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Autor Thema: EuGH C- 52/14 - Verordnung Nr. 2988/95 - Schutz der finanz. Interessen der Union  (Gelesen 851 mal)

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Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A31995R2988&qid=1614467431366

Diese doch etwas betagte Verordnung ist in Kraft.

Zitat
Artikel 1

(1) Zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften wird eine Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten in bezug auf das Gemeinschaftsrecht getroffen.

[...]

Zitat
Artikel 2

(1) Kontrollen und verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen werden eingeführt, soweit sie erforderlich sind, um die ordnungsgemäße Anwendung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen. Sie müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein, um einen angemessenen Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften zu gewährleisten.

[...]

In Ergänzung dazu eine Entscheidung des EuGH zu einer Vorlage des OVG Nordrhein-Westfalen.

Rechtssache C-52/14
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=Nordrhein-Westfalen&docid=164959&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=6676564#ctx1

Zitat
Rn. 20
Erstens ist darauf hinzuweisen, dass mit der Verordnung Nr. 2988/95 nach ihrem Art. 1 eine „Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das [Unionsrecht]“ eingeführt wird, um, wie sich aus dem dritten Erwägungsgrund der Verordnung ergibt, „in allen Bereichen Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen [der Union] zu bekämpfen“ (vgl. Urteile Handlbauer, C-278/02, EU:C:2004:388, Rn. 31, Josef Vosding Schlacht-, Kühl- und Zerlegebetrieb u. a., C-278/07 bis C-280/07, EU:C:2009:38, Rn. 20, und Pfeifer & Langen, C-564/10, EU:C:2012:190, Rn. 36).

Rn. 30
Zitat
Angesichts dieses Wortlauts ist festzustellen, dass der Begriff „zuständige Behörde“ im Sinne dieser Bestimmung diejenige Behörde bezeichnet, die für Ermittlungs- oder Verfolgungshandlungen zuständig ist.

Rn. 49
Zitat
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine „andauernde oder wiederholte“ Unregelmäßigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 vorliegt, wenn sie von einem Wirtschaftsteilnehmer begangen wird, der wirtschaftliche Vorteile aus einer Gesamtheit ähnlicher Geschäfte zieht, die gegen dieselbe Vorschrift des Unionsrechts verstoßen (vgl. Urteil Vonk Dairy Products, C-279/05, EU:C:2007:18, Rn. 41).

Rn. 52
Zitat
Unregelmäßigkeiten können jedoch keine „wiederholte Unregelmäßigkeit“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 darstellen, wenn zwischen ihnen ein längerer Zeitraum als die in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 vorgesehene Verjährungsfrist von vier Jahren liegt. In einem solchen Fall weisen diese gesonderten Unregelmäßigkeiten nämlich keinen hinreichend engen zeitlichen Zusammenhang auf. Mangels einer Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung der zuständigen Behörde dürfte ein Wirtschaftsteilnehmer somit die erste dieser Unregelmäßigkeiten als verjährt ansehen. Dagegen besteht ein solcher zeitlicher Zusammenhang, wenn die Zeitspanne zwischen den einzelnen Unregelmäßigkeiten kürzer als die genannte Verjährungsfrist ist.

Rn. 56
Zitat
Nach alledem ist auf die vierte und die achte Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 dahin auszulegen ist, dass der zeitliche Zusammenhang, in dem Unregelmäßigkeiten stehen müssen, um eine „wiederholte Unregelmäßigkeit“ im Sinne dieser Bestimmung darzustellen, immer dann vorliegt, wenn die Zeitspanne zwischen den einzelnen Unregelmäßigkeiten geringer ist als die in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 vorgesehene Verjährungsfrist. Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Berechnung der vom Hersteller eingelagerten Zuckermengen, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die in verschiedenen Wirtschaftsjahren begangen wurden und dazu geführt haben, dass die genannten Mengen von diesem Hersteller falsch angegeben und damit Lagerkostenvergütungen zu Unrecht gezahlt wurden, stellen grundsätzlich eine „wiederholte Unregelmäßigkeit“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 dar; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

Rn. 61
Zitat
Nach alledem ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 dahin auszulegen ist, dass die Einstufung einer Gesamtheit von Unregelmäßigkeiten als „andauernde oder wiederholte Unregelmäßigkeit“ im Sinne dieser Bestimmung nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass die zuständigen Behörden die betreffende Person nicht regelmäßig und sorgfältig überprüft haben.

Zitat
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften ist dahin auszulegen, dass unter der „zuständigen Behörde“ im Sinne dieser Bestimmung die nach nationalem Recht für die fraglichen Ermittlungs- oder Verfolgungshandlungen zuständige Behörde zu verstehen ist, wobei es sich um eine andere Behörde handeln kann als die für die Gewährung oder Rückforderung der rechtswidrig zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union bezogenen Beträge zuständige Behörde.

