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Autor Thema: Vollmachten der LRA-Vertreter in Verwaltungs- und Klageverfahren  (Gelesen 993 mal)

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Dieser Thread stellt in keiner Weise eine Rechtsberatung dar. Jede Person, die vermeintlich richtige "Informationen" herauszieht, handelt vollständig eigenverantwortlich und sollte bei Rechtsstreiten sich in jedem Fall rechtlich beraten lassen.

Grundlegend:

Die Landesrundfunkanstalten (LRA) sind juristische Personen. Gesetzlicher Vertreter einer LRA nach außen hin ist einzig und allein der Intendant.

Der Intendant kann einem Menschen eine Vollmacht erteilen, so dass dieser Mensch als Bevollmächtigter innerhalb eines festgelegten Aufgabenbereichs im Namen des und für den Intendanten tätig ist.

An die Form der Vollmacht werden strenge Vorgaben gestellt. Ohne das Vorliegen einer gültigen Vollmacht gelten die Tätigkeiten des Bevollmächtigten nicht als vom Intendanten getätigt.

In der Praxis hat nicht jeder Bevollmächtigte seine Vollmacht direkt "aus der Hand" des Intendanten empfangen. Vielmehr hat der Intendant einigen wenigen Menschen Generalvollmachten erteilt, die u.a. auch die Ermächtigung enthalten, selbst Vollmachten zu erteilen. Es gibt also eine Vollmachtskette.

Legt ein Mensch eine Vollmacht der LRA vor, so muss diese individuelle Vollmacht lückenlos innerhalb der Vollmachtskette zum Intendanten der LRA rückverfolgbar sein. Ist das nicht der Fall, so ist die individuelle Vollmacht ungültig.

Beim Thema Rundfunkbeitrag zeigt sich die Problematik der Vollmachtenkette an (mindestens) zwei Stellen:

  • Die Widerspruchsbescheide (WB) werden von zwei Menschen unterschrieben.
  • Im Klageverfahren wird ein Vertreter der LRA als Beklagtenvertreter tätig.

Möglicherweise ist die "Vollmachtsfrage" bei Mahnungen und Vollstreckungen anders gelagert/womöglich ohne Bedeutung und sollte (zunächst) in diesem Thread nicht behandelt werden.

Bei den mit zwei Unterschriften versehenen WB stellt sich die Frage, ob jeder der zwei Menschen überhaupt eine Vollmacht des zuständigen Intendanten besitzt. Die zwei Menschen sind in der Regel Beschäftigte des in Köln ansässigen privatrechtlich organisierten Beitragsservices und keine Beschäftigten der LRA.

Im Klageverfahren stellt sich die Frage des Vorliegens einer gültigen Vollmacht, wenn als Beklagtenvertreter ein Rechtsanwalt auftritt. Von unklaren Bevollmächtigungen wird gelegentlich aus Klageverfahren in 2. Instanz berichtet.

In diesem Thread soll versucht werden, im Forum breit verstreute Gedankengänge und Erfahrungswerte zu sammeln.


Edit "Bürger": Danke für die Initiative und umfangreiche Aufbereitung.
Bitte @alle um zielgerichtete/ thementreue Recherche/ Zusammenstellung/ Diskussion. Danke.


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Rüge eines Mangels der Vollmacht

§ 88 ZPO - Mangel der Vollmacht
https://www.gesetze-im-internet.de/zpo/__88.html
Zitat von: § 88 ZPO - Mangel der Vollmacht
(1) Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Rechtsstreits gerügt werden.
(2) Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt.
gefunden in
Klage - Verwaltungsgericht Berlin - Begründung/Urteil /weiteres Vorgehen (11/22)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31813.msg220144.html#msg220144


Haufe gibt eine Orientierung:

Prütting/Gehrlein, ZPO - Kommentar, ZPO § 88 ZPO – Mangel der Vollmacht.
Kommentar aus Deutsches Anwalt Office Premium
Dr. Udo Burgermeister
https://www.haufe.de/recht/deutsches-anwalt-office-premium/pruettinggehrlein-zpo-kommentar-zpo-88-zpo-mangel-der-vollmacht_idesk_PI17574_HI15262459.html
Ein unvollständiger, aber schon sehr informativer Textausschnitt; hieraus nur ganz wenige Sätze:
Zitat von: Prütting/Gehrlein, ZPO - Kommentar, ZPO § 88 ZPO – Mangel der Vollmacht.
Gesetzestext
(1) Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Rechtsstreits gerügt werden.
(2) Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt.

