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Autor Thema: rechtswidr. Festsetzung/Beitreibung durch örtl. unzuständ. LRA (Zweitwhg.)  (Gelesen 725 mal)

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Hier ein paar Entscheidungen zum Thema
rechtswidrige Festsetzung/ Beitreibung durch örtlich unzuständige Landesrundfunkanstalt (Zweitwohnung)
(was jedoch gem. den Entscheidungsbegründungen/ der Gesetzesbegründung augenscheinlich zu unterscheiden ist vom Fall des Umzugs aus dem Zuständigkeitsbereich einer "Landesrundfunkanstalt" in den Zuständigkeitsbereich einer anderen "Landesrundfunkanstalt")


VG Kassel, Urteil vom 22.02.2021 - 1 K 1622/19.KS
https://openjur.de/u/2334363.html
https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE210000617
Zitat von: VG Kassel, Urteil vom 22.02.2021 - 1 K 1622/19.KS
Örtliche Zuständigkeit für die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen bei Zweitwohnungen

[...]

Entscheidungsgründe

[...]

Zunächst sind die Festsetzungsbescheide vom 03. September 2018 und 01. Februar 2019 formell rechtswidrig, weil der Beklagte außerhalb seiner örtlichen Zuständigkeit gehandelt hat.

[...]

Zusammenfassend lässt sich damit aus den Behördenakten und sämtlichen Bescheiden nur die Schlussfolgerung ziehen, dass gegen die Klägerin von Seiten des Beklagten Rundfunkbeiträge für die oben genannte Wohnung festgesetzt werden sollten.

Damit hat der Beklagte jedoch außerhalb seiner örtlichen Zuständigkeit gehandelt. Für jede Wohnung ist stets nur eine Rundfunkanstalt zuständig. Liegen also Haupt- und Nebenwohnung in zwei verschiedenen Bundesländern, so hat jede Rundfunkanstalt nur die Befugnis zur Festsetzung und Beitreibung von Rundfunkbeiträgen innerhalb ihres eigenen Zuständigkeitsbereichs. Es kann also vorkommen, dass ein Beitragsschuldner von zwei oder mehreren Rundfunkanstalten in Anspruch genommen wird.

Soweit ersichtlich existiert eine obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage nicht. Der Hess. VGH hat die Frage offengelassen (vgl. Beschluss vom 05. Januar 2016 – 10 B 2411/15 –, juris). Entschieden wurde ein vergleichbarer Fall jedoch von dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 28. Mai 2018 (– 4 B 19/18 –, Rn. 14 - 18, juris). Dort heißt es:

Zitat
„Gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV werden rückständige Rundfunkbeiträge durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt. Aus einer Zusammenschau von § 10 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 RBStV i.V.m. § 10 Abs. 1 RBStV ergibt sich, dass grundsätzlich die Landesrundfunkanstalt für die Festsetzung rückständiger Rundfunkbeiträge originär zuständig ist, in deren Anstaltsbereich sich die Wohnung oder die Betriebsstätte des Beitragsschuldners im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides befindet. § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV und § 10 Abs. 1 Satz RBStV verbinden die Frage der Zuständigkeit einer Landesrundfunkanstalt zum Erlass von Festsetzungsbescheiden bzw. die Gläubigerstellung der Landesmedienanstalten mit deren Anstaltsbereich sowie dem Ort, an dem die Wohnung des Beitragspflichtigen belegen ist.


Nach Auffassung der Kammer greift vorliegend auch die in § 10 Abs. 5 Satz 2 RBStV enthaltene Ausnahmevorschrift nicht. Gemäß § 10 Abs. 5 Satz 2 RBStV können Festsetzungsbescheide auch von der Landesrundfunkanstalt erlassen werden, in deren Anstaltsbereich sich die Wohnung des Beitragsschuldners zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides befindet. Bereits der Wortlaut von § 10 Abs. 5 Satz 2 RBStV spricht gegen eine Anwendung dieser Regelung im vorliegenden Fall. Die Norm begründet die Zuständigkeit der Landesrundfunkanstalt, in deren Anstaltsbereich sich „die Wohnung“ des Beitragsschuldners befindet. § 10 Abs. 5 Satz 2 RBStV geht insofern ersichtlich davon aus, dass der Beitragsschuldners lediglich über eine Wohnung verfügt. Die Norm stellt gerade nicht darauf ab, dass eine (von mehreren) Wohnung(en) im Anstaltsbereich einer Rundfunkanstalt liegt, um die Zuständigkeit einer Landesrundfunkanstalt zum Erlass von Festsetzungsbescheiden zu begründen.

