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Autor Thema: EuGH C-410/04 - Öffentl. Auftraggeber sind stets ausschreibungspflichtig ...  (Gelesen 387 mal)

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... außer in dem einen Fall, daß sie über den Auftragnehmer eine Kontrolle ausüben, wie über sich selber.

Vorabinfo:
Der EuGH stellt klar, daß die freihändige Auftragsvergabe selbst bei Dienstleistungskonzessionen im Regelfall verboten ist; jeder öffentlicher Auftraggeber hat nämlich auch dann die Grundvorgaben der Unionsverträge in Belangen "Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz" einzuhalten.

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Erste Kammer)
6. April 2006(*)

„Freier Dienstleistungsverkehr – Öffentlicher Nahverkehrsdienst – Vergabe ohne Ausschreibung – Vergabe durch eine öffentliche Körperschaft an ein Unternehmen, dessen Kapital sie hält“

In der Rechtssache C-410/04

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=55678&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=4152831

Zitat
18      Auch wenn Verträge über öffentliche Dienstleistungskonzessionen vom Anwendungsbereich der Richtlinie 92/50, die durch die Richtlinie 2004/18 ersetzt worden ist, ausgenommen sind, so haben die öffentlichen Stellen, die sie schließen, doch die Grundregeln des EG-Vertrags im Allgemeinen und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Besonderen zu beachten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Dezember 2000 in der Rechtssache C-324/98, Telaustria und Telefonadress, Slg. 2000, I-10745, Randnr. 60, vom 21. Juli 2005 in der Rechtssache C-231/03, Coname, Slg. 2005, I-0000, Randnr. 16, und Parking Brixen, Randnr. 46).

19      Zu den Vertragsbestimmungen, die speziell auf öffentliche Dienstleistungskonzessionen anwendbar sind, gehören auch die Artikel 43 EG und 49 EG (Urteil Parking Brixen, Randnr. 47).

20      Außer dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ist auch der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter auf öffentliche Dienstleistungskonzessionen anwendbar, und zwar auch dann, wenn keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit vorliegt (Urteil Parking Brixen, Randnr. 48).

21      Der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit schließen insbesondere eine Verpflichtung zur Transparenz ein, damit die konzessionserteilende öffentliche Stelle feststellen kann, ob sie beachtet worden sind. Diese der genannten Stelle obliegende Transparenzpflicht besteht darin, dass zugunsten der potenziellen Bieter ein angemessener Grad von Öffentlichkeit sicherzustellen ist, der die Dienstleistungskonzession dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteile Telaustria und Telefonadress, Randnrn. 61 und 62, sowie Parking Brixen, Randnr. 49).

22      Grundsätzlich entspricht das völlige Fehlen einer Ausschreibung im Fall der Vergabe einer öffentlichen Dienstleistungskonzession wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden weder den Anforderungen der Artikel 43 EG und 49 EG noch den Grundsätzen der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz (Urteil Parking Brixen, Randnr. 50).

Zitat
23      Aus Artikel 86 Absatz 1 EG folgt außerdem, dass die Mitgliedstaaten keine nationalen Rechtsvorschriften fortgelten lassen dürfen, die die Vergabe öffentlicher Dienstleistungskonzessionen ohne Ausschreibung ermöglichen, da eine solche Vergabe gegen die Artikel 43 EG oder 49 EG oder gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz verstößt (Urteil Parking Brixen, Randnr. 52).
Es besteht also grundsätzlich Ausschreibungspflicht sowohl für Dienstleistungskonzessionen, als auch für Diesntleistungsaufträge; die freihändige Vergabe des einen, wie des anderen ist also verboten.

Aber:
Zitat
25      Nationale Rechtsvorschriften, die die in vorstehender Randnummer genannten Voraussetzungen wörtlich übernehmen, wie es bei Artikel 113 Absatz 5 des Decreto legislativo Nr. 267/2000 in der Fassung des Artikels 14 des Decreto legge Nr. 269/2003 der Fall ist, entsprechen grundsätzlich dem Gemeinschaftsrecht, wobei klarzustellen ist, dass auch die Auslegung dieser Rechtsvorschriften den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts entsprechen muss.

