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Autor Thema: EuGH C-388/13 - "Unlautere, irreführende Geschäftspraxis"  (Gelesen 640 mal)

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Vorweg:
Verlinkt wird auf die in EUR-Lex eingearbeitete Entscheidung, da hier alle vom EuGH zitierten weiterführenden Entscheidungen als PDF verlinkt sind und direkt aus dem Dokument heraus aufgerufen werden können.

Interessant ist die Verbindung zwischen "Telekommunikationsunternehmen", (siehe im nachstehenden Bereich der Hervorhebung in Grün), und "Kabelfernsehdienstleistung", (Rn. 37). Eine "Kabelfernsehdienstleistung" wird also bei einem "Telekommunikationsunternehmen" bestellt/abonniert und nicht etwa beim Medienunternehmen, das dieses "Fernsehen" produziert, welches dann via "Kabelfernsehdienstleistung" dem Kunden näher gebracht wird.

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
16. April 2015 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Richtlinie 2005/29/EG — Unlautere Geschäftspraktiken — Erteilung einer falschen Auskunft durch ein Telekommunikationsunternehmen gegenüber einem Abonnenten, die diesem zusätzliche Kosten verursacht — Einstufung als ‚irreführende Geschäftspraxis‘“

In der Rechtssache C-388/13

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A62013CJ0388&qid=1622929364350

Rn. 32
Zitat
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass zum einen mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken durch eine vollständige Harmonisierung der Regeln über unlautere Geschäftspraktiken ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleistet werden soll (vgl. u. a. Urteile Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag, C-540/08, EU:C:2010:660, Rn. 27, Citroën Belux, C-265/12, EU:C:2013:498, Rn. 20, CHS Tour Services, C-435/11, EU:C:2013:574, Rn. 47, und Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, C-59/12, EU:C:2013:634, Rn. 34).
Diese vollständige Harmonisierung bewirkt, daß die Mitgliedsländer keine Befugnis haben, eigene Regeln zu definieren; die Unionsregeln sind abschließend.

Rn. 33
Zitat
Zum anderen folgt aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des Rechts der Union als auch des Gleichheitssatzes, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (vgl. u. a. Urteil Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, C-59/12, EU:C:2013:634, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Rn. 34
Zitat
Erstens hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass sich die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken durch einen besonders weiten sachlichen Anwendungsbereich auszeichnet (Urteile Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag, C-540/08, EU:C:2010:660, Rn. 21, und Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, C-59/12, EU:C:2013:634, Rn. 40), da der Unionsgesetzgeber den Begriff „Geschäftspraxis“ im Sinne dieser Richtlinie sehr weit konzipiert hat, indem ihn deren Art. 2 Buchst. d als „jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden“ definiert.

Rn. 35
Zitat
Somit besteht das einzige in dieser Bestimmung genannte Kriterium darin, dass die Praxis des Gewerbetreibenden mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung einer Ware oder einer Dienstleistung an Verbraucher in unmittelbarem Zusammenhang stehen muss (vgl. u. a. Urteile Plus Warenhandelsgesellschaft, C-304/08, EU:C:2010:12, Rn. 39, und CHS Tour Services, C-435/11, EU:C:2013:574, Rn. 27).

Rn. 37
Zitat
Nach alledem ist davon auszugehen, dass eine Auskunft, die – wie im Ausgangsverfahren – durch ein Unternehmen im Rahmen des Kundendienstes für das Abonnement einer Privatperson über Kabelfernsehdienstleistungen erteilt wird, unter den Begriff „Geschäftspraxis“ im Sinne der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken fällt.

Rn. 39
Zitat
Wie sich unmittelbar aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie ergibt, gilt eine Geschäftspraxis als irreführend, wenn sie falsche Angaben enthält und somit unwahr ist oder wenn sie in irgendeiner Weise den Durchschnittsverbraucher insbesondere in Bezug auf die wesentlichen Merkmale der Ware oder der Dienstleistung, einschließlich des Kundendienstes, den Preis, die Art der Preisberechnung sowie die Rechte des Verbrauchers täuscht oder ihn zu täuschen geeignet ist, und wenn sie den Verbraucher tatsächlich oder voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er ansonsten nicht getroffen hätte.

Rn. 40
Zitat
Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, liegen in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden alle in dieser Vorschrift genannten Elemente vor. Diese Situation ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass ein Verbraucher auf seine an einen Gewerbetreibenden zu dem Zweck gerichtete Anfrage, von seinem Recht auf Kündigung eines mit diesem geschlossenen Vertrags über Dienstleistungen Gebrauch zu machen, von diesem eine falsche Auskunft über die Dauer der Vertragsbeziehung zwischen beiden Parteien erhalten hat, sowie dadurch, dass der Fehler des Unternehmens die Privatperson daran gehindert hat, eine Entscheidung in voller Kenntnis der Sachlage zu treffen und ihr dadurch im Übrigen zusätzliche Kosten entstanden sind.

Rn. 41
Zitat
Hierzu ist klarzustellen, dass in diesem Zusammenhang völlig unbeachtlich ist, dass das Verhalten des betreffenden Gewerbetreibenden nur einmal vorkam und nur einen Verbraucher betraf.

Rn. 47
Zitat
Weiterhin ist gänzlich unbeachtlich, ob ein Verhalten wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende mutmaßlich nicht auf Vorsatz beruht.
   
