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Autor Thema: EuGH C-152/19 P - "Mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung"  (Gelesen 730 mal)

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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
25. März 2021(*)

„Rechtsmittel – Wettbewerb – Art. 102 AEUV – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Slowakischer Markt für Breitband-Internetzugangsdienste – Regulatorische Verpflichtung der Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht, Zugang zum Teilnehmeranschluss zu gewähren – Von dem auf dem Markt etablierten Betreiber festgelegte Bedingungen für den entbündelten Zugang anderer Betreiber zum Teilnehmeranschluss – Unentbehrlichkeit des Zugangs – Zurechenbarkeit des Verhaltens der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft – Verteidigungsrechte“

In der Rechtssache C-152/19 P

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=239285&pageIndex=0&doclang=de&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=296640

Rn. 41
Zitat
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs handelt es sich bei dem Begriff der missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV um einen objektiven Begriff, der auf die Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung abstellt, die auf einem Markt, auf dem der Grad an Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Grades an Wettbewerb oder die Entwicklung des Wettbewerbs durch den Einsatz von anderen Mitteln behindern als denjenigen eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Wirtschaftsteilnehmer (Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C-307/18, EU:C:2020:52, Rn. 148 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Die dt. ÖRR nutzen ihre marktbeherrschende Stellung dann mißbräuchlich, wenn sie rundfunkferne Personen zur Finanzierung ihrer Rundfunkprodukte heranziehen, da dieses kein legitimes Mittel eines normalen Produkt- und Dienstleistungswettbewerbs darstellt.

Rn. 42
Zitat
Bei der Prüfung der Frage, ob die Verhaltensweise eines Unternehmens in beherrschender Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV missbräuchlich ist, ist allen besonderen Umständen des Falles Rechnung zu tragen (vgl. in diesem Sinne Urteile TeliaSonera, Rn. 68, vom 6. Oktober 2015, Post Danmark, C-23/14, EU:C:2015:651, Rn. 68, und vom 19. April 2018, MEO – Serviços de Comunicações e Multimédia, C-525/16, EU:C:2018:270, Rn. 27 und 28).

Rn. 46
Zitat
Wie auch der Generalanwalt in den Nrn. 68, 73 und 74 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, bedeutet die Feststellung, dass ein Unternehmen in beherrschender Stellung diese dadurch missbraucht hat, dass es sich geweigert hat, mit einem Wettbewerber einen Vertrag zu schließen, letztlich, dass das Unternehmen gezwungen wird, mit dem Wettbewerber einen Vertrag zu schließen. Eine solche Verpflichtung stellt jedoch einen schweren Eingriff in die Vertragsfreiheit und das Eigentumsrecht des Unternehmens in beherrschender Stellung dar, da es einem Unternehmen, auch wenn es eine beherrschende Stellung innehat, grundsätzlich freisteht, den Abschluss eines Vertrags zu verweigern und die von ihm aufgebaute Infrastruktur für eigene Zwecke zu nutzen (vgl. entsprechend Urteil vom 5. Oktober 1988, Volvo, 238/87, EU:C:1988:477, Rn. 8 ).

Rn. 48
Zitat
Weigert sich ein Unternehmen in beherrschender Stellung, Zugang zu einer Infrastruktur zu gewähren, die es für seine eigene Tätigkeit aufgebaut hat, lässt sich die Entscheidung, dieses Unternehmen zu verpflichten, Zugang zu dieser Infrastruktur zu gewähren, daher wettbewerbspolitisch nur in Fällen rechtfertigen, in denen das marktbeherrschende Unternehmen den betreffenden Markt fest in seinem Griff hält.

