Vorabhinweis:Die hier thematisierte Entscheidung betrifft das Unionsland Österreich, stützt sich aber auch auf zwei das Unionsland Deutschland betreffende Entscheidungen.
Der EuGH tätigt in "gefestigter Rechtsprechung" die Aussage, daß die Bestimmungen über Dienstleistungen einzig für den konkreten Vorgang der "Ausübung öffentlicher Gewalt" nicht gelten, bei allen vorbereitenden Maßnahmen, bzw., Hilfstätigkeiten aber einzuhalten sind.
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
23. Dezember 2015(*)
[Text berichtigt mit Beschluss vom 29. November 2016]
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2006/123/EG – Sachlicher Anwendungsbereich – Tätigkeiten, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind – Rauchfangkehrergewerbe – Aufgaben im Bereich der ‚Feuerpolizei‘ – Territoriale Beschränkung der Gewerbeberechtigung – Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse – Erforderlichkeit – Verhältnismäßigkeit“
In der Rechtssache C-293/14https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=173250&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=709674833 Im Licht dieser Rechtsprechung ist zunächst festzustellen, dass die Ausnahmebestimmung des Art. 2 Abs. 2 Buchst. i der Richtlinie 2006/123 als Ausnahme von einer Grundfreiheit so auszulegen ist, dass sich ihre Tragweite auf das beschränkt, was zur Wahrung der Interessen, deren Schutz diese Bestimmung den Mitgliedstaaten erlaubt, unbedingt erforderlich ist (vgl. entsprechend Urteil Kommission/Belgien, C-47/08, EU:C:2011:334, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung). Sie muss somit auf die Tätigkeiten beschränkt werden, die als solche unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind (vgl. entsprechend Urteile Kommission/Belgien, C-47/08, EU:C:2011:334, Rn. 85, und SOA Nazionale Costruttori, C-327/12, EU:C:2013:827, Rn. 51).
34 [Berichtigt mit Beschluss vom 29. November 2016] Ferner sind, wie ebenfalls aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervorgeht, helfende und vorbereitende Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Ausübung öffentlicher Gewalt als von einer solchen Ausnahme ausgeschlossen anzusehen (vgl. entsprechend Urteil Kommission/Deutschland, C-404/05, EU:C:2007:723, Rn. 44), da sie nicht die Wahrnehmung autonomer Entscheidungsbefugnisse umfassen, im Rahmen einer unmittelbaren staatlichen Aufsicht ergehen (vgl. entsprechend Urteile Kommission/Portugal, C-438/08, EU:C:2009:651, Rn. 36 und 41, sowie SOA Nazionale Costruttori, C-327/12, EU:C:2013:827, Rn. 53) und nicht mit Zwangsbefugnissen (vgl. entsprechend Urteil Kommission/Spanien, C-114/97, EU:C:1998:519, Rn. 37) oder Befugnissen zur Anwendung von Zwangsmaßnahmen einhergehen (vgl. entsprechend Urteile Anker u. a., C-47/02, EU:C:2003:516, Rn. 61, und Kommission/Portugal, C-438/08, EU:C:2009:651, Rn. 44).
Die in den zitierten Rnn. 33 und 34 benannten Entscheidungen sind nachstehend verlinkt wie zitiert, wobei hierfür auf EU-Lex zurückgegriffen wird.
Zu Rn. 33:Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom 24. Mai 2011.
Europäische Kommission gegen Königreich Belgien.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Art. 43 EG - Niederlassungsfreiheit - Notare - Staatsangehörigkeitsvoraussetzung - Art. 45 EG - Teilhabe an der Ausübung öffentlicher Gewalt - Richtlinie 89/48/EWG.
Rechtssache C-47/08https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=ecli%3AECLI%3AEU%3AC%3A2011%3A33484 Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung stellt Art. 45 Abs. 1 EG eine Ausnahme von der Grundregel der Niederlassungsfreiheit dar. Als solche ist er so auszulegen, dass sich seine Tragweite auf das beschränkt, was zur Wahrung der Interessen, deren Schutz diese Bestimmung den Mitgliedstaaten erlaubt, unbedingt erforderlich ist (Urteile Kommission/Griechenland, Randnr. 7, Kommission/Spanien, Randnr. 34, vom 30. März 2006, Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti, C-451/03, Slg. 2006, I-2941, Randnr. 45, vom 29. November 2007, Kommission/Österreich, C-393/05, Slg. 2007, I-10195, Randnr. 35, und Kommission/Deutschland, C-404/05, Slg. 2007, I-10239, Randnrn. 37 und 46, sowie Kommission/Portugal, Randnr. 34).
