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Autor Thema: PKH/VKH - Rundfunkbeitrag ist als besondere Belastung in Abzug zu bringen  (Gelesen 702 mal)

F
  • Beiträge: 8
Ich konnte hier im Forum noch keine Rezeption von OLG Braunschweig, Beschl. v. 27.3.2023 – 2 WF 27/23 feststellen. Aus den Gründen der Entscheidung könnte sich für den einen oder anderen Kontrahenten ein (erhöhter) Anspruch bei Prozesskostenhilfe/ Verfahrenskostenhilfe ergeben.

OLG Braunschweig, Beschluss vom 23.03.2023, Az. 2 WF 27/23
https://voris.wolterskluwer-online.de/browse/document/d6aead5b-c51f-4454-be0b-6750a556ecda
Zitat von: OLG Braunschweig, Beschluss vom 23.03.2023, Az. 2 WF 27/23
Rundfunkgebühr; Fernsehgebühr; GEZ; Verfahrenskostenhilfe; VKH; Prozesskostenhilfe; PKH; Regelbedarf; besondere Belastung

[...]

Amtlicher Leitsatz

Rundfunkgebühren sind bei der Ermittlung des einzusetzenden Einkommens als angemessene besondere Belastungen nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ZPO in Abzug zu bringen.

In der Familiensache
[...]
hat der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. X, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Y und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Z am 23. März 2023 beschlossen:


Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Göttingen vom 13. Februar 2023 dahingehend geändert, dass die monatlich zu zahlende Rate auf 80,00 € festgesetzt wird.

2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 23. Februar 2023 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Göttingen vom 13. Februar 2023 zurückgewiesen.

3. Die vom Antragsgegner zu tragende Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf die Hälfte ermäßigt. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

4. Die Rechtsbeschwerde wird für die Staatskasse zugelassen.


Gründe

[...]

Nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 1. HS ZPO sind vom Einkommen der Partei weitere Beträge abzusetzen, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist. Seit der Neufassung durch das Prozesskostenhilfeänderungsgesetz vom 10. Oktober 1994 (BGBl. I, 2945) sowie durch die nachfolgenden Änderungen werden die Freibeträge für die Partei, ihren Partner und der weiteren unterhaltsberechtigten Personen nunmehr am Regelbedarf des § 27a ff. SGB XII festgemacht. Daraus folgt, dass die "normale" Belastung einer Partei durch die Regelsätze ausgeglichen wird. Der Begriff "besondere Belastungen" erfasst demnach all das, was durch den sozialhilferechtlichen Regelsatz nicht gedeckt ist (LAG Hamm, Beschlüsse vom 30.01.2023 - 14 Ta 210/22 und 14 Ta 377/22 -, juris, jeweils Rn. 2 - 3).

Bei der Bemessung des sozialhilferechtlichen Regelbedarfs sind die Rundfunk- und Fernsehgebühren ausdrücklich mit der Begründung, Leistungsberechtigte nach dem SGB II oder dem SGB XII seien von der Zahlung dieser Gebühren ohnehin bundesweit befreit ... nicht berücksichtigt worden.

Für Nichtleistungsempfänger wie den Antragsgegner führt dies im Rahmen der Prüfung der finanziellen Voraussetzungen der Gewährung von Verfahrenskostenhilfe im Ergebnis dazu, dass der Rundfunkbeitrag einkommensmindernd berücksichtigt werden kann und im Rahmen der Ermittlung des einzusetzenden Einkommens im Sinne des § 115 Abs. 1 ZPO als angemessene besondere Belastungen nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ZPO in Abzug zu bringen ist (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.12.2015 - 4 WF 174/15 - juris, Rn. 8; LSG Erfurt, Beschluss vom 15.02.2022 - L 1 SV 219/21 B -, juris, Rn. 14, mit Anm. Hagen Schneider, NZFam 2022, 713; Gottschalk/Schneider, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 10. Auflage, 2022, Rn. 313; Schultzky in: Zöller, ZPO, 34. Auflage, 2022, § 115 ZPO, Rn. 46; Bartels in: Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, Kommentar, 4. Aufl. 2021, § 76 FamFG, Rn. 77).

Die abweichende und vorliegend auch vom Amtsgericht vertretene Auffassung, wonach Fernseh- und Rundfunkgebühren aus dem persönlichen Freibetrag der Parteien zu bestreiten [...], überzeugt vor diesem Hintergrund nicht, weil dem nicht leistungsberechtigten Beteiligten naturgemäß ganz regelmäßig der Weg über eine Gebührenbefreiung versperrt ist und dieser damit im Rahmen der Verfahrenskostenhilfeprüfung schlechter gestellt wäre als der leistungsberechtigte Beteiligte, bei dem regelmäßig dieser Bedarf nicht anfällt, oder derjenige, auf den sich im Sinne von § 4 Abs. 3 Rundfunkstaatsvertrag die Gebührenbefreiung erstreckt. Die vom Gesetzgeber gewollte Anlehnung der Regelungen der ZPO an diejenige auf den SGB II und XII [sic] kann auch letztlich nicht selektiv zulasten der nicht leistungsberechtigten, aber im Sinne der ZPO-Vorgaben bedürftigen Partei angewendet werden.

[...]


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Rechtlicher Hinweis: Beiträge stellen keine Rechtsberatung in irgendeiner Form dar. Sie spiegeln ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wider. Weitere Infos: Regeln

  • IP logged  »Letzte Änderung: 01. Dezember 2023, 18:41 von Bürger«

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Nachtrag:
Die für die Staatskasse zugelassene Rechtsbeschwerde wurde nach Mitteilung der Redaktion der FamRZ - Zeitschrift für das gesamte Familienrecht nicht eingelegt (vgl. FamRZ 2023, 1893 (Heft 23)).



Edit "Bürger": Danke für die Info. Damit dürfte die eingangs erwähnte/ verlinkte Entscheidung wohl rechtskräftig geworden sein.


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 01. Dezember 2023, 18:42 von Bürger«

 
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