Rn. 72
Zitat
Zur Begründetheit ist festzustellen, dass sich die Verfasser der Verträge dafür entschieden haben, den Begriff „Unternehmen“ zu verwenden, um die Person zu bezeichnen, die eine Zuwiderhandlung gegen Wettbewerbsrecht begangen hat und gemäß den Art. 101 und 102 AEUV mit einer Sanktion belegt werden kann. Dieser autonome Begriff des Unionsrechts umfasst unabhängig von der Rechtsform und der Art der Finanzierung jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit personeller, materieller und immaterieller Mittel (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. März 2019, Skanska Industrial Solutions u. a., C-724/17, EU:C:2019:204, Rn. 29, 36 und 47). Danach ist unter dem Begriff „Unternehmen“ im Sinne der Art. 101 und 102 AEUV eine im Hinblick auf den Gegenstand der betreffenden wettbewerbswidrigen Verhaltensweise bestehende wirtschaftliche Einheit zu verstehen, selbst wenn diese rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Juli 1984, Hydrotherm Gerätebau, 170/83, EU:C:1984:271, Rn. 11, und vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C-521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Rn. 73
Zitat
Aus dieser Entscheidung der Verfasser der Verträge ergibt sich zum einen, dass eine solche wirtschaftliche Einheit, wenn sie gegen die Wettbewerbsregeln verstößt, nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortung für diese Zuwiderhandlung einzustehen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C-521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung), und zum anderen, dass eine juristische Person unter bestimmten Umständen gesamtschuldnerisch für das wettbewerbswidrige Verhalten einer anderen juristischen Person, die derselben wirtschaftlichen Einheit angehört, persönlich verantwortlich gemacht werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. April 2017, Akzo Nobel u. a./Kommission, C-516/15 P, EU:C:2017:314, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Rn. 74
Zitat
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann die Muttergesellschaft für das Verhalten der Tochtergesellschaft verantwortlich gemacht werden, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht eigenständig bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen, die die beiden Rechtssubjekte verbinden (vgl. u. a. Urteile vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, C-97/08 P, EU:C:2009:536, Rn. 58, vom 10. April 2014, Areva u. a./Kommission, C-247/11 P und C-253/11 P, EU:C:2014:257, Rn. 30, sowie vom 18. Januar 2017, Toshiba/Kommission, C-623/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:21, Rn. 45). In solchen Fällen können die von der Muttergesellschaft erteilten Weisungen eine Form eines bestimmenden Einflusses darstellen, den die Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft ausübt.
Die dt. ÖRR haben aber keine gemeinsame Muttergesellschaft? Wäre die Frage, ob die ARD nach europäischen Maßstäben ein eigenes Rechtsubjekt wäre?

Anmerkung zur zitierten Rn. 41:

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)
30. Januar 2020(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Wettbewerb – Pharmazeutische Erzeugnisse – Schranken für den Eintritt in den Generikamarkt, die durch Vereinbarungen zur gütlichen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten über Verfahrenspatente errichtet werden, die der Hersteller des Originalpräparats und Inhaber der Verfahrenspatente mit Generikaherstellern schließt – Art. 101 AEUV – Potenzieller Wettbewerb – Bezweckte Beschränkung – Einstufung – Bewirkte Beschränkung – Beurteilung der Auswirkungen – Art. 102 AEUV – Relevanter Markt – Einbeziehung der Generika in den relevanten Markt – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Einstufung – Rechtfertigungsgründe“

In der Rechtssache C-307/18

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=222887&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=357942

Rn. 148
Zitat
Insoweit ist zu beachten, dass es sich beim Begriff der missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV um einen objektiven Begriff handelt, der auf die Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung abstellt, die auf einem Markt, auf dem der Grad an Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Grades an Wettbewerb oder die Entwicklung des Wettbewerbs durch den Einsatz von anderen Mitteln behindern als denjenigen eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Wirtschaftsteilnehmer (Urteile vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission, 85/76, EU:C:1979:36, Rn. 91, und vom 19. April 2012, Tomra Systems u. a./Kommission, C-549/10 P, EU:C:2012:221, Rn. 17).

Diese Uralt-Entscheidung, siehe Hervorhebung im obigen Zitat der Rn. 148 in Blau, hat es hier via EUR-Lex:

URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 13. FEBRUAR 1979. - HOFFMANN-LA ROCHE UND CO. AG GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - MARKTBEHERRSCHENDE STELLUNG. - RECHTSSACHE 85-76.
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A61976CJ0085&qid=1616859797500

