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Autor Thema: EuGH C-214/94 - Verbot der Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit  (Gelesen 838 mal)

  • Beiträge: 7.303
Urteil des Gerichtshofes vom 30. April 1996.
Ingrid Boukhalfa gegen Bundesrepublik Deutschland.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesarbeitsgericht - Deutschland.
In einem Drittland ansässiger Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats - Tätigkeit als Ortskraft in der Botschaft eines anderen Mitgliedstaats in diesem Drittland - Unterschiedliche Behandlung im Verhältnis zu den Ortskräften, die dem die Auslandsvertretung unterhaltenden Staat angehören - Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts - Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit.
Rechtssache C-214/94.

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/TXT/?uri=CELEX:61994CJ0214

Zitat
Aus diesen Gründen hat DER GERICHTSHOF
auf die ihm vom Bundesarbeitsgericht mit Beschluß vom 23. Juni 1994 vorgelegte Frage für Recht erkannt:


Das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit gemäß Artikel 48 Absatz 2 EG-Vertrag und Artikel 7 Absätze 1 und 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft ist auf einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der ständig in einem Drittland lebt und aufgrund eines dort geschlossenen und dauernd dort erfuellten Arbeitsvertrags von einem anderen Mitgliedstaat bei dessen Botschaft in diesem Drittland beschäftigt wird, hinsichtlich aller Aspekte des Arbeitsverhältnisses anwendbar, die das Recht des den Betroffenen beschäftigenden Mitgliedstaats regelt.

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Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 14. November 1995.
Ingrid Boukhalfa gegen Bundesrepublik Deutschland.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesarbeitsgericht - Deutschland.
In einem Drittland ansässiger Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats - Tätigkeit als Ortskraft in der Botschaft eines anderen Mitgliedstaats in diesem Drittland - Unterschiedliche Behandlung im Verhältnis zu den Ortskräften, die dem die Auslandsvertretung unterhaltenden Staat angehören - Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts - Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit.
Rechtssache C-214/94.

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A61994CC0214&qid=1626643109293

Rn. 36
Zitat
Eine der ersten Rechtssachen, die zu dieser Rechtsprechung geführt haben, warf u. a. die Frage auf, inwieweit das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Artikel 48, 59 und subsidiär 7 ( 24 ) EWG-Vertrag) auf Rcchtsbczichungen im Rahmen der Tätigkeiten eines weltweit tätigen Sportverbands (Union cycliste internationale) anwendbar ist.

Ihre Antwort im Urteil vom 12. Dezember 1974 in der Rechtssache Walrave und Koch ( 25 ) ist von grundsätzlicher Bedeutung:

„Wegen seines zwingenden Charakters ist das Diskriminierungsverbot bei der Prüfung sämtlicher Rechtsbeziehungen zu beachten, die aufgrund des Ortes, an dem sie entstanden sind oder an dem sie ihre Wirkungen entfalten, einen räumlichen Bezug zum Gebiet der Gemeinschaft aufweisen.

Es ist Sache des einzelstaatlichen Richters, sich unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls ein Urteil über diesen räumlichen Bezug zu bilden und hinsichtlich der Rechtswirkungen dieser Beziehungen die Folgerungen aus einer etwaigen Verletzung des Diskriminierungsverbots zu ziehen.“ ( 26 )

Rn. 42
Zitat
In einem Arbeitsverhältnis zwischen einem Unternehmen aus der Gemeinschaft und einem Angehörigen aus einem anderen Mitgliedstaat sind die Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (insbesondere die über das Verbot einer Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit) ohne Zweifel grundsätzlich anwendbar.

Rn. 43
Zitat
Ihre grundsätzliche Anwendbarkeit wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß das Arbeitsverhältnis, sei es vorübergehend und gelegentlich (Urteile Walrave und Koch sowie Prodest, a. a. O.) oder auf Dauer und ausschließlich (Urteile Lopes da Veiga und Aldewereld, a. a. O.), im Ausland erfüllt wird.

Rn. 56
Zitat
Im übrigen ist im Unterschied zu den Fällen, über die Sie bisher zu entscheiden hatten, der Arbeitgeber hier keine schlichte Privatperson, sondern eine öffentliche Körperschaft und zwar die bedeutendste, die es gibt: der Staat. Diese schlichte Feststellung genügt bereits, um sagen zu können, daß die Kriterien, die Sie in bezug auf den Arbeitgeber herausgestellt haben — Ort der Niederlassung, Rechtsordnung, der er unterliegt — erfüllt sind, wenn Arbeitgeber der Staat ist. In einem solchen Fall ist nämlich ein „Klima“ der Verbundenheit mit der Rechtsordnung dieses Staates zwangsläufig vorgegeben.

Rn. 61
Zitat
Mein Standpunkt stimmt mit dem eines Teiles der Lehre überein, wonach „der Vertrag auf die Mitgliedstaaten überall dort anwendbar ist, wo sie, selbst im internationalen Bereich, ihre Hoheitsgewalt und ihre Gerichtsbarkeit auf ein Objekt erstrecken, das in den Regelungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt“ ( 44 ), oder wonach „der Vertrag und das abgeleitete Recht nicht nur im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten Anwendung finden ..., sondern überall dort, wo die Staaten gemäß dem Völkerrecht gewisse, wenn auch begrenzte, ‚Souveränitätsrechte‘“ ( 45 ) ausüben.

