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Autor Thema: EuGH C-162/22 - Bestätigung d. Zweckbindung d. Datenerhebung  (Gelesen 349 mal)

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In der Rechtssache geht es um die "Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation", in der der EuGH klarstellt, daß die erhobenen Daten nur zum Zwecke der Bekämpfung schwerer Kriminalität durch die dazu befugten Behörden verwendet werden dürfen; eine Weiterverwendung durch Verwaltungsbehörden zwecks Ahndung von Korruption ist unzulässig.

Rn. 35 enthält allerdings auch eine Aussage, die in Belangen der Rundfunkproblematik Tragweite erfahren könnte -> Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

Rn. 41 enthält dann die Kernaussage, wie sie sinngemäß auch im Titel benannt ist.

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
7. September 2023(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Telekommunikation – Verarbeitung personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation – Richtlinie 2002/58/EG – Geltungsbereich – Art. 15 Abs. 1 – Von Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste gespeicherte und mit Strafverfahren befassten Behörden zur Verfügung gestellte Daten – Spätere Nutzung der Daten bei Ermittlungen wegen eines Dienstvergehens“

In der Rechtssache C-162/22

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=277068&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=722659

Zitat
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung ist im Licht der Art. 7, 8 und 11 sowie von Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

dahin auszulegen, dass

er dem entgegensteht, dass personenbezogene Daten elektronischer Kommunikationsvorgänge, die in Anwendung einer aufgrund dieser Bestimmung erlassenen Rechtsvorschrift von Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste auf Vorrat gespeichert und in der Folge in Anwendung dieser Rechtsvorschrift den zuständigen Behörden zur Bekämpfung schwerer Kriminalität zur Verfügung gestellt wurden, im Rahmen von Untersuchungen wegen Dienstvergehen im Zusammenhang mit Korruption genutzt werden dürfen.

Der EuGH bestätigt auch noch einmal, daß eine allgemeine Vorratsdatenspeicherung rechtswidrig ist.

Zitat
31     Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 im Licht der Art. 7, 8 und 11 sowie von Art. 52 Abs. 1 der Charta Rechtsvorschriften entgegensteht, die präventiv zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten vorsehen (Urteil vom 20. September 2022, SpaceNet und Telekom Deutschland, C-793/19 und C-794/19, EU:C:2022:702, Rn. 74 und 131 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Dagegen steht Art. 15 Abs. 1 im Licht der Art. 7, 8 und 11 sowie von Art. 52 Abs. 1 der Charta Rechtsvorschriften nicht entgegen, die zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit [...]

Zitat
33      Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 vermag es aber nicht zu rechtfertigen, dass die Ausnahme von der grundsätzlichen Verpflichtung, die Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation und der damit verbundenen Daten sicherzustellen, und insbesondere von dem in Art. 5 der Richtlinie vorgesehenen Verbot, diese Daten zu speichern, zur Regel wird, soll die letztgenannte Vorschrift nicht weitgehend ausgehöhlt werden (Urteil vom 5. April 2022, Commissioner of An Garda Síochána u. a., C-140/20, EU:C:2022:258, Rn. 40).

Zitat
35      Was die dem Gemeinwohl dienenden Ziele anbelangt, die eine nach Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 erlassene Vorschrift rechtfertigen können, geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Hierarchie zwischen diesen Zielen entsprechend ihrer jeweiligen Bedeutung besteht und dass die Bedeutung des mit einer solchen Vorschrift verfolgten Ziels im Verhältnis zur Schwere des daraus resultierenden Eingriffs stehen muss (Urteil vom 5. April 2022, Commissioner of An Garda Síochána u. a., C-140/20, EU:C:2022:258, Rn. 56).
Die im Zitat benannte Entscheidung C-140/20 wurde im Forum bereits thematisiert; siehe unter Querverweis