26      Da es sich um eine Ausnahme von den allgemeinen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts handelt, sind die beiden in Randnummer 24 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen eng auszulegen, und die Beweislast dafür, dass die außergewöhnlichen Umstände, die die Ausnahme von diesen Vorschriften rechtfertigen, tatsächlich vorliegen, obliegt demjenigen, der sich auf sie berufen will (vgl. Urteile vom 11. Januar 2005 in der Rechtssache C-26/03, Stadt Halle und RPL Lochau, Slg. 2005, I-1, Randnr. 46, und Parking Brixen, Randnr. 63).
Will jemand von der einzig zulässigen Ausnahme des Verbotes der freihändigen Vergabe Gebrauch machen, hat er nachzuweisen, daß diese Ausnahme für ihn gilt.

Welche dauerhafte Kontrolle im Sinne des Vergaberechts der Union üben die Länder über die Rundfunkanstalten tatsächlich aus?

Da die freihändige Vergabe grundsätzlich verboten ist, könnten die Länder dadurch gegen das Vergaberecht verstoßen haben, daß sie die Rundfunkanstalten per Gesetz mit der Erbringung von Rundfunkdienstleistungen beauftragt haben, wenn sie keine wirksame und dauerhafte Kontrolle über dies Rundfunkanstalten ausüben.


Es ist fraglich, ob, in Belangen des RBB, wenn die bloße Rechtsaufsicht den vergaberechtlichen Anforderungen zur freihändigen Vergabe genügen sollte, der 2-jährige Wechel der Rechtsaufsicht zwischen Brandenburg und Berlin dem unionsrechtlichen Kriterium "dauerhaft" genügt.

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
L. A. GEELHOED
vom 12. Januar 20061(1)
Rechtssache C-410/04

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=57295&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=4152831

Zitat
14.      Die wichtigsten Hinweise auf die Antwort finden sich in Randnummer 50 des Urteils Teckal sowie in Randnummer 49 des Urteils Stadt Halle und RPL Lochau. Daraus ergibt sich, dass, selbst wenn der Vertragspartner eine Einrichtung ist, die sich von der öffentlichen Stelle rechtlich unterscheidet, eine Ausschreibung dann nicht zwingend ist, wenn diese Stelle, die ein öffentlicher Auftraggeber ist, über die fragliche Einrichtung eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und diese Einrichtung ihre Tätigkeit im Wesentlichen mit der oder den öffentlichen Stellen verrichtet, die ihre Anteile besitzen( 8 ).

18.      Insoweit ist jedoch zu bemerken, dass die Kriterien für die Zulassung „interner“ Situationen strikt anzuwenden sind. Insbesondere aus den Urteilen Parking Brixen und Kommission/Österreich ergibt sich, dass die Kontrolle des öffentlichen Auftraggebers nicht durch die – „auch nur minderheitliche“ – Beteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital der Gesellschaft, der die Erbringung der betreffenden Dienstleistung übertragen wurde, geschwächt werden darf und dass diese Gesellschaft ihre Tätigkeit im Wesentlichen mit der oder den öffentlichen Stellen verrichten muss, die ihre Anteile besitzen.

19.      Unter den tatsächlichen Umständen, die dem Ausgangsverfahren zugrunde liegen, erscheinen mir diese beiden Kriterien erfüllt, so dass ich meine Analyse mit dieser Feststellung abschließen könnte, wenn sich nicht aus dem Urteil Kommission/Österreich(9) ein drittes Kriterium ergäbe, nämlich das Erfordernis, dass die beiden genannten Kriterien dauerhaft erfüllt sein müssen.