Rn. 63
Zitat
Eine letzte Bemerkung sei mir noch erlaubt. Sie hatten noch nicht Gelegenheit, zu dem „neuen“ Begriff der Unionsbürgerschaft Stellung zu nehmen, der in den Vertrag über die Europäische Union aufgenommen worden ist. Die Anerkennung einer solchen, in den Artikeln 8 bis 8e EG-Vertrag verankerten Bürgerschaft hat einen stark symbolischen Wert und stellt wahrscheinlich einen der herausragenden Teile der europäischen Konstruktion dar, der die öffentliche Meinung am meisten beschäftigt hat. Zwar erfaßt dieser Begriff in Wirklichkeit Aspekte, die durch die Entwicklung des Gemeinschaftsrechts bereits überwiegend verwirklicht worden sind, und stellt insoweit eine Konsolidierung des gemeinschaftlichen Besitzstandes dar. Es obliegt aber dem Gerichtshof, dem Begriff seine volle Bedeutung zu geben. Wenn man sämtliche Konsequenzen zieht, die mit dem Begriff verbunden sind, müssen alle Unionsbürger unabhängig von ihrer Nationalität genau gleiche Rechte und Pflichten haben. In letzter Konsequenz soll dieser Begriff eine völlige Gleichstellung der Unionsbürger unabhängig von ihrer Nationalität ermöglichen. Diese Gleichstellung müßte in derselben Weise wirksam sein wie zwischen den Staatsangehörigen ein und desselben Staates. So ist in einem Fall wie dem, über den Sie hier zu entscheiden haben, nicht denkbar, daß einige deutsche Ortskräfte anders behandelt werden könnten als andere deutsche Ortskräfte, die sich in derselben Lage befinden. Warum sollte dies bei einer belgischen Ortskraft denkbar sein...?

In der vorliegenden Sache ging es um eine Mitarbeiterin der Deutschen Botschaft in Algerien, die Bürgerin des Unionslandes Belgien war, ihren Wohnsitz aber in Algerien hatte und von dieser Deutschen Botschaft selbst per Arbeitsvertrag als Mitarbeiterin eingestellt wurde.

Unionsrecht kommt hier auch in einem Drittland voll zur Anwendung, wie der EuGH entschied, weil es dafür ausreichend ist, daß das Arbeitsverhältnis zwischen einer Unionsbürgerin/einem Unionsbürger und einer öffentlichen oder privaten Stelle mit Sitz in einem Unionsland besteht, auch wenn sich der konkrete Arbeitsort in einem Drittland außerhalb der Union befindet.

Die Relevanz daraus für die Belange des Rundfunkbeitrages bestehen in der möglichen Diskriminierung deutscher Unionsbürger*innen gegenüber nicht-deutschen Unionsbürger*innen, wenn die nicht-deutschen Unionsbürger*innen bei sonst gleichen Voraussetzungen nicht zum Rundfunkbeitrag herangezogen werden, weil es Zoff zwischen den Unionsländern haben könnte, wenn sich diese nicht-deutschen Unionsbürger voll auf ihre unionsrechtlichen Verbraucherschutzrechte in Belangen der nichtbestellten Waren und Dienstleistungen stützen, (bspw.), und diese Ungleichbehandlung "heimtelefonieren" würden, wenn sich das Unionsland Deutschland ihnen gegenüber über diese unionsrechtlichen Vorgaben hinwegsetzt.

Freilich hätten diese nicht-deutschen Unionsbürger*innen das Recht, die Diskriminierung der deutschen Unionsbürger*innen, wenn sich ein Unionsland gegenüber den deutschen Unionsbürger*innen über Unionsrecht hinwegsetzt, zu thematisieren.

Weiterführend siehe auch den Abschnitt zum Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen in nachstehendem Thema:

Rechtsgrundlage? -> Nichtbeteiligung Abgabebegünstigter zur Leistung der Abgabe
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,35515.msg214810.html#msg214810

Ebenfalls interessant ist Protokoll 7 zu nachstehendem Regelwerk

Konsolidierte Fassungen des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Vertrag über die Europäische Union (konsolidierte Fassung) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (konsolidierte Fassung) Protokolle Anhänge des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Erklärungen zur Schlussakte der Regierungskonferenz, die den am 13. Dezember 2007 unterzeichneten Vertrag von Lissabon angenommen hat Übereinstimmungstabellen
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv:OJ.C_.2016.202.01.0001.01.DEU&toc=OJ:C:2016:202:TOC

Zitat
PROTOKOLL (Nr. 7)

ÜBER DIE VORRECHTE UND BEFREIUNGEN DER EUROPÄISCHEN UNION

Artikel 3
[...]
Von den Abgaben, die lediglich die Vergütung für Leistungen gemeinnütziger Versorgungsbetriebe darstellen, wird keine Befreiung gewährt.


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  • Beiträge: 691
Naja - der Ortsbezug ist ja beim Rundfunkbeitrag gegeben.
Für alle EU-Bürger, die eine Wohnung in Deutschland haben, gilt: sie werden rundfunkbeitragspflichtig.
(Das kann ich schön bei meinen italienischen Kollegen sehen, die auch ihre Rechnungen/Bescheide kriegen.)

Ich kann jedenfalls nicht erkennen, dass hier (in D.) bei der Rundfunkbeitragspflicht eine Ungleichbehandlung von Bürgern der BRD oder anderer europäischer Staaten besteht.


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Ich kann jedenfalls nicht erkennen, dass hier (in D.) bei der Rundfunkbeitragspflicht eine Ungleichbehandlung von Bürgern der BRD oder anderer europäischer Staaten besteht.
Es besteht der ausdrückliche Querbezug zu Beschäftigten in Botschaften, Konsultaten und Co. der Unionsländer, die sie in einem anderen Unionsland, bspw. in Deutschland, betreiben.

Und hier wäre eben die Frage, ob diese Unionsbürger*innen, die Mitarbeiter*innen einer staatlichen Niederlassung a la Botschaft eines anderen Unionslandes in Deutschland sind, vom dt. Rundfunk ohne ihr eigenes Zutun "beglückt" werden.


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