2.      Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 ist dahin auszulegen, dass Handlungen zur Ermittlung oder Verfolgung einer Unregelmäßigkeit der „betreffenden Person“ im Sinne dieser Bestimmung zur Kenntnis gebracht wurden, wenn eine Gesamtheit tatsächlicher Umstände den Schluss zulässt, dass die fraglichen Ermittlungs- oder Verfolgungshandlungen der betreffenden Person tatsächlich zur Kenntnis gebracht wurden. Im Fall einer juristischen Person ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn die fragliche Handlung tatsächlich einer Person zur Kenntnis gebracht wurde, deren Verhalten nach nationalem Recht dieser juristischen Person zugerechnet werden kann, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

3.      Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 ist dahin auszulegen, dass eine Handlung, um als Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung im Sinne dieser Bestimmung eingestuft zu werden, die Vorgänge, auf die sich der Verdacht von Unregelmäßigkeiten bezieht, hinreichend genau umschreiben muss. Dieses Erfordernis der Genauigkeit bedeutet jedoch nicht, dass in der Handlung die Möglichkeit der Verhängung einer Sanktion oder des Erlasses einer besonderen verwaltungsrechtlichen Maßnahme erwähnt werden muss. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Bericht diese Voraussetzung erfüllt.

4.      Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 ist dahin auszulegen, dass der zeitliche Zusammenhang, in dem Unregelmäßigkeiten stehen müssen, um eine „wiederholte Unregelmäßigkeit“ im Sinne dieser Bestimmung darzustellen, immer dann vorliegt, wenn die Zeitspanne zwischen den einzelnen Unregelmäßigkeiten geringer ist als die in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 vorgesehene Verjährungsfrist. Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Berechnung der vom Hersteller eingelagerten Zuckermengen, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die in verschiedenen Wirtschaftsjahren begangen wurden und dazu geführt haben, dass die genannten Mengen von diesem Hersteller falsch angegeben und damit Lagerkostenvergütungen zu Unrecht gezahlt wurden, stellen grundsätzlich eine „wiederholte Unregelmäßigkeit“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 dar; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

5.      Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 ist dahin auszulegen, dass die Einstufung einer Gesamtheit von Unregelmäßigkeiten als „andauernde oder wiederholte Unregelmäßigkeit“ im Sinne dieser Bestimmung nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass die zuständigen Behörden die betreffende Person nicht regelmäßig und sorgfältig überprüft haben.

6.      Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 der Verordnung Nr. 2988/95 ist dahin auszulegen, dass die in diesem Unterabsatz vorgesehene Frist im Fall einer andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeit zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem diese Unregelmäßigkeit beendet wurde, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt die nationalen Behörden von ihr Kenntnis erlangt haben.

7.      Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 ist dahin auszulegen, dass die Ermittlungs- oder Verfolgungshandlungen der zuständigen Behörde, die der betreffenden Person im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 zur Kenntnis gebracht werden, nicht zur Unterbrechung der in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 vorgesehenen Frist führen.


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In Ergänzung zur thematisierten Rechtssache:

Bekanntmachung der Kommission
Leitlinien zur Vermeidung von und zum Umgang mit Interessenkonflikten gemäß der Haushaltsordnung 2021/C 121/01

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv%3AOJ.C_.2021.121.01.0001.01.DEU&toc=OJ%3AC%3A2021%3A121%3ATOC

die hier verlinkt werden soll, denn sie betrifft auch die öffentliche Auftragsvergabe im Bereich der "geteilten Mittelverwaltung".

Zitat
HAFTUNGSAUSSCHLUSS: „Auf der Grundlage geltenden EU-Rechts handelt es sich hierbei um einen technischen Leitfaden für die Auslegung und Anwendung der EU-Vorschriften für Bedienstete und Einrichtungen, die bei der Ausführung, Überwachung und Kontrolle des EU-Haushaltsplans mitwirken, um die Ausführung zu erleichtern und bewährte Verfahren zu fördern. Die in dem Leitfaden genannten Beispiele dienen nur der Veranschaulichung spezifischer, in den jeweiligen Kapiteln dargestellter Konzepte. Für die verbindliche Auslegung des Unionsrechts ist ausschließlich der Gerichtshof der Europäischen Union zuständig.“

Zitat
Zweck dieser Leitlinie ist es,
[...]
2)
die Behörden, Amtsträger (einschließlich Regierungsmitglieder) der Mitgliedstaaten und jegliche anderen Personen, die bei der Ausführung des EU-Haushaltsplans im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung mitwirken, hinsichtlich der anwendbaren Vorschriften in der HO 2018 und der Vergaberichtlinie über die Vermeidung von Interessenkonflikten zu sensibilisieren, und
[...]


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