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Autor Thema: EuGH 168/85 - Korrektur d. Vertragsverl. nicht via Verwaltungsverf. zulässig  (Gelesen 111 mal)

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Vorabhinweis:
Die Relevanz dieser Entscheidung auch für die Belange des Rundfunks, bzw., der Medien insgesamt, resultiert aus der Wortwahl der Leitsätze, die es hier zusätzlich zuzm Tenor der Entscheidung hat.

Einer Vertragsverletzung kann nicht via einfachem Verwaltungsverfahren abgeholfen werden.

Wichtig ist auch die Aussage in Rn. 11, daß alle unmittelbar anwendbaren Bestimmungen des EWG-Vertrages für alle Behörden der Mitgliedsstaaten verbindlich sind.

Urteil des Gerichtshofes vom 15. Oktober 1986.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Italienische Republik.
Vertragsverletzung: Niederlassungsfreiheit - Zugang zu den Berufen des berufsmäßigen Journalisten, des journalistischen Volontärs und des Publizisten sowie zu beruflichen Tätigkeiten im Bereich des Tourismus und zu Auswahlverfahren für die Erteilung von Apothekenkonzessionen.
Rechtssache 168/85

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/TXT/?uri=CELEX:61985CJ0168

Zitat
Leitsätze

1 . DIE MÖGLICHKEIT FÜR DIE RECHTSBÜRGER, SICH VOR DEN INNERSTAATLICHEN GERICHTEN AUF UNMITTELBAR ANWENDBARE VERTRAGSBESTIMMUNGEN ZU BERUFEN, STELLT NUR EINE MINDESTGARANTIE DAR UND REICHT NICHT AUS, UM FÜR SICH ALLEIN DIE UNEINGESCHRÄNKTE ANWENDUNG DES EWG-VERTRAGS ZU GEWÄHRLEISTEN .

AUFGRUND DER FORTGELTUNG EINER GEGEN DEN EWG-VERTRAG VERSTOSSENDEN BESTIMMUNG IN DEN RECHTSVORSCHRIFTEN EINES MITGLIEDSTAATS BLEIBEN, SELBST WENN DIE BETREFFENDE VERTRAGSBESTIMMUNG IN DER RECHTSORDNUNG DER MITGLIEDSTAATEN UNMITTELBAR GILT, UNKLARHEITEN TATSÄCHLICHER ART BESTEHEN, WEIL DIE BETROFFENEN NORM ADRESSATEN BEZUEGLICH DER IHNEN ERÖFFNETEN MÖGLICHKEITEN, SICH AUF DAS GEMEINSCHAFTSRECHT ZU BERUFEN, IN EINEM ZUSTAND DER UNGEWISSHEIT GELASSEN WERDEN, WESHALB EINE SOLCHE BEIBEHALTUNG EINE VERLETZUNG DER VERPFLICHTUNGEN DES GENANNTEN MITGLIEDSTAATS AUS DEM EWG-VERTRAG DARSTELLT .

DA SICH DIE UNVEREINBARKEIT VON NATIONALEM RECHT MIT DEM EWG-VERTRAG LETZTLICH NUR MIT HILFE VERBINDLICHEN INNERSTAATLICHEN RECHTS AUSRÄUMEN LÄSST, DAS DENSELBEN RECHTLICHEN RANG HAT WIE DIE ZU ÄNDERNDEN BESTIMMUNGEN, KANN EINE BLOSSE VERWALTUNGSPRAXIS, DIE DIE VERWAL TUNG NATURGEMÄSS BELIEBIG ÄNDERN KANN UND DIE NUR UNZUREICHEND BEKANNT IST, NICHT ALS EINE RECHTSWIRKSAME ERFÜLLUNG DER VERPFLICHTUNGEN AUS DEM EWG-VERTRAG ANGESEHEN WERDEN, DIE GEEIGNET WÄRE, DIE VERTRAGSVERLETZUNG AUSZURÄUMEN .

[...]