20.      Denn wenn die zuständige Verwaltung, nachdem die ersten beiden Kriterien bei der Vergabe der betreffenden Dienstleistung erfüllt worden sind, einen „auch nur minderheitlichen“ Teil der Anteile der betreffenden Gesellschaft auf ein privates Unternehmen übertragen würde, so hätte dies zur Folge, dass über eine künstliche Konstruktion, die mehrere unterschiedliche Phasen umfasst, nämlich die Gründung der Gesellschaft, die Vergabe des öffentlichen Verkehrsdienstes an diese Gesellschaft und die Übertragung eines Teils ihrer Anteile auf ein privates Unternehmen, einem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen ohne vorherige Ausschreibung eine Konzession für eine öffentliche Dienstleistung erteilt würde.

21.      Die gleiche Begründung gilt für den Fall, dass an die ursprüngliche konzessionierte Einrichtung ohne vorherige Ausschreibung weitere öffentliche Dienstleistungen von anderen öffentlichen Körperschaften als der, die ihre Anteile besitzt, vergeben würden.

22.      In den beiden beschriebenen Fällen wären die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz, an die der Gerichtshof in den Urteilen Coname und Parking Brixen erinnert hat, nicht mehr gewahrt.

Aus einer weiteren Entscheidung:
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)
7. Dezember 2000 (1)

„Öffentliche Dienstleistungsaufträge - Richtlinie 92/50/EWG - Öffentliche Dienstleistungsaufträge im Telekommunikationssektor - Richtlinie 93/38/EWG - Öffentliche Dienstleistungskonzession“

In der Rechtssache C-324/98

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=45859&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=4152590

Zitat
60.
        Auch wenn solche Verträge beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts vom Anwendungsbereich der Richtlinie 93/38 ausgenommen sind, so haben die Auftraggeber, die sie schließen, doch die Grundregeln des Vertrages im Allgemeinen und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Besonderen zu beachten.

61.
        Wie der Gerichtshof nämlich im Urteil vom 18. November 1999 in der Rechtssache C-275/98 (Unitron Scandinavia und 3-S, Slg. 1999, I-8291, Randnr. 31) entschieden hat, schließt dieses Verbot insbesondere eine Verpflichtung zur Transparenz ein, damit festgestellt werden kann, ob es beachtet worden ist.

62.
        Kraft dieser Verpflichtung zur Transparenz muss der Auftraggeber zugunsten potenzieller Bieter einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen, der den Dienstleistungsmarkt dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden.

Querverweis betreffs C-410/04, Rn. 23 -> Art 86 Abs 1 EG:
Konsolidierter Text: Konsolidierte Fassungen des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A02016ME%2FTXT-20200301

Zitat
Artikel 106
(ex-Artikel 86 EGV)


(1)  Die Mitgliedstaaten werden in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine den Verträgen und insbesondere den Artikeln 18 und 101 bis 109 widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten.

Die in den Rundfunkverträgen und ihren Zustimmungsgesetzen definierten Beschränkungen des Datenschutzes könnten gegen das Grundrecht auf Schutz der personen-bezogenen Daten gemäß Art 8 Charta, als auch gegen das Grundrecht auf Informations- und Meinungsfreiheit gemäß Art 11 Charta verstoßen, denn

EuGH C-401/19 - Mittel zum Vertrieb der Information durch Grundrecht geschützt
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=36779.0


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Querverweis betreffs C-410/04, Rn. 23 -> Art 86 Abs 1 EG:
Konsolidierter Text: Konsolidierte Fassungen des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A02016ME%2FTXT-20200301

Zitat
Artikel 106
(ex-Artikel 86 EGV)


(1)  Die Mitgliedstaaten werden in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine den Verträgen und insbesondere den Artikeln 18 und 101 bis 109 widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten.

Zusätzlicher Querverweis:
EuGH C-434/19 - Regeln f. öffentl. Unternehmen vollständig harmonisiert
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35660.0

Zitat
Aus den Fußnoten:
Zitat
    18 – [...] Das Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den Einzelnen nach seinem Willen ist der gemeinsame Kern der Grundfreiheiten, die die Möglichkeit privatautonomen Handelns über die Grenzen der Mitgliedstaaten hinweg erstrecken.


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