Dieses Verständnis von § 10 Abs. 5 Satz 2 RBStV deckt sich mit der Gesetzesbegründung. Danach wollte der Gesetzgeber aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität die Möglichkeit eröffnen, dass im Falle eines Umzugs eines Rundfunkteilnehmers [sic!] statt der originär zuständigen Landesrundfunkanstalt auch die örtlich neu zuständige Rundfunkanstalt befugt ist, rückständiger Rundfunkbeiträge für einen Zeitraum vor dem Umzug des Gebührenschuldners festzusetzen (vgl. dazu Schleswig-Holsteinischer Landtag, LT Drucks. 17/1336, S. 66). Dies ist insoweit plausibel, als dass im Falle der Verlagerung eines Wohnsitzes in einen anderen Anstaltsbereich mit dem Umzug auch zwingend eine Veränderung der originären Zuständigkeit nach § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV für die Zeit nach dem Umzug eintritt. In diesem Fall dient es der Verfahrensvereinfachung, wenn ausnahmsweise dann auch die in der Zukunft originär zuständige Landesrundfunkanstalt sämtliche rückständige Rundfunkbeiträge festsetzen kann.

Einem derartigen Verständnis steht auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber entsprechend der Gesetzesbegründung mit der Regelung von § 10 Abs. 5 Satz 2 RBStV „unter anderem“ den soeben beschriebenen Fall des Umzugs eines Rundfunkteilnehmers [sic!] erfassen wollte. Daraus mag sich zwar ableiten lassen, dass der Gesetzgeber mit der Norm nicht ausschließlich den Fall, in dem der Beitragspflichtige umzieht, regeln wollte (so VG München, Urteil vom 25.11.2015, Az.: M 6b K 15.489, juris Rn. 23). Es kann allerdings aus der Gesetzesbegründung auch nicht geschlossen werden, dass § 10 Abs. 5 Satz 2 RBStV über den Wortlaut der Norm und die Fälle des Übergangs der originären Zuständigkeit hinaus die Zuständigkeit einer weiteren Landesrundfunkanstalt neben der nach § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV originär zuständigen Landesrundfunkanstalt begründen soll (a.A. i.E. VG München, Urteil vom 25.11.2015, Az.: M 6b K 15.489, juris Rn. 23). Einem derartigen Verständnis steht im Übrigen auch entgegen, dass eine etwaige Kollision der Zuständigkeiten zweier Landesrundfunkanstalten nicht durch eine entsprechende gesetzliche Regelung aufgelöst wird.“

Dieser Rechtsauffassung schließt sich das erkennende Gericht an. Der von dem VG München (a.a.O.) sowie in der Literatur (Tucholke in: Binder/Vesting, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Auflage 2018, § 10 Rn. 41; Lent in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, 31. Edition, Stand: 01.02.2021, § 10 Rn. 7) vertretenen Gegenauffassung folgt das Gericht nicht. Die Argumente des VG München werden überzeugend durch den oben zitierten Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts widerlegt, die Kommentarliteratur enthält keinerlei Argumente, sondern verweist lediglich auf "Gründe der Verwaltungsvereinfachung" (so Lent in Gersdorf/Paal, a.a.O.). Eine tatsächliche oder vermeintliche Verwaltungsvereinfachung ist jedoch kein Grund, über Zuständigkeitsvorschriften hinwegzusehen.

[...] Aus unbekannten Gründen übernahm dann der Beklagte die Festsetzung und Beitreibung der Rundfunkbeiträge, allerdings außerhalb seiner örtlichen Zuständigkeit.

Dieser formelle Mangel ist auch nicht gem. § 46 HVwVfG unbeachtlich. Zwar kann nach dieser Vorschrift die Aufhebung eines nicht nichtigen Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Diese Vorschrift gilt jedoch gem. § 2 Abs. 1 HVwVfG nicht für die Tätigkeit des Hessischen Rundfunks (so auch Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Urteil vom 20. März 2018 - 1 LB 55/17 -, juris zu der vergleichbaren Regelung nach bremischem Landesrecht).

Damit ist auch der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 30. April 2019 rechtswidrig, denn der Beklagte war auch insoweit nicht örtlich zuständig.

[...]

Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 28.05.2018 - 4 B 19/18
https://openjur.de/u/2204483.html
Zitat von: Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 28.05.2018 - 4 B 19/18
[...]

Es bestehen ernstliche Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 02.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2017. Dem Antragsgegner fehlte nach Auffassung der Kammer die Zuständigkeit zum Erlass des Bescheides in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 20.12.2017 erhalten hat.

Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner als Landesrundfunkanstalt (vgl. § 1 Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk vom 17./18.12.1991 i.V.m. dem Gesetz zu dem Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk (NDR) vom 26.02.1992, GVOBl. 1992, 120, GVOBl. 2005, S. 254) gegenüber der Antragstellerin mit Bescheid vom 02.11.2015 für den Zeitraum von April 2014 bis einschließlich September 2014 Rundfunkbeiträge unter Zugrundelegung der Inhaberschaft einer Wohnung unter der im Rubrum genannten Adresse festgesetzt. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 20.12.2017 hat der Antragsgegner den Regelungsgehalt des Ausgangsbescheides vom 02.11.2015 geändert, indem er in dem verfügenden Teil des Widerspruchsbescheides regelte, dass er den Festsetzungsbescheid dahingehend ändere, dass Rundfunkbeiträge für den Zeitraum April 2014 bis September 2014 nicht für die im Bescheid genannte Wohnung ..., sondern für die Wohnung ..., ... festgesetzt würden.

