Nach unten Skip to main content

Autor Thema: EuGH C-204/21 - Verbot f. Unionslän., Tragweite d. Unionsrechts zu begrenzen  (Gelesen 62 mal)

  • Beiträge: 7.302
Vorabhinweis:
Der EuGH bestätigt einmal mehr seine auch historische Rechtsprechung, wonach die Unionsländer keine Befugnis haben, das von ihnen durch die Unionsverträge mitbegründete Unionsrecht einseitig in seiner Tragweite zu beschränken.

Die Rechtssache beschäftigt sich in ihrem Inhalt mit der Unabhängigkeit der Gerichte.

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)
5. Juni 2023(*)(i)
Inhaltsverzeichnis

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV – Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Rechtsstaatlichkeit – Wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen – Unabhängigkeit von Richtern – Art. 267 AEUV – Berechtigung, den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung zu ersuchen – Vorrang des Unionsrechts – Der Disziplinarkammer des S?d Najwy?szy (Oberstes Gericht, Polen) übertragene Zuständigkeiten betreffend die Aufhebung der strafrechtlichen Immunität von Richtern sowie arbeitsrechtliche, sozialversicherungsrechtliche und ruhestandsrechtliche Angelegenheiten von Richtern dieses Gerichts – Verbot für die nationalen Gerichte, die Legitimität der Gerichte und der Verfassungsorgane in Frage zu stellen oder die Rechtmäßigkeit der Ernennung von Richtern oder ihrer richterlichen Befugnisse festzustellen oder zu beurteilen – Einstufung der von einem Richter vorgenommenen Prüfung, ob bestimmte Anforderungen in Bezug auf das Vorliegen eines unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gerichts erfüllt sind, als ,Disziplinarvergehen‘ – Ausschließliche Zuständigkeit der Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des S?d Najwy?szy (Oberstes Gericht) für die Prüfung von Fragen betreffend die fehlende Unabhängigkeit eines Gerichts oder eines Richters – Art. 7 und 8 der Grundrechtecharta – Recht auf Achtung des Privatlebens und Recht auf Schutz personenbezogener Daten – Verordnung (EU) 2016/679 – Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c und e sowie Abs. 3 Unterabs. 2 – Art. 9 Abs. 1 – Sensible Daten – Nationale Regelung, die Richter verpflichtet, eine Erklärung zu ihrer etwaigen Mitgliedschaft in einem Verein, einer Stiftung oder einer politischen Partei sowie zu den dort ausgeübten Funktionen abzugeben, und die Veröffentlichung der in diesen Erklärungen enthaltenen Angaben im Internet vorsieht“

In der Rechtssache C-204/21

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?docid=268622&mode=req&pageIndex=1&dir=&occ=first&part=1&text=&doclang=DE&cid=8246089

Zitat
75      Darüber hinaus hat der Gerichtshof im Urteil vom 15. Juli 1964, Costa (6/64, EU:C:1964:66, S. 1269 bis 1271), festgestellt, dass die Schaffung einer eigenen Rechtsordnung durch den EWG-Vertrag, die von den Mitgliedstaaten auf der Grundlage der Gegenseitigkeit angenommen wurde, zur Folge hat, dass die Mitgliedstaaten weder gegen diese Rechtsordnung nachträgliche einseitige Maßnahmen geltend machen können noch dem aus dem EWG-Vertrag hervorgegangenen Recht Vorschriften des nationalen Rechts gleich welcher Art entgegensetzen können. Andernfalls würde diesem Recht sein Gemeinschaftscharakter aberkannt und die Rechtsgrundlage der Gemeinschaft selbst in Frage gestellt. Außerdem hat der Gerichtshof betont, dass es eine Gefahr für die Verwirklichung der Ziele des EWG-Vertrags bedeuten würde und eine nach diesem Vertrag verbotene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zur Folge hätte, wenn das Gemeinschaftsrecht je nach der nachträglichen innerstaatlichen Gesetzgebung von einem Staat zum anderen verschiedene Geltung haben könnte (Urteil vom 22. Februar 2022, RS [Wirkung der Urteile eines Verfassungsgerichts], C-430/21, EU:C:2022:99, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76      Diese wesentlichen Merkmale der Rechtsordnung der Union und die Bedeutung der ihr geschuldeten Achtung wurden im Übrigen durch die vorbehaltlose Ratifizierung der Verträge zur Änderung des EWG-Vertrags und insbesondere des Vertrags von Lissabon bestätigt, wie insbesondere die Erklärung Nr. 17 zum Vorrang belegt, die der Schlussakte der Regierungskonferenz, die den am 13. Dezember 2007 unterzeichneten Vertrag von Lissabon angenommen hat, beigefügt ist (ABl. 2012, C 326, S. 346). Gleiches gilt für die Rechtsprechung des Gerichtshofs nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Februar 2022, RS [Wirkung der Urteile eines Verfassungsgerichts], C-430/21, EU:C:2022:99, Rn. 49 und 50 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