Zitat
11 DIE UNMITTELBAR ANWENDBAREN BESTIMMUNGEN DES EWG-VERTRAGS SIND FÜR ALLE BEHÖRDEN DER MITGLIEDSTAATEN VERBINDLICH. DIESE SIND DESHALB ZU IHRER BEACHTUNG VERPFLICHTET, OHNE DASS DER ERLASS NATIONALER DURCHFÜHRUNGSBESTIMMUNGEN ERFORDERLICH WÄRE . WIE JEDOCH DER GERICHTSHOF IN SEINEM URTEIL VOM 20 . MÄRZ 1986 IN DER RECHTSSACHE 72/85 ( KOMMISSION/NIEDERLANDE , SLG . 1986 , 1219 ) FESTGESTELLT HAT , STELLT DIE MÖGLICHKEIT FÜR DIE RECHTSBÜRGER , SICH VOR DEN INNERSTAATLICHEN GERICHTEN AUF UNMITTELBAR ANWENDBARE VERTRAGSBESTIMMUNGEN ZU BERUFEN , NUR EINE MINDESTGARANTIE DAR UND REICHT NICHT AUS , UM FÜR SICH ALLEIN DIE UNEINGESCHRÄNKTE ANWENDUNG DES EWG-VERTRAGS ZU GEWÄHRLEISTEN . NACH DER RECHTSPRECHUNG DES GERICHTSHOFES , INSBESONDERE DEM URTEIL VOM 25 . OKTOBER 1979 , A . A . O ., BLEIBEN NÄMLICH AUFGRUND DER FORTGELTUNG EINER GEGEN DEN EWG-VERTRAG VERSTOSSENDEN BESTIMMUNG IN DEN RECHTSVORSCHRIFTEN EINES MITGLIEDSTAATS , SELBST WENN DIESE VERTRAGSBESTIMMUNG IN DER RECHTSORDNUNG DER MITGLIEDSTAATEN UNMITTELBAR GILT , UNKLARHEITEN TATSÄCHLICHER ART BESTEHEN , WEIL DIE BETROFFENEN NORMADRESSATEN BEZUEGLICH DER IHNEN ERÖFFNETEN MÖGLICHKEITEN , SICH AUF DAS GEMEINSCHAFTSRECHT ZU BERUFEN , IN EINEM ZUSTAND DER UNGEWISSHEIT GELASSEN WERDEN , WESHALB EINE SOLCHE BEIBEHALTUNG EINE VERLETZUNG DER VERPFLICHTUNGEN DES GENANNTEN MITGLIEDSTAATS AUS DEM EWG-VERTRAG DARSTELLT .

Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 17. Juni 1986.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Italienische Republik.
Vertragsverletzung: Niederlassungsfreiheit - Zugang zu den Berufen des berufsmäßigen Journalisten, des journalistischen Volontärs und des Publizisten sowie zu beruflichen Tätigkeiten im Bereich des Tourismus und zu Auswahlverfahren für die Erteilung von Apothekenkonzessionen.
Rechtssache 168/85

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/TXT/?uri=CELEX:61985CC0168

Zitat
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß es im vorliegenden Fall nicht nur um die Aufrechterhaltung, sondern auch um den Erlaß einer gegen den EWG-Vertrag verstoßenden Rechtsnorm geht.

[...]

Weiter wäre es sehr gewagt anzunehmen, daß die meisten Bürger der Gemeinschaft inzwischen eine genaue Kenntnis ihrer Rechte nach dem EWG-Vertrag haben. Die vom Gerichtshof in der Rechtssache 159/78 angestellten Überlegungen sind auch heute noch gültig. Ein Gesetz, das eine Staatsangehörigkeits- oder Gegenseitigkeitsklausel enthält, kann Personen abschrecken, die ihren Beruf in dem betreffenden Lande ausüben wollen, da diese nicht unbedingt die Rechtsprechung des Gerichtshofes und sicherlich nicht die Runderlasse der Mitgliedstaaten kennen. Die Aufrechterhaltung einer mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbaren Rechtsvorschrift stellt demgemäß auch deshalb eine Vertragsverletzung dar, weil sie die Verwirklichung der Ziele des EWG-Vertrags gefährden kann (Artikel 5 EWG-Vertrag).