Rn. 48
Zitat
Art. 11 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken sieht nämlich ausdrücklich vor, dass die Durchsetzung der von den Mitgliedstaaten zum Zweck der Bekämpfung solcher Praktiken ergriffenen Maßnahmen nicht den Nachweis voraussetzt, dass der Gewerbetreibende vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat oder auch, dass dem Verbraucher ein tatsächlicher Schaden entstanden ist.

Rn. 49
Zitat
In jedem Fall ist Art. 6 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, wie sich aus der Verwendung des Begriffs „voraussichtlich“ ergibt, im Wesentlichen präventiver Art. Daher ist es für die Zwecke der Anwendung dieses Artikels ausreichend, dass der Gewerbetreibende eine objektiv falsche Auskunft erteilt hat, die geeignet ist, einen nachteiligen Einfluss auf eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers auszuüben.

Rn. 51
Zitat
Die vorstehende Auslegung wird dadurch bestätigt, dass durch sie die volle Wirksamkeit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken sichergestellt werden kann, indem sie entsprechend dem insbesondere in Art. 1 dieser Richtlinie genannten Erfordernis, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, garantiert, dass die unlauteren Geschäftspraktiken gemäß Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie „im Interesse der Verbraucher“ wirksam bekämpft werden. Wie sich insbesondere aus ihren Erwägungsgründen 7, 8, 11, 13 und 14 ergibt, stellt diese Richtlinie hierzu ein generelles Verbot jener unlauteren Geschäftspraktiken auf, die das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher beeinträchtigen (vgl. Urteil Trento Sviluppo und Centrale Adriatica, C-281/12, EU:C:2013:859, Rn. 32).

Rn. 52
Zitat
So hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Bestimmungen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken im Wesentlichen aus der Sicht des Verbrauchers als des Adressaten und Opfers unlauterer Geschäftspraktiken konzipiert sind (vgl. Urteil Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, C-59/12, EU:C:2013:634, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Rn. 53
Zitat
Das mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken verfolgte Ziel, die Verbraucher umfassend vor derartigen Praktiken zu schützen, beruht auf dem Umstand, dass sich ein Verbraucher im Vergleich zu einem Gewerbetreibenden insbesondere hinsichtlich des Informationsniveaus in einer unterlegenen Position befindet, da er als wirtschaftlich schwächer und rechtlich weniger erfahren als sein Vertragspartner angesehen werden muss (vgl. Urteil Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, C-59/12, EU:C:2013:634, Rn. 35).

Rn. 54
Zitat
Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist die Behauptung von UPC, wonach sich der Verbraucher im vorliegenden Fall die richtige Auskunft selbst hätte beschaffen können, daher als unerheblich anzusehen.
Es ist alleinig Aufgabe des Unternehmens im Sinne des Unionsrechts, die Verbraucher*innen über alle Sachverhalte rechtzeitig und ausführlich zu informieren, was freilich Sachverhalte einbezieht, die für das Unternehmen im Sinne des Unionsrechts selbst ungünstig sind.

Rn. 55
Zitat
Nach dieser Klarstellung ist noch darauf hinzuweisen, dass sich diese Richtlinie darauf beschränkt, in ihrem Art. 5 Abs. 1 vorzusehen, dass unlautere Geschäftspraktiken „verboten [sind]“.

Zitat
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

1. Die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) ist dahin auszulegen, dass die Erteilung einer falschen Auskunft durch einen Gewerbetreibenden an einen Verbraucher wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende als „irreführende Geschäftspraxis“ im Sinne dieser Richtlinie einzustufen ist, auch wenn diese Auskunftserteilung nur einen Verbraucher betraf.
     
2. Die Richtlinie 2005/29 ist dahin auszulegen, dass im Fall einer Geschäftspraxis, die alle in Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Voraussetzungen für eine Einstufung als den Verbraucher irreführende Praxis erfüllt, nicht mehr geprüft zu werden braucht, ob eine solche Praxis auch den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie widerspricht, um sie als unlauter und mithin nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie verboten ansehen zu können.

Zum Regelwerk:
Konsolidierter Text: Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (Text von Bedeutung für den EWR)
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A02005L0029-20220528&qid=1622929364350

Zur in Rn. 52 zitierten Entscheidung C-59/12:

Rn. 36 - EuGH C-59/12
Zitat
Daher hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass dem Begriff „Verbraucher“ entscheidende Bedeutung für die Zwecke der Auslegung dieser Richtlinie zukommt und dass ihre Bestimmungen im Wesentlichen aus der Sicht des Verbrauchers als des Adressaten und Opfers unlauterer Geschäftspraktiken konzipiert sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Mai 2011, Ving Sverige, C-122/10, Slg. 2011, I-3903, Randnrn. 22 und 23, sowie vom 19. September 2013, CHS Tour Services, C-435/11, Randnr. 43).

Diese Entscheidung wurde schon im Forum thematisiert.

EuGH C-59/12 - ö. R. Körperschaft <-> Unlautere Geschäftspraxis untersagt
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=34422.0


Unterschriftenaktion: https://online-boykott.de/unterschriftenaktion
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  • IP logged  »Letzte Änderung: 06. Juni 2021, 06:16 von pinguin«
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