85 Ferner hat der Gerichtshof wiederholt hervorgehoben, dass die in Art. 45 Abs. 1 EG vorgesehene Ausnahmeregelung auf Tätigkeiten beschränkt werden muss, die als solche unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind (Urteile Reyners, Randnr. 45, Thijssen, Randnr. 8, Kommission/Spanien, Randnr. 35, Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti, Randnr. 46, Kommission/Deutschland, Randnr. 38, und Kommission/Portugal, Randnr. 36).
Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 12. Dezember 2013.
Ministero dello Sviluppo economico und Autorità per la vigilanza sui contratti pubblici di lavori, servizi e forniture gegen SOA Nazionale Costruttori – Organismo di Attestazione SpA.
Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato.
Art. 101 AEUV, 102 AEUV und 106 AEUV – Öffentliche Unternehmen und Unternehmen, denen die Mitgliedstaaten besondere oder ausschließliche Rechte gewähren – Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind – Begriffe – Einrichtungen, die damit betraut sind, zu überprüfen und zu zertifizieren, ob die Unternehmen, die öffentliche Arbeiten ausführen, die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen beachten – Art. 49 AEUV – Niederlassungsfreiheit – Beschränkung – Rechtfertigung – Schutz der Dienstleistungsempfänger – Qualität der Zertifizierungsdienstleistungen.
Rechtssache C-327/12https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=ecli%3AECLI%3AEU%3AC%3A2013%3A82751
Diese Ausnahmeregelung ist nämlich auf die Tätigkeiten beschränkt, die als solche unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind (Urteil vom 24. Mai 2011, Kommission/Belgien, C-47/08, Slg. 2011, I-4105, Randnr. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Zu Rn. 34:Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 29. November 2007.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Bundesrepublik Deutschland.
Landwirtschaftliche Erzeugnisse des ökologischen Landbaus - Private Kontrollstellen - Erfordernis einer Niederlassung oder dauerhaften Infrastruktur im Mitgliedstaat der Erbringung der Leistung - Rechtfertigungsgründe - Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt - Art. 55 EG - Verbraucherschutz.
Rechtssache C-404/05https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=ecli%3AECLI%3AEU%3AC%3A2007%3A72344 Es zeigt sich also, dass die privaten Kontrollstellen ihre Tätigkeit unter aktiver Überwachung durch die zuständige Behörde ausüben, die letztlich die Verantwortung für die Kontrollen und Entscheidungen dieser Stellen trägt, wie die in der vorstehenden Randnummer genannten Pflichten dieser Behörde belegen. Diese Schlussfolgerung wird im Übrigen durch § 3 Abs. 1 ÖLG bekräftigt, wonach die Wahrnehmung von Kontrollaufgaben im Sinne der Verordnung Nr. 2092/91 durch private Kontrollstellen nicht mit der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens verbunden sein kann. Daraus ergibt sich, dass die helfende und vorbereitende Rolle, die den privaten Kontrollstellen durch die Verordnung gegenüber der Überwachungsbehörde übertragen wurde, nicht als unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 55 EG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 EG angesehen werden kann.
Urteil des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 22. Oktober 2009.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Portugiesische Republik.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Niederlassungsfreiheit -Richtlinie 96/96/EG - Nationale Regelung - Restriktive Zugangsvoraussetzungen für die Tätigkeit der Untersuchung von Fahrzeugen - Art. 45 EG- Tätigkeiten, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind - Sicherheit des Straßenverkehrs - Verhältnismäßigkeit.