A. Vollmachtsmangel.
[...]

B. Rüge.
[...] Der Mangel der Vollmacht kann jederzeit in jeder Lage des Rechtsstreits (auch noch in der Zwangsvollstreckung und der Kostenfestsetzung; [...] ) gerügt werden, denn auf das Rügerecht kann nicht verzichtet werden [...]

C. Prüfung der Vollmacht.
I. Vertretung durch einen Anwalt.

Bei einer Vertretung durch einen Anwalt findet in allen Verfahren sowohl im Anwaltsprozess als auch im Parteiprozess eine Prüfung der Vollmacht – auch der Untervollmacht (...) – nur auf Rüge statt. Dies gilt auch für Verfahren oder Verfahrensabschnitte, für die kein Anwaltszwang gilt (Zwangsvollstreckung, Kostenfestsetzung, Verfahren vor dem beauftragten oder ersuchten Richter; [...] ) und für selbstständige Verfahren außerhalb des eigentlichen Hauptsacheverfahrens (PKH, einstweiliger Rechtsschutz usw; [...]). [...]
Die Auslassungen "[...]" enthalten tlw. Rechtsstellen und hochspezifische Angaben.



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Nachweis der Vollmachtskette bei Widerspruchsbescheiden

Vorgeschichte:
Es geht um "menschlich unterschriebene" Widerspruchsbescheide (WB), die auf den Widerspruch auf rechtswidrig vollautomatisiert erstellte Festsetzungsbescheide (FB) erlassen wurden. Durch die menschlichen Unterschriften in WB soll nach gegnerischer Ansicht der Mangel des rechtwidrigen Erlasses solcher FB "geheilt" werden können. In diesem Forum wird diese Ansicht für falsch gehalten und in (vielen) anderen Threads erörtert.

Ein strategischer Gedanke: Wird der WB durch Rüge des Mangels der Vollmacht "gekippt", kann erst recht keine "Heilung" eintreten.

Die Rechtslage zu automatisiert erlassenen FB hat sich geändert (seit Juli 2020), so dass die gegnerische Seite eine "Heilung" nicht mehr herbeizaubern müsste. Jedoch ist das Nachfolgende auch bei Widerspruchsbescheide auf Widerspruch gegen "neue" automatisiert erlassene Festsetzungsbescheide von Nutzen.


Rüge bei Widerspruchsbescheiden:
Ein Angriffspunkt ist die mutmaßlich fehlende Bevollmächtigung der beiden Unterschriftengeber im WB.

Der Mangel der Vollmacht bei derartigen WB ist sehr kurzfristig nach Erlass dieses WB zu rügen (lt. Zitat innerhalb von 10 Tagen).

Überlegung:
Im Normalfall sollte innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des WB geklagt werden. Es ist im Moment unklar, ob die Rüge des Mangels der Vollmacht unabhängig davon oder in der Klage (zusammen mit anderen Klagepunkten) erhoben werden soll.

VGH BaWü 13.11.20, 2 S 2134/20 - Heilung vollaut. Bescheid durch Wid.-besch. (11/2022)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,34692.msg219944.html#msg219944
Grundsätzlich ist nach meiner unmaßgeblichen Meinung eine Heilung des Mangels vollautomatischer Bescheide durch das Widerspruchsverfahren an einige enge Bedingungen geknüpft, die jedenfalls im Zusammenhang mit den Widerspruchsbescheiden über Rundfunkbeiträge nicht erfüllt sein dürften.

Grundsätzlich erfordert die Heilung des Mangels durch Erlaß eines Widerspruchsbescheides durch natürliche Personen, daß diese überhaupt zum Erlaß eines Widerspruchsbescheids befugt und bevollmächtigt sind.