77      Gemäß dieser ständigen Rechtsprechung kann nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts die Einheit und die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass sich ein Mitgliedstaat auf Bestimmungen des nationalen Rechts beruft, auch wenn sie Verfassungsrang haben. Nach ständiger Rechtsprechung sind die Wirkungen des Grundsatzes des Vorrangs des Unionsrechts nämlich für alle Einrichtungen eines Mitgliedstaats verbindlich, ohne dass dem insbesondere die innerstaatlichen Bestimmungen, auch wenn sie Verfassungsrang haben, entgegenstehen könnten (Urteile vom 17. Dezember 1970, Internationale Handelsgesellschaft, 11/70, EU:C:1970:114, Rn. 3, und vom 22. Februar 2022, RS [Wirkung der Urteile eines Verfassungsgerichts], C-430/21, EU:C:2022:99, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Einhaltung dieser Verpflichtung ist insbesondere erforderlich, um die Achtung der Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen sicherzustellen, und ist Ausdruck des in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Februar 2022, RS [Wirkung der Urteile eines Verfassungsgerichts], C-430/21, EU:C:2022:99, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zitat
79      Da der Gerichtshof die ausschließliche Zuständigkeit für die verbindliche Auslegung des Unionsrechts hat, ist es schließlich seine Sache, in Ausübung dieser Zuständigkeit die Tragweite des Grundsatzes des Vorrangs des Unionsrechts im Hinblick auf die einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts zu präzisieren, so dass diese Tragweite weder von einer Auslegung von Bestimmungen des nationalen Rechts noch von einer Auslegung von Bestimmungen des Unionsrechts durch ein nationales Gericht, die nicht der Auslegung durch den Gerichtshof entspricht, abhängen darf (Urteil vom 22. Februar 2022, RS [Wirkung der Urteile eines Verfassungsgerichts], C-430/21, EU:C:2022:99, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich obliegt es gegebenenfalls dem betreffenden nationalen Gericht, seine eigene Rechtsprechung abzuändern, wenn sie mit dem Unionsrecht in seiner Auslegung durch den Gerichtshof nicht vereinbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. April 2016, DI, C-441/14, EU:C:2016:278, Rn. 33 und 34, sowie vom 6. November 2018, Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, C-684/16, EU:C:2018:874, Rn. 60).

Schlußantrag:
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
ANTHONY MICHAEL COLLINS
vom 15. Dezember 2022(1)
Rechtssache C-204/21

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?docid=268622&mode=req&pageIndex=1&dir=&occ=first&part=1&text=&doclang=DE&cid=8246089

Zitat
59.      Zweitens müssen die Gerichte den Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts beachten(41). Gerichte, die im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden haben, sind verpflichtet, für dessen volle Wirksamkeit Sorge zu tragen, indem sie erforderlichenfalls jede nationale Regelung oder Rechtsprechung, die dem Unionsrecht zuwiderläuft, unangewendet lassen(42). Um eine Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet zu lassen, muss das mit der Anwendung von Unionsrecht betraute Gericht in der Lage sein, zu beurteilen und festzustellen, ob diese nationale Bestimmung dem Unionsrecht zuwiderläuft. Gemäß dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts(43) ist klar zu unterscheiden zwischen einer Befugnis, in einem bestimmten Fall eine unionsrechtswidrige Vorschrift des nationalen Rechts unangewendet zu lassen, und jener, eine solche Vorschrift mit der weiter reichenden Wirkung zu beseitigen, dass diese für keinen Zweck mehr rechtsgültig ist(44).

Querverweise zu den in den Zitaten genannten Entscheidungen, soweit im Forum thematisiert:
EuGH Rechtssache 6/64 - Auf die Union wurden nachhaltig Hoheitsrechte übertragen
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35842.0

EuGH C-684/16 - Vom Sozialrecht der Union darf nicht abgewichen werden
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=33764.0

EuGH C-430/21 - Auch Urteile des BVerfG sind dem EuGH zwecks Prüfung vorlegbar
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35990.0


Unterschriftenaktion: https://online-boykott.de/unterschriftenaktion
Rechtlicher Hinweis: Beiträge stellen keine Rechtsberatung in irgendeiner Form dar. Sie spiegeln ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wider. Weitere Infos: Regeln

  • IP logged  »Letzte Änderung: 31. März 2024, 14:30 von Bürger«
Bei Verarbeitung pers.-bez.-Daten ist das Unionsgrundrecht unmittelbar bindend; (BVerfG 1 BvR 276/17 & BVerfG 1 BvR 16/13)

Keine Unterstützung für
- Amtsträger, die sich über europäische wie nationale Grundrechte hinwegsetzen oder dieses in ihrem Verantwortungsbereich bei ihren Mitarbeitern, (m/w/d), dulden;

- Parteien, der Mitglieder sich als Amtsträger über Grundrechte hinwegsetzen und wo die Partei dieses duldet;

- Gegner des Landes Brandenburg wie auch gesamt Europas;

 
Nach oben