Rechtssache C-438/08https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=ecli%3AECLI%3AEU%3AC%3A2009%3A65136. Mithin muss sich die in diesem Artikel vorgesehene Ausnahmeregelung nach ständiger Rechtsprechung auf Tätigkeiten beschränken, die als solche unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind (vgl. Urteile Reyners, Randnr. 45, vom 13. Juli 1993, Thijssen, C-42/92, Slg. 1993, I-4047, Randnr. 8, und vom 31. Mai 2001, Kommission/Italien, C-283/99, Slg. 2001, I-4363, Randnr. 20); dies schließt aus, dass reine Hilfs- und Vorbereitungsfunktionen gegenüber einer Einrichtung, die durch den Erlass der abschließenden Entscheidung tatsächlich öffentliche Gewalt ausübt, als im Sinne der genannten Ausnahme „mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden“ angesehen werden (Urteile Thijssen, Randnr. 22, Kommission/Österreich, Randnr. 36, und Kommission/Deutschland, Randnr. 38).
41. Hierbei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung über die Erteilung oder Versagung der Bescheinigung der technischen Überprüfung, die im Wesentlichen nur das Protokoll über die Ergebnisse der technischen Besichtigung umsetzt, zum einen der Entscheidungsautonomie entbehrt, die der Ausübung hoheitlicher Befugnisse eigen ist, und zum anderen im Rahmen einer unmittelbaren staatlichen Aufsicht ergeht.
44. Außerdem verfügen die mit der Fahrzeuguntersuchung betrauten privatwirtschaftlichen Organisationen, wie die Kommission – von der Portugiesischen Republik unwidersprochen – angemerkt hat, im Rahmen ihrer Tätigkeiten nicht über Zwangsbefugnisse, da die Sanktionen bei einem Verstoß gegen die Vorschriften über die Fahrzeuguntersuchung in die Zuständigkeit der Polizei- und Justizbehörden fallen.
Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 12. Dezember 2013.
Ministero dello Sviluppo economico und Autorità per la vigilanza sui contratti pubblici di lavori, servizi e forniture gegen SOA Nazionale Costruttori – Organismo di Attestazione SpA.
Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato.
Art. 101 AEUV, 102 AEUV und 106 AEUV – Öffentliche Unternehmen und Unternehmen, denen die Mitgliedstaaten besondere oder ausschließliche Rechte gewähren – Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind – Begriffe – Einrichtungen, die damit betraut sind, zu überprüfen und zu zertifizieren, ob die Unternehmen, die öffentliche Arbeiten ausführen, die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen beachten – Art. 49 AEUV – Niederlassungsfreiheit – Beschränkung – Rechtfertigung – Schutz der Dienstleistungsempfänger – Qualität der Zertifizierungsdienstleistungen.
Rechtssache C-327/12https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=ecli%3AECLI%3AEU%3AC%3A2013%3A82753
Wie der Generalanwalt in den Nrn. 47 und 48 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, fallen nämlich die Entscheidungen über die Erteilung oder Versagung der Bescheinigung der technischen Überprüfung, die im Wesentlichen nur die Ergebnisse der technischen Besichtigung wiedergibt, da sie zum einen der Entscheidungsautonomie entbehren, die der Ausübung hoheitlicher Befugnisse eigen ist, und zum anderen im Rahmen einer unmittelbaren staatlichen Aufsicht ergehen, nicht in den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung des Art. 51 AEUV (vgl. entsprechend Urteil vom 22. Oktober 2009, Kommission/Portugal, C-438/08, Slg. 2009, I-10219, Randnrn. 41 und 45). Ebenso kann die helfende und vorbereitende Rolle, die den privaten Kontrollstellen gegenüber der Überwachungsbehörde übertragen wurde, nicht als unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 51 AEUV angesehen werden (vgl. Urteil vom 29. November 2007, Kommission/Deutschland, C-404/05, Slg. 2007, I-10239, Randnr. 44).
Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 29. Oktober 1998.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich Spanien.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Freizügigkeit der Arbeitnehmer - Niederlassungsfreiheit - Dienstleistungsfreiheit - Tätigkeit privater Sicherheitsdienste - Erfordernis der Staatszugehörigkeit.
Rechtssache C-114/97https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=ecli%3AECLI%3AEU%3AC%3A1998%3A51937 Die Ausübung dieser Tätigkeit bedeutet nicht, daß den Sicherheitsunternehmen und dem Sicherheitspersonal Zwangsbefugnisse verliehen sind. Der blosse Beitrag zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, zu dem jeder verpflichtet sein kann, stellt nämlich keine Ausübung öffentlicher Gewalt dar.