Zitat
91DER QUALIFIZIERUNG ALS EINER MISSBRÄUCHLICHEN AUSNUTZUNG EINER BEHERRSCHENDEN STELLUNG LÄSST SICH AUCH NICHT DIE VON DER KLAEGERIN VORGESCHLAGENE AUSLEGUNG ENTGEGENHALTEN , DER BEGRIFF DER MISSBRÄUCHLICHEN AUSNUTZUNG SETZE VORAUS , DASS DIE DURCH EINE BEHERRSCHENDE STELLUNG ERLANGTE WIRTSCHAFTSKRAFT ALS MITTEL FÜR DIE VERWIRKLICHUNG DES MISSBRAUCHS EINGESETZT WERDE . DER BEGRIFF DER MISSBRÄUCHLICHEN AUSNUTZUNG IST VIELMEHR EIN OBJEKTIVER BEGRIFF . ER ERFASST DIE VERHALTENSWEISEN EINES UNTERNEHMENS IN BEHERRSCHENDER STELLUNG , DIE DIE STRUKTUR EINES MARKTES BEEINFLUSSEN KÖNNEN , AUF DEM DER WETTBEWERB GERADE WEGEN DER ANWESENHEIT DES FRAGLICHEN UNTERNEHMENS BEREITS GESCHWÄCHT IST , UND DIE DIE AUFRECHTERHALTUNG DES AUF DEM MARKT NOCH BESTEHENDEN WETTBEWERBS ODER DESSEN ENTWICKLUNG DURCH DIE VERWENDUNG VON MITTELN BEHINDERN , WELCHE VON DEN MITTELN EINES NORMALEN PRODUKT- ODER DIENSTLEISTUNGSWETTBEWERBS AUF DER GRUNDLAGE DER LEISTUNGEN DER MARKTBÜRGER ABWEICHEN .
Ist also seit Urzeiten ein gefestigte Aussage des EuGH.

Hinweis zu dieser Uralt-Entscheidung:
Diese hat es via EUR-Lex nur in Großbuchstaben und ist insofern leider etwas schwierig/ungewohnt zu lesen.


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Bei Verarbeitung pers.-bez.-Daten ist das Unionsgrundrecht unmittelbar bindend; (BVerfG 1 BvR 276/17 & BVerfG 1 BvR 16/13)

Keine Unterstützung für
- Amtsträger, die sich über europäische wie nationale Grundrechte hinwegsetzen oder dieses in ihrem Verantwortungsbereich bei ihren Mitarbeitern, (m/w/d), dulden;

- Parteien, der Mitglieder sich als Amtsträger über Grundrechte hinwegsetzen und wo die Partei dieses duldet;

- Gegner des Landes Brandenburg wie auch gesamt Europas;

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Diese Uralt- Rechtssache 85-76, wie sie im Eingangspost verlinkt und zitiert wurde, birgt noch weitere, auch heute gültige Aussagen.

Leitsatz 4
Zitat
4 . MIT DER BEHERRSCHENDEN STELLUNG IM SINNE DES ARTIKELS 86 EWG-VERTRAG IST DIE WIRTSCHAFTLICHE MACHTSTELLUNG EINES UNTERNEHMENS GEMEINT , DIE DIESES IN DIE LAGE VERSETZT , DIE AUFRECHTERHALTUNG EINES WIRKSAMEN WETTBEWERBS AUF DEM RELEVANTEN MARKT ZU VERHINDERN , INDEM SIE IHM DIE MÖGLICHKEIT VERSCHAFFT , SICH SEINEN WETTBEWERBEN , SEINEN ABNEHMERN UND LETZTLICH DEN VERBRAUCHERN GEGENÜBER IN EINEM NENNENSWERTEN UMFANG UNABHÄNGIG ZU VERHALTEN . EINE SOLCHE STELLUNG SCHLIESST IM GEGENSATZ ZU EINEM MONOPOL ODER EINEM QUASI-MONOPOL EINEN GEWISSEN WETTBEWERB NICHT AUS , VERSETZT ABER DIE BEGÜNSTIGTE FIRMA IN DIE LAGE , DIE BEDINGUNGEN , UNTER DENEN SICH DIESER WETTBEWERB ENTWICKELN KANN , ZU BESTIMMEN ODER WENIGSTENS MERKLICH ZU BEEINFLUSSEN , JEDENFALLS ABER WEITGEHEND IN IHREM VERHALTEN HIERAUF KEINE RÜCKSICHT NEHMEN ZU MÜSSEN , OHNE DASS IHR DIES ZUM SCHADEN GEREICHTE .

Leitsatz 5
Zitat
5 . EIN BETRÄCHTLICHER MARKTANTEIL IST EIN ERHEBLICHES INDIZ FÜR DAS VORLIEGEN EINER BEHERRSCHENDEN STELLUNG . WEITER STELLEN DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN DEN MARKTANTEILEN DES FRAGLICHEN UNTERNEHMENS UND DENEN SEINER WETTBEWERBER , INSBESONDERE DER NÄCHSTKLEINEREN , DER TECHNOLOGISCHE VORSPRUNG EINES UNTERNEHMENS GEGENÜBER SEINEN WETTBEWERBERN , EIN ERSTKLASSIGES VERTRIEBSNETZ UND DAS FEHLEN EINES POTENTIELLEN WETTBEWERBS TAUGLICHE INDIZIEN DAR .


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