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Autor Thema: BVerfG 1 BvR 209/83 - Melderegisterabgleich verstößt gegen Persönlichkeitsrecht  (Gelesen 617 mal)

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BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 15. Dezember 1983
- 1 BvR 209/83 -, Rn. 1-215,

http://www.bverfg.de/e/rs19831215_1bvr020983.html

Zitat
Leitsatz 5
Die in VoZählG 1983 § 9 Abs.1 bis 3 vorgesehenen Übermittlungsregelungen (unter anderem Melderegisterabgleich) verstoßen gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Die Weitergabe zu wissenschaftlichen Zwecken (VoZählG 1983 § 9 Abs. 4) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

Rn. 143
Zitat
Prüfungsmaßstab ist in erster Linie das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht.

Rn. 144
Zitat
1. a) Im Mittelpunkt der grundgesetzlichen Ordnung stehen Wert und Würde der Person, die in freier Selbstbestimmung als Glied einer freien Gesellschaft wirkt. Ihrem Schutz dient - neben speziellen Freiheitsverbürgungen - das in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht, das gerade auch im Blick auf moderne Entwicklungen und die mit ihnen verbundenen neuen Gefährdungen der menschlichen Persönlichkeit Bedeutung gewinnen kann (vgl. BVerfGE 54, 148 [153]). Die bisherigen Konkretisierungen durch die Rechtsprechung umschreiben den Inhalt des Persönlichkeitsrechts nicht abschließend. Es umfaßt - wie bereits in der Entscheidung BVerfGE 54, 148 [155] unter Fortführung früherer Entscheidungen (BVerfGE 27, 1 [6] - Mikrozensus; 27, 344 [350 f.] - Scheidungsakten; 32, 373 [379] - Arztkartei; 35, 202 [220] - Lebach; 44, 353 [372 f.] - Suchtkrankenberatungsstelle) angedeutet worden ist - auch die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. ferner BVerfGE 56, 37 [41 ff.] - Selbstbezichtigung; 63, 131 [142 f.] - Gegendarstellung).

Rn. 146
Zitat
[...] Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. [...]

Rn. 147
Zitat
Hieraus folgt: Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfaßt. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.

Rn. 164
Zitat
[...] Eine Weitergabe der für statistische Zwecke erhobenen, nicht anonymisierten oder statistisch aufbereiteten Daten für Zwecke des Verwaltungsvollzugs kann hingegen in unzulässiger Weise in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen

Rn. 194
Zitat
[...] Würden hingegen personenbezogene, nicht anonymisierte Daten, die zu statistischen Zwecken erhoben wurden und nach der gesetzlichen Regelung dafür bestimmt sind, für Zwecke des Verwaltungsvollzuges weitergegeben (Zweckentfremdung), würde in unzulässiger Weise in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. [...]

Rn. 195
Zitat
Eine Regelung, die dennoch beide Zwecke gleichzeitig erreichen will, ist zur Erreichung der beabsichtigten Zwecke jedenfalls dann untauglich und damit verfassungswidrig, wenn sie tendenziell Unvereinbares miteinander verbindet. In einem solchen Fall kann die Verbindung statistischer Zwecke mit Verwaltungsvollzugszwecken in einer Zählung nicht nur zu Unklarheit und Unverständlichkeit der Norm führen, sondern bewirkt darüber hinaus ihre Unverhältnismäßigkeit. Anders als bei Datenerhebungen zu ausschließlich statistischen Zwecken ist hier eine enge und konkrete Zweckbindung der weitergeleiteten Daten unerläßlich (oben C II 2 a)1. Zudem ist das Gebot der Normenklarheit von besonderer Bedeutung. Der Bürger muß aus der gesetzlichen Regelung klar erkennen können, daß seine Daten nicht allein zu statistischen Zwecken verwendet werden, für welche konkreten Zwecke des Verwaltungsvollzugs seine personenbezogenen Daten bestimmt und erforderlich sind und daß ihre Verwertung unter Schutz gegen Selbstbezichtigungen auf diesen Zweck begrenzt bleibt.

Wenn bereits ein Melderegisterabgleich gegen das Persönlichkeitsrecht verstößt, sollte das doch für einen allgemeinen Meldedatenabgleich erst recht gelten, zumal für nicht-statistische Zwecke?


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