Beschluss des III. Zivilsenats vom 27.1.2022 - III ZR 195/20 http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&Seite=1&nr=127233&pos=38&anz=833Rn. 8a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. zB BGH, Urteile vom 8. Oktober 1959 - VII ZR 87/58, BGHZ 31, 43, 45; vom 6. Mai 1993 - I ZR 84/91, NJW-RR 1993, 1122, 1123; vom 14. Mai 2013 - II ZR 76/12, NJW-RR 2013, 1013 Rn. 8; Beschluss vom 7. Mai 2020 - IX ZB 84/19, NJW-RR 2020, 868 Rn. 15) und des Bundesverfassungsgerichts (vgl. zB BVerfG, Beschluss vom 17. September 2020 - 2 BvR 1605/16, r+s 2021, 302 Rn. 15) darf ein Gericht seiner Entscheidung keine Tatsachen zugrunde legen, ohne den Parteien vorher Gelegenheit zu geben, sich zu ihnen zu äußern. Das gilt auch dann, wenn es sich um offenkundige Tatsachen im Sinne des § 291 ZPO handelt. Zu diesen gehören auch solche, die das Gericht dem Internet entnommen hat; will es diese zur Grundlage seines Urteils machen, muss es das Ergebnis seiner Ermittlungen den Parteien zugänglich machen und ihnen durch einen Hinweis (BGH, Urteil vom 6. Mai 1993 aaO) die Möglichkeit zur Stellungnahme geben (BGH, Beschluss vom 7. Mai 2020 aaO). Ein Hinweis kann nur dann unterbleiben, wenn es sich um Umstände handelt, die den Parteien ohne Weiteres gegenwärtig sind und von deren Entscheidungserheblichkeit sie wissen (BGH, Urteil vom 8. Oktober 1959 aaO; Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 291 Rn. 3)
Die in der zitierten Rn. 8 benannte BVerfG-Entscheidung ist nachstehend verlinkt wie zitiert:
BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. September 2020
- 2 BvR 1605/16 -, Rn. 1-28,http://www.bverfg.de/e/rk20200917_2bvr160516.htmlRn. 14a) Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Denn grundsätzlich geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen, namentlich nicht bei letztinstanzlichen, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbaren Entscheidungen. Deshalb müssen, damit das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG feststellen kann, im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfGE 65, 293 <295>; 70, 288 <293>; 86, 133 <145 f.>). Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. auch BVerfGE 47, 182 <189>; 86, 133 <146>). Da Art. 103 Abs. 1 GG einen Anspruch darauf gewährt, sich vor einer gerichtlichen Entscheidung sowohl zum Sachverhalt wie auch zur Rechtslage zu äußern (vgl. BVerfGE 60, 175 <210>; 64, 135 <143>), gelten die vorstehenden Maßstäbe für beide Aspekte (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. August 2013 - 1 BvR 3157/11 -, Rn. 14).
Rn. 15Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf ein Gericht seiner Entscheidung auch keine Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde legen, ohne den Parteien vorher Gelegenheit zu geben, sich zu ihnen zu äußern. An dieser Anhörungspflicht ändert es nichts, wenn das Gericht eine Tatsache als „gerichtskundig“ bezeichnet. Gerichtskundig sind Tatsachen, die dem Richter kraft seines Amtes, zum Beispiel aus früheren Prozessen, bekannt geworden sind. Die Gerichtskundigkeit ist ein Unterfall der Offenkundigkeit. Nach § 291 ZPO bedürfen offenkundige Tatsachen keines Beweises. Die Frage, ob Beweis erhoben werden muss, hat aber mit der Frage, ob eine Tatsache verwertet werden darf, nichts zu tun; dass eine Tatsache gerichtskundig ist, enthebt das Gericht nicht der Pflicht, die ihm bekannte Tatsache, wenn es sie verwerten will, in den Prozess einzuführen (vgl. BVerfGE 10, 177 <183>). Die Gelegenheit, einen Gegenbeweis anzutreten, darf der Partei nicht abgeschnitten werden (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. August 1995 - 2 BvR 175/95 -, Rn. 27).
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