Zitat
37      Zum Ziel der Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten hat der Gerichtshof festgestellt, dass im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur die Bekämpfung schwerer Kriminalität und die Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit geeignet sind, die mit der Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten verbundenen schweren Eingriffe in die Grundrechte, die in den Art. 7 und 8 der Charta verankert sind, zu rechtfertigen. Daher können nur Eingriffe in die genannten Grundrechte, die nicht schwer sind, durch das Ziel der Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten im Allgemeinen gerechtfertigt sein (Urteil vom 5. April 2022, Commissioner of An Garda Síochána u. a., C-140/20, EU:C:2022:258, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zitat
40      Außerdem hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der Zugang zu den von Betreibern in Anwendung einer gemäß Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 erlassenen Rechtsvorschrift auf Vorrat gespeicherten Verkehrs- und Standortdaten, der unter vollständiger Beachtung der sich aus der Rechtsprechung zur Auslegung dieser Richtlinie ergebenden Voraussetzungen zu erfolgen hat, grundsätzlich nur mit dem dem Gemeinwohl dienenden Ziel gerechtfertigt werden kann, zu dem die Speicherung den Betreibern auferlegt wurde. Etwas anderes gilt nur, wenn die Bedeutung des mit dem Zugang verfolgten Ziels die Bedeutung des Ziels, das die Speicherung gerechtfertigt hat, übersteigt (Urteil vom 5. April 2022, Commissioner of An Garda Síochána u. a., C-140/20, EU:C:2022:258, Rn. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zitat
41      Diese Erwägungen gelten entsprechend für eine spätere Nutzung der Verkehrs- und Standortdaten, die von Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste in Anwendung einer nach Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 zur Bekämpfung schwerer Kriminalität erlassenen Rechtsvorschrift auf Vorrat gespeichert wurden. Solche Daten dürfen nämlich, nachdem sie gespeichert und den zuständigen Behörden zum Zweck der Bekämpfung schwerer Kriminalität zur Verfügung gestellt wurden, nicht an andere Behörden übermittelt und genutzt werden, um Ziele wie im vorliegenden Fall die Bekämpfung von Dienstvergehen im Zusammenhang mit Korruption zu erreichen, die in der Hierarchie der dem Gemeinwohl dienenden Ziele von geringerer Bedeutung sind als die Bekämpfung schwerer Kriminalität und die Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit. Die Gewährung von Zugang zu den auf Vorrat gespeicherten Daten und ihre Nutzung würden in einer solchen Situation nämlich der oben in den Rn. 33, 35 bis 37 und 40 angesprochenen Hierarchie der dem Gemeinwohl dienenden Ziele zuwiderlaufen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. April 2022, Commissioner of An Garda Síochána u. a., C-140/20, EU:C:2022:258, Rn. 99).

Es besteht die sehr große Wahrscheinlichkeit, daß der Umgang mit den personen-bezogenen Daten der Bürger und Bürgerinnen in Belangen des öffentlichen Rundfunks insgesamt unionsrechtswidrig ist, da es für die Verarbeitung personen-bezogener Daten für andere Zwecke, als für jene, für die diese Daten erhoben worden sind, der ausdrücklichen Einwilligung der betreffenden Personen bedürfen könnte?

Es könnte im Datenschutzrecht der Union also der grundsätzliche Fall sein, daß nicht der Widerspruch gegen die Datenweitergabe erforderlich ist, sondern automatisch widersprochen ist, wenn zuvor keine aktive Einwilligung seitens der betreffenden Person, deren personen-bezogene Daten weiterverarbeitet werden sollen, erteilt worden ist?

Erinnert sei hierzu an die Pflicht zur Einwilligung bei der Cookiesetzung, die aktiv erfolgen muß, damit ein Cookie gesetzt und Daten dadurch gewonnen werden dürfen. (Siehe BGH I ZR 7/16)

Der Vollständigkeit halber sei noch auf den Schlußantrag hingewiesen:

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA
vom 30. März 2023(1)
Rechtssache C-162/22

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=272087&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=722659

Querverweise:
EuGH C-140/20 - Allgemeine Vorratsdatenspeicherung unzulässig
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35999.0

EuGH C-439/19 - DSGVO - Datenübertragung an Wirtschaftsteilnehmer unzulässig
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35594.0

EuGH C-201/14 Ohne Kenntnis d. Bürger kein Datenaustausch zwecks Verarbeitg.
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=15947.0

BGH I ZR 7/16 - aktive Cookie-Einwilligung nötig -> ÖRR-Datenschutzrelevanz?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=33755.0


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