Urteil des Gerichtshofes vom 30. September 2003.
Albert Anker, Klaas Ras und Albertus Snoek gegen Bundesrepublik Deutschland.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht - Deutschland.
Freizügigkeit der Arbeitnehmer - Artikel 39 Absatz 4 EG - Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung - Schiffsführer von Seefischereischiffen - Verleihung hoheitlicher Befugnisse an Bord - Den Staatsangehörigen des Flaggenstaats vorbehaltene Stellen.
Rechtssache C-47/02https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=ecli%3AECLI%3AEU%3AC%3A2003%3A51661 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das deutsche Recht den Kapitänen der Seefischereischiffe unter deutscher Flagge Rechte im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der Sicherheit und der Ausübung polizeilicher Befugnisse, insbesondere bei Gefahr an Bord, verleiht, gegebenenfalls in Verbindung mit Untersuchungs-, Zwangs- oder Sanktionsbefugnissen, die über den bloßen Beitrag zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, zu dem jedermann verpflichtet sein kann, hinausgehen. Darüber hinaus werden dem Kapitän einige nicht nur durch die Erfordernisse der Schiffsführung zu erklärende personenstandsrechtliche Hilfsfunktionen verliehen, insbesondere die Entgegennahme der Mitteilung von der Geburt oder dem Tod einer Person während der Reise, auch wenn ein Standesbeamter an Land die öffentlichen Urkunden auszustellen hat. Auch wenn hinsichtlich dieser personenstandsrechtlichen Aufgaben gewisse - vom vorlegenden Gericht auszuräumende - Zweifel daran bestehen bleiben mögen, ob sie eine unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse mit sich bringen, so steht doch außer Frage, dass die mit der Aufrechterhaltung der Sicherheit und der Ausübung polizeilicher Befugnisse verbundenen Aufgaben eine Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse zur Wahrung der allgemeinen Belange des Flaggenstaats darstellen.
Nachstehend noch der Schlußantrag:
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
MACIEJ SZPUNAR
vom 16. Juli 2015(1)
Rechtssache C-293/14https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=165870&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=70967481. Zur Ausübung öffentlicher Gewalt
28. Diese Frage geht allerdings davon aus, dass Rauchfangkehrer in Kärnten im Rahmen ihrer Tätigkeit öffentliche Gewalt ausüben.
29. Auf der Grundlage des Vorabentscheidungsersuchens des vorlegenden Gerichts und der Angaben in der mündlichen Verhandlung ergibt sich folgendes Bild: In Kärnten üben Rauchfangkehrer eine Reihe von Tätigkeiten aus. Zum allergrößten Teil handelt es sich dabei um privatwirtschaftliche Tätigkeiten, die keinerlei Bezug zur Ausübung öffentlicher Gewalt aufweisen. Daneben nehmen Rauchfangkehrer, soweit sie durch landesrechtliche Vorschriften zur Wahrnehmung verwaltungspolizeilicher Tätigkeiten, insbesondere Tätigkeiten der Feuerpolizei, Baupolizei oder vergleichbarer Tätigkeiten verpflichtet werden, öffentliche Aufgaben wahr(7).
30. Sind solche öffentlichen Aufgaben mit der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. i der Richtlinie 2006/123 und Art. 51 AEUV verbunden?
31. Das in Art. 51 AEUV genannte Tatbestandsmerkmal „öffentliche Gewalt“, bei dem es sich insofern um einen autonomen Begriff handelt, als er ausschließlich nach Unionsrecht zu bestimmen ist und nicht von den einzelnen Mitgliedstaaten definiert werden kann, normiert eine Ausnahme vom Grundsatz der Niederlassungsfreiheit und ist als solche eng auszulegen. Der Gerichtshof hat den Begriff zwar nicht abstrakt definiert( 8 ), jedoch ausgeführt, dass er sich nur auf Tätigkeiten erstrecke, die, in sich selbst betrachtet, eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellten(9). So handelt es sich dem Gerichtshof zufolge z. B. bei der Beurkundungstätigkeit der Notare nicht um eine unmittelbare und spezifische Teilnahme(10).