Rundfunkanstalten beschäftigen keine Beamte, die Kraft ihres Amtes zur Vertretung ihrer Behörde und zur Begebung hoheitlicher Verwaltungsakte befugt sind und daher eine Vollmacht nicht nachweisen müssen.

Nach den Gesetzen und Staatsverträgen über die Rundfunkanstalten werden diese (nur) durch den Intendanten gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Der Intendant ist also der einzige gesetzliche Vertreter einer Rundfunkanstalt.

Sofern der Intendant seine Befugnisse durch Vollmacht auf Mitarbeiter der Rundfunkanstalt überträgt, wie dies durch die Satzungen vorgesehen ist, haben diese Mitarbeiter ihre Vertretungsmacht und ihre Vollmacht spätestens nach Aufforderung durch Vorlage der Vollmachtsurkunde im Original nachzuweisen. Sind diese Mitarbeiter aufgrund einer Untervollmacht tätig geworden, so haben sie ihre Vollmacht über die gesamte Vollmachtskette durch Vorlage der Vollmachtsurkunden im Original nachzuweisen. Hierbei muß die Vollmacht immer auf den gesetzlichen Vertreter, in diesem Fall also den Intendanten, zurückzuführen sein. Es ist also immer die Vorlage einer Vollmachtsurkunde mit der eigenhändigen Originalunterschrift des Intendanten erforderlich.

Haben die Mitarbeiter der Rundfunkanstalt, die den Widerspruchsbescheid erlassen und unterzeichnet haben, ihre Vollmacht nicht in der oben dargestellten Art nachgewiesen, so ist er dennoch nicht unwirksam, wenn diese einseitige Rechtshandlung nicht, wie im Gesetz (§§ 174, 180 BGB) bestimmt, unverzüglich (also innerhalb von höchstens 10 Tagen) wegen fehlender Vollmacht und fehlender Vertretungsmacht zurückgewiesen wird.

Wird das einseitige Rechtsgeschäft unverzüglich aus den o. a. Gründen zurückgewiesen, so ist der Widerspruchsbescheid unwirksam und damit der Mangel des vollautomatischen Bescheids nicht geheilt.

Die obigen Ausführungen beruhen auf der umfangreichen Rechtsprechung oberster Bundesgerichte, auf deren Zitierung ich aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet habe. Die Rechtsprechung zur Frage der ausreichenden Bevollmächtigung und zur Vertretungsbefugnis ist sehr umfangreich, so daß über die einschlägigen Suchmaschinen bei Bedarf viele hilfreiche Ergebnisse gefunden werden können.

Zur Frage der Wirksamkeit eines Widerspruchsbescheids des WDR, der von Mitarbeiterinnen des WDR mit dem Zusatz "i. V." (in Vollmacht) unterzeichnet wurde, ohne daß diese ihre Vollmacht nachgewiesen haben, ist seit August 2022 eine Klage gegen den WDR vor dem VG Düsseldorf anhängig.
(Hervorhebungen in Fettschrift nicht im Original)


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Vollmacht für externen Rechtsanwalt als Beklagtenvertreter

Zur Frage Dürfen ARD-Anstalten uns Kosten für externe Rechtsanwälte aufzwingen? gibt es schon einige Threads und Linksammlungen - bitte Forumssuche bemühen.

Die Beauftragung externer Rechtsanwälte durch die beklagte LRA hat nach Forumsansicht auch den Zweck, den Kläger finanziell erheblich zu belasten, um ihn oder andere Mitstreiter von weiteren Klagen abzuhalten. Diese Praxis gehört zu den für SLAPP-Klagen (https://de.wikipedia.org/wiki/SLAPP) typische Handlungsformen.

Man darf sich wundern, warum unser Rundfunk versucht, Kritiker plattzumachen, die mit offenem Visier, in persona und mit Klarnamen den Rechtsweg beschreiten.