Im übrigen hat der Gerichtshof den Grundsatz, daß eine unmittelbar wirksame Vorschrift die Mitgliedstaaten nicht davon befreit, ihr Recht mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang zu bringen, in jüngster Zeit — hinsichtlich Verordnungen — am 20. März 1986 in der Rechtssache 72/85 (Kommission/Niederlande, Slg. 1986, 1219, 1229, Randnr. 20 der Entscheidungsgründe) erneut bestätigt.

Erinnern wir uns schließlich der verfahrensmäßigen Eigenheiten des Artikels 169, bei dem es um die Feststellung und Beendigung von Handlungen eines Mitgliedstaats geht, die Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag zuwiderlaufen.

Der Gerichtshof hat hieraus, wie er kürzlich in seinem Urteil vom 18. März 1986 in der Rechtssache 85/85 (Kommission/Belgien, Slg. 1986, 1149) erneut ausgeführt hat, geschlossen, daß „dadurch, daß der Rechtsweg zu den staatlichen,Gerichten offensteht, die Klagemöglichkeit nach Art 169 EWG-Vertrag nicht geschmälert [wird], da beide Klagen verschiedenen Zwecken dienen und verschiedene Wirkungen haben“ (Randnr. 24 der Entscheidungsgründe). In diesem Urteil verweist der Gerichtshof ausdrücklich auf das Urteil vom 17. Februar 1970 in der Rechtssache 31/69 (Kommission/Italien, Slg. 1970, 25), in dem er aus dem gleichen Grund das Argument der Beklagten zurückgewiesen hatte, die Sanktion der Nichtbefolgung unmittelbar geltender Gemeinschaftsrechtsnormen durch einen Mitgliedstaat falle nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 169, sondern in die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte, die von den Betroffenen angerufen würden (Slg. 1970, 33, Randnr. 7 der Entscheidungsgründe).

Schon in dem Urteil Van Gend en Loos vom 5. Februar 1963 in der Rechtssache 26/62 (Slg. 1963, 1), in dem die Grundlagen der Rechtsprechung über die unmittelbare Wirkung des Gemeinschaftsrechts festgelegt wurden, hatte der Gerichtshof folgendes erklärt: „Die Wachsamkeit der an der Wahrung ihrer Rechte interessierten einzelnen stellt eine wirksame Kontrolle dar, welche die durch die Kommission und die Mitgliedstaaten gemäß den Artikeln 169 und 170 ausgeübte Kontrolle ergänzt“ (Slg. 1963, 25f).

Hieraus folgt, daß die Mitgliedstaaten nicht unter Berufung auf eine unmittelbar wirksame Vorschrift des Gemeinschaftsrechts die Anpassung zuwiderlaufenden innerstaatlichen Rechts unterlassen können.

Ein anderes Ergebnis ist nicht denkbar, wenn man die Gründe berücksichtigt, die den Gerichtshof dazu geführt haben, gewissen Bestimmungen des EWG-Vertrags unmittelbare Wirkung zuzuerkennen, weiter die Verpflichtung jedes nationalen Gerichts festzustellen, jede gemeinschaftsrechtswidrige nationale Bestimmung außer Anwendung zu lassen, ob sie nun früher oder später als die Gemeinschaftsnorm ergangen ist ( 6 ), und schließlich zu entscheiden, daß gewisse Bestimmungen einer Richtlinie unter besonderen Umständen ( 7 )„unmittelbare Wirkung“ ( 8 ) haben können.

In all diesen Fällen geht es darum, den einzelnen als „Mindestgarantie“ ( 9 ) die Möglichkeit zu gewährleisten, sich vor den innerstaatlichen Gerichten auf ihre Rechte zu berufen, obwohl die Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sind.

Es wäre nun aber zumindest paradox, wenn eine Rechtsprechung des Gerichtshofes, die dem Schutz der einzelnen vor der Untätigkeit ihrer Regierungen dienen soll, jetzt von diesen Regierungen zur Rechtfertigung dafür herangezogen werden könnte, ihre Untätigkeit fortzusetzen oder sich völlig von der Anpassung ihres innerstaatlichen Rechts an das Gemeinschaftsrecht zu befreien.


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