@Bodi
Süddeutsche Zeitung, 17.06.2020
Erhöhung des Rundfunkbeitrags
"Mehrheit darf bei uns eben nicht alles"
Der Verfassungs- und Medienrechtler Dieter Dörr erklärt das komplizierte Verfahren hinter der Festsetzung des Rundfunkbeitrags - und warum es die Rundfunkfreiheit schützt.
Von Aurelie von Blazekovic
https://www.sueddeutsche.de/medien/rundfunkbeitrag-2020-gez-1.4939087
Dass Herr Dörr mit seiner Prognose zu einer Entscheidung des BVerfG so sicher ist, hat im Wesentlichen den Grund, dass das BVerfG seine schützende Hand über finanzielle Kapriolen des ÖRR hält.
Andererseits ist es nun nicht ganz so einfach, wie Herr Dörr sich das noch im Juni vorstellte. Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat das Zustimmungsgesetz zur Aktualisierung des "Rundfunkbeitragsstaatsvertrags" weder abgelehnt noch diesem zugestimmt. Es hat schlicht gar nicht über das Gesetz entschieden, dass die Regierung in den Landtag eingebracht hat, weil die Regierung die Vorlage vor der Abstimmung zurück gezogen hat. Das BVerfG könnte derzeit daher höchstens ein Versäumnis der Regierung des Landes Sachsen-Anhalt feststellen, dass diese dem Landtag nämlich nicht die Gelegenheit zur Entscheidung gegeben hat. Das außerhalb des Parlaments geäußerte Stimmungsbild, das eine Ablehnung wahrscheinlich macht, ist diesbezüglich uninteressant, weil jeder Abgeordnete selbst entscheidet und nur seinem Gewissen verantwortlich ist. Er könnte sich ja schließlich in der Abstimmung ganz anders entscheiden als vorher deutlich gemacht. Wenn die Regierung des Landes also zu feige ist "es darauf ankommen zu lassen", ist das sicher kein Punkt, dem man den Landtag anlasten kann.
Es ist also zu fragen, welche Möglichkeiten der ÖRR hat, wie weit die Macht des BVerfG reicht, bzw. wo sie endet.
1. Kann der ÖRR verlangen, dass die Regierung eines Bundeslandes über ein Zustimmungsgesetz abstimmen lässt?
Können die Sender die Regierung eines Bundeslandes verklagen, wenn sie es nicht/ nicht zeitig tut?Der ÖRR ist nicht Vertragspartner des sogn. Rundfunkbeitragsstaatsvertrags. Die Nicht-Vorlage ist m. E. eher als Verletzung des zwischen den Regierungschefs vereinbarten Vertrags zu betrachten.
2a. Kann das BVerfG eine Landesregierung zwingen, dem Landtag einen Gesetzesentwurf vorzulegen?Wenn ja, innerhalb welcher Zeit muss der Landtag entscheiden - muss er überhaupt entscheiden? - und was ist, wenn auf dieses unter Umständen mögliche Gebot der Landtag sich gegen das Gesetz entscheidet? Ich vermute, dass erst dann, wenn der Landtag das Gesetz tatsächlich abgelehnt hat, eine Klage der Anstalten vor dem BVerfG möglich ist.
2b. Was, wenn innerhalb der Legislatur der Landtag nicht mehr dazu kommt zu entscheiden, die Regierung vor der Entscheidung wechselt? Ich habe den Eindruck, dass der Ministerpräsident auf Zeit spielt, vielleicht hofft, nach der Wahl besser dazustehen.
3. Wäre das BVerfG in der Lage den sogn. Rundfunkbeitrag festzusetzen, ohne dass der zuständige Gesetzgeber die Chance einer Entscheidung hatte?Es ist nicht gut, wenn sich ein Gericht zum Gesetzgeber aufschwingt. Die Frage könnte sein, ob es sich für das BVerfG überhaupt lohnt, sich wegen eines nicht gerade armen ÖRR aus dem Fenster zu lehnen.
M. Boettcher
Ken Je(b)sen, Betreiber von KenFM, soll "politische Entfremdung" betreiben und "unwahre Verschwörungstheorien" verbreiten. Daher beobachtet ihn der sogn. Verfassungsschutz. Würden die "Verschwörungspraktiker" dieses Dienstes ihren Maßstab an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Publikationen von der BILD-Zeitung bis zum Magazin SPIEGEL anlegen, in Deutschland bliebe kein Medium unbeobachtet. So schnell wird in Deutschland zum Staatsfeind, der nicht mit dem Strom schwimmt.