32. Außerdem sind Tätigkeiten, die lediglich eine helfende oder vorbereitende Rolle bei der Ausübung öffentlicher Gewalt spielen(11), nicht vom Geltungsbereich der Niederlassungsfreiheit ausgenommen. Das Gleiche gilt für Tätigkeiten, die zwar einen Verkehr mit den Verwaltungs- und Justizbehörden mit sich bringen und womöglich sogar regelmäßig und systematisch erbracht werden und auf eine obligatorische Mitarbeit bei der Erfüllung der Aufgaben der Behörden hinauslaufen, jedoch die Beurteilung und die Entscheidungsbefugnis unberührt lassen(12), sowie für bestimmte Tätigkeiten, die keine Ausübung von Entscheidungsbefugnissen(13), Zwangsgewalt(14) bzw. Zwangsbefugnissen(15) umfassen.
33. Ferner hat der Gerichtshof unlängst im Hinblick auf die für die öffentliche Verwaltung geltende Ausnahme nach Art. 45 Abs. 4 AEUV – diese Bestimmung entspricht Art. 51 AEUV im Bereich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer – entschieden, dass die hoheitliche Gewalt vom Stelleninhaber regelmäßig ausgeübt werden müsse und nicht nur einen sehr geringen Teil seiner Tätigkeiten ausmachen dürfe(16).
34. In der mündlichen Verhandlung ist vorgetragen worden, dass nach Kärntner Recht nicht der Rauchfangkehrer, sondern die Kommunalverwaltung in Person des Bürgermeisters für feuerpolizeiliche Aufgaben zuständig sei. Es sei Sache des Bürgermeisters, öffentliche Gewalt auszuüben und die Erfüllung der Pflichten von Rauchfangkehrerkunden durch Zwangsmaßnahmen durchzusetzen.
35. Angesichts dessen bezweifle ich, dass solche feuerpolizeilichen Aufgaben in den Bereich der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 51 AEUV fallen, da die Tätigkeiten des Rauchfangkehrers nur eine helfende Rolle bei der Ausübung öffentlicher Gewalt spielen und der Rauchfangkehrer über keinerlei Vollzugs-, Verbots- oder Zwangsbefugnisse verfügt.
36. Wenn keine der von Herrn Hiebler ausgeübten Tätigkeiten unter Art. 2 Abs. 2 Buchst. i der Richtlinie 2006/123 fällt, findet die Richtlinie auf seinen gesamten Tätigkeitsbereich Anwendung(17).
Fußnote:16 – Vgl. Urteil Haralambidis (C-270/13, EU:C:2014:2185, Rn. 58).
Querverweis dazu:URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)
10. September 2014(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Freizügigkeit der Arbeitnehmer – Art. 45 Abs. 1 und 4 AEUV – Begriff des Arbeitnehmers – Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung – Amt des Präsidenten einer Hafenbehörde – Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse – Staatsangehörigkeitsvoraussetzung“
In der Rechtssache C-270/13https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=157484&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=618678858 Der Rückgriff auf diese Ausnahme kann jedoch nicht allein damit gerechtfertigt werden, dass nach dem nationalen Recht dem Präsidenten einer Hafenbehörde hoheitliche Befugnisse zugewiesen sind. Hinzu kommen muss, dass diese Befugnisse von dem Stelleninhaber tatsächlich regelmäßig ausgeübt werden und nicht nur einen sehr geringen Teil seiner Tätigkeiten ausmachen.
Vermutung:Eine dem ÖRR zugestandene Funktion als "Vollstreckungsbehörde" ist unionsrechtswidrig, weil die damit verbundene Tätigkeit nur einen kleinen Teil der Tätigkeiten des ÖRR erfasst?
Querverweis:Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkthttps://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32006L0123&qid=1711652639488
Bei Verarbeitung pers.-bez.-Daten ist das Unionsgrundrecht unmittelbar bindend; (BVerfG 1 BvR 276/17 & BVerfG 1 BvR 16/13)
Keine Unterstützung für
- Amtsträger, die sich über europäische wie nationale Grundrechte hinwegsetzen oder dieses in ihrem Verantwortungsbereich bei ihren Mitarbeitern, (m/w/d), dulden;
- Parteien, deren Mitglieder sich als Amtsträger über Grundrechte hinwegsetzen und wo die Partei dieses duldet;
- Gegner des Landes Brandenburg wie auch gesamt Europas;