ausschaltet, ein wichtiger Grund dafür, nicht auszuschalten. Fernsehen verlangt förmlich nach mehr Fernsehen.
(...)
Was macht denn nun die geradezu ma-gische Anziehungskraft des Fernsehens aus? Zum Teil scheint daran die biologische 'Orientierungsreaktion' schuld zu sein, die der russische Physiologe Iwan Pawlow (1849-1936) erstmals 1927 beschrieben hat: Unsere Augen und Ohren wenden sich instinktiv jedem plötzlichen oder unbekannten Reiz zu. Dies ist Teil unseres evolutionären Erbes - eine Art eingebauter Sensor für überraschende Bewegungen und mögliche räuberische Gefahren. Bei einer typischen Orientierungsreaktion erweitern sich die zum Gehirn führenden Blutgefäße, das Herz schlägt langsamer, während Blutgefäße, die große Muskelgruppen versorgen, sich zusammenziehen. Kurz, das Gehirn konzentriert sich auf die Aufnahme zusätzlicher Informationen, während der restliche Körper ruht.
1986 untersuchten Byron Reeves von der Stanford University und Esther Thorson von der Universität von Missouri, ob formale Gestaltungsmerkmale - Schnitt, Montage, Zoom, Kameraschwenk, plötzliche Geräusche - die Orientierungsreaktion auslösen und dadurch die Aufmerksamkeit fesseln. Aus dem EEG ihrer Probanden schlossen die Forscher, dass solche stilistischen Tricks tatsächlich unwillkürliche Reaktionen auslösen können und 'ihren Aufmerksamkeitswert aus der evolutionären Bedeutung des Entdeckens von Bewegung beziehen... Nicht der Inhalt, sondern die Form des Fernsehens ist einzigartig.'
(...)
(...)
Die unruhigen Töne und Bilder ziehen schon Kleinkinder unwiderstehlich an. Dafna Lemish von der Universität Tel Aviv hat beschrieben, wie aufmerksam bereits sechs bis acht Wochen alte Säuglinge auf Fernsehen reagieren. Wir beobachteten etwas ältere Babys, die auf dem Rücken liegend den Hals um fast 180 Grad verdrehten, um sich den in dem merkwürdigen Fenster tanzenden Lichtern zuzuwenden. Dies zeigt, wie tief verwurzelt die Orientierungsreaktion ist.
Ohne Fernsehen kann ich nicht leben
(...)
Daraufhin beschäftigte sich Robert D. McIlwraith von der Universität von Manitoba ausführlich mit Menschen, die sich in Umfragen selbst als fernsehsüchtig bezeichneten. Wie er herausfand, sind solche Personen schneller gelangweilt und abgelenkt als andere und können ihre Aufmerksamkeit schlechter steuern. Andere Studien zeigen übereinstimmend, dass Vielseher seltener an Gemeinschaftsaktivitäten teilnehmen und weniger Sport treiben als mäßige Seher oder TV-Abstinenzler und dass sie häufiger an Übergewicht leiden.
(...)
Die überzeugendste Parallele zwischen Fernsehen und Drogensucht sehen einige Forscher in den Entzugssymptomen, die bei Reduzierung des TV-Konsums auftreten. Vor fast vierzig Jahren - damals gab es meist nur ein Fernsehgerät pro Haushalt - sammelte Gary A. Steiner an der Universität Chicago faszinierende Erlebnisberichte von Familien, deren Gerät kaputtgegangen war: 'Die Familie lief umher wie eine Schar kopfloser Hühner.' 'Es war furchtbar. Wir taten überhaupt nichts - mein Mann und ich redeten.' 'Ich schrie dauernd herum. Die Kinder gingen mir auf die Nerven, ich verlor die Beherrschung. Versuchte vergeblich, sie für Spiele zu interessieren. Können ohne Fernsehen nicht leben.'
In Experimenten verzichteten Familien freiwillig oder gegen Bezahlung auf das Fernsehen - in der Regel eine Woche oder einen Monat lang. Viele hielten die Abstinenzfrist nicht durch. Einige stritten sich so heftig, dass es nicht bei Worten blieb. Ähnliches berichten amerikanische Familien, die sich eine fernsehlose Woche pro Jahr vorgenommen hatten.
(...)"
Dieser Artikel ist bei Spektrum der Wissenschaft auch unter folgendem Link herunterladbar: http://www.spektrum.de/artikel/828684
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