Der externe Rechtsanwalt stellt seine Kosten der beauftragenden LRA in Rechnung und lässt sich auch von der LRA bezahlen. Die LRA versucht, mit einem Kostenfestsetzungsbeschluss diese Kosten vom Kläger zurückzuholen.

Es zahlt also der unterlegene Kläger nicht direkt an den Rechtsanwalt - das wäre jedenfalls sehr unüblich. Wenn der Rechtsanwalt später die Kosten beim unterlegenen Kläger durch irgendeine Art "Vollstreckung" "holen" will, ist das eine ganz andere Baustelle und hat mit dem verlorenen Klageverfahren nichts mehr zu tun.

Eine Strategie gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss, der auch Rechtsanwaltskosten enthält, und gegen eine spätere "Vollstreckung" durch den Rechtsanwalt könnte sein, dass der Mangel einer Vollmacht des Rechtsanwalts gerügt wird.

Hierzu gibt es folgenden Forumseintrag:

Kostenfestsetzungsantrag von externer Rechtsanwältin des WDR - wie weiter? (08/2023)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,37412.msg223308.html#msg223308
Es ist dringend zu raten, bei Gericht ein Kopie der zur Akte gereichten anwaltlichen Vollmacht anzufordern mit der Begründung, daß Zweifel an einer ausreichenden Bevollmächtigung der Anwälte für das Kostenfestsetzungsverfahren bestehen.

Die bekannte Kölner Kanzlei, die für den WDR tätig ist, hat in zwei mir persönlich bekannten Verfahren nämlich Vollmachten vorgelegt, die unwirksam waren, weil sie u. a. folgende Mängel aufwiesen:
  • die Vollmacht war von zwei WDR-Mitarbeitern unterzeichnet, die ihrerseits ihre Vollmacht zur Vertretung des WDR nicht nachgewiesen hatten
  • in einem Fall handelte es sich um eine Kopie einer Vollmacht, damit genügt sie nicht dem Schriftformerfordernis und ist unwirksam
  • die Vollmacht wurde per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA)* an das Gericht übermittelt, damit genügt sie nicht dem Schriftformerfordernis und ist unwirksam
  • in einem Fall war die Vollmacht von einer anderen Person unterschrieben als der, die dort als einer der beiden Vollmachtgeber genannt wurde
  • in einem Fall waren der Gegenstand der Vollmacht und das Rubrum nicht identisch mit dem Gerichtsverfahren und dessen Rubrum
Dennoch wurde in beiden Verfahren der KFB erlassen, die jeweilige Erinnerung dagegen abgewiesen. Das Gericht hat in zwei verschiedenen Kammern massiv die für den Nachweis einer Vollmacht geltenden gesetzlichen Vorschriften und die diesbezügliche höchstrichterliche Rechtsprechung ignoriert. Nun liegen zwei Verfassungsbeschwerden gegen diese Beschlüsse beim Verfassungsgerichtshof NRW in Münster.

Ich gehe davon aus, daß dieser die Beschlüsse aufheben und sich möglicherweise auch zu dem Beschwerdegrund der richterlichen Willkür äußern wird. Allerdings dürfte dies noch ein Weilchen dauern.

Das Thema "Anforderungen an den Nachweis einer Vollmacht" ist sehr umfangreich und soll hier nicht weiter vertieft werden. Das gehört in ein eigenständiges Thema.


Edit DumbTV:
* Besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA)
Siehe zur Erklärung z.B.
https://de.wikipedia.org/wiki/Besonderes_elektronisches_Anwaltspostfach

Zitat
Das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) ist ein elektronisches Postfach für Rechtsanwälte, aufbauend auf der EGVP-Infrastruktur. Das Postfach soll den in Deutschland zugelassenen Rechtsanwälten die sichere elektronische Kommunikation mit der Justiz, mit Behörden und untereinander ermöglichen[1] und den EGVP-Client für den Zugriff der Rechtsanwälte auf das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) ablösen.

[...]

und auch:
beA & ERV
https://www.brak.de/anwaltschaft/bea-erv/
(Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK))



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  • IP logged  »Letzte Änderung: 24. August 2023, 23:10 von Bürger«

 
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