Für den Erlass eines Festsetzungsbescheides mit einem derartigen Regelungsgehalt, d.h. für eine Festsetzung von Rundfunkbeiträgen aufgrund der Berücksichtigung einer von der Antragstellerin bewohnten Wohnung in ... als Veranlagungsgegenstand ist der Antragsgegner örtlich nicht zuständig.

[...]

Im vorliegenden Fall bewohnte die Antragstellerin im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier dem Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 20.12.2015 zwei Wohnungen in Anstaltsbereichen verschiedener Landesrundfunkanstalten. Es ist für das Gericht weder ersichtlich noch von einem der Beteiligten vorgetragen, dass die Antragstellerin im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides einen ihrer Wohnsitze aufgegeben hatte. Zwar war der Antragsgegner zwischenzeitlich aufgrund eines Antrages der Antragstellerin auf Nachsendung ihrer Post nach ... davon ausgegangen, dass sie die Wohnung in ... aufgegeben habe. Allerdings trug die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren selbst vor, einen Erstwohnsitz in ... und einen Zweitwohnsitz in ... zu unterhalten. Gegen die Aufgabe des Wohnsitzes in ... spricht darüber hinaus die von der Antragstellerin im Rubrum der Klag- und Antragsschrift angegebene Adresse. Die Antragsgegnerin ist auch insbesondere nicht, wie der vom Gesetzgeber bei der Entwicklung von § 10 Abs. 5 Satz 2 RBStV in den Blick genommene Regelfall es vorsieht, aus dem Gebiet eines anderen Anstaltsbereiches in den Anstaltsbereich des Antragsgegners, d.h. hier von ... nach ... verzogen. [Es hat sich daher im vorliegenden Fall gerade b]keine Verlagerung der originären Zuständigkeit einer Landesrundfunkanstalt für die Zukunft[/b] ergeben. Vielmehr besteht die originäre Zuständigkeit zweier Landesrundfunkanstalten für die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen für zwei Wohnungen.

[...]

p.s.: Es gibt nur einen Profäten  >:D


Edit "Bürger": Urteils-Zitat sowie referenzierte Entscheidung des VG Schleswig-Holstein ergänzt.
Ursprünglichen Betreff "VG Kassel Urteil vom 22.02.2021,1 K 1622/19.KS - örtlich unzuständige LRA" entsprechend angepasst für zielgerichtete allgemeingültige Diskussion.


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 23. März 2023, 14:50 von Bürger«

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  • Sparquote 2013...2025: 13x(~210)=~2700€
Für aktuelle Vorgänge bei Landesverfassungsgerichten wurde soeben hinzugefügt:

Zitat
B6.b) "Stellvertreter-Konfliktaustragung" scheidet aus.
- Anlage „2022-06-22“ Abschnitt B6. (an VerfGH Berlin)
Dies gilt auch für die Beschwerde beim hier angerufenen Gericht durch einen Landesbürger, weil hiesiges Landesrecht betreffend. Die zuständigen Stellen – ARD-Anstalt, Landesregierungen, Gerichte des Bundeslandes – sind demnach anrufbar und hoheitsrechtlich zuständig ohne Verweisrecht an andere Bundesländer. Eine staatsvertragliche Hoheitsrechte-Übertragung besteht nicht.
Der Berliner Autor von Anlage „2022-06-22“ fügte aktuell hinzu:
Das ARD-Abkommen, dass jede bundesweite Bürger-Eingabe beim Bundesland des Wohnsitzes zu bearbeiten sei, ist rechtswidrig. Sinngemäß hatte eine Compliance-Beautragte eine ARD-Anstalt den anderen derartiges untersagt.
- Rechtsprechung: VG Kassel, Urteil vom 22.02.2021 - 1 K 1622/19.KS
- - Der Beck‘sche Rundfunkrechtliche Kommentar, Text einer ARD-Juristin,
    wird vom Gericht ausdrücklich als rechtsirrig erklärt. Das ist hässlich.
Der Beschwerdeführer erkennt nichts, was dieser Sichtweise widerspräche.


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 23. März 2023, 13:19 von Bürger«
"Glücklich das Land, das Rechtsstaatsverteidiger hat. Traurig das Land, das sie nötig hat."   (Pedro Rosso)
Deine Worte weht der Wind ins Nirwana des ewigen Vergessens. Willst du die Welt wandeln, so musst du handeln. Um Böses abzuschaffen, Paragrafen sind deine Waffen.

 
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