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  • VERHANDLUNG VG Hamburg, Di 18.02.2020, 11:30 Uhr: 18. Februar 2020

Autor Thema: VERHANDLUNG VG Hamburg, Di 18.02.2020, 11:30 Uhr  (Gelesen 2649 mal)

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Für kommenden Dienstag (18.02.) um 11:30 Uhr ist beim Verwaltungsgericht Hamburg /Lübeckertordamm 4 wieder eine Verhandlung in Sachen /Norddeutscher Rundfunk/(NDR) angesetzt.
Raum 3.03. Genaues Thema oder Dauer sind leider nicht bekannt.


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„Eine ewige Erfahrung lehrt jedoch, daß jeder Mensch, der Macht hat, dazu getrieben wird, sie zu mißbrauchen. Er geht immer weiter, bis er an Grenzen stößt. Wer hätte das gedacht: Sogar die Tugend hat Grenzen nötig. Damit die Macht nicht mißbraucht werden kann, ist es nötig, durch die Anordnung der Dinge zu bewirken, daß die Macht die Macht bremse.“ (Montesquieu)

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Kurzer Bericht von der Verhandlung:

Klägerin ist alleinerziehende Studentin. Seit 2017 zahlt sie keinen Rundfunkbeitrag und hat im September 2017 Klage eingereicht. Sie hat ein Stipendium, bekommt Wohngeld und macht zeitweise Jobs. Ihr Einkommen liegt aktuell insgesamt bei etwa 1.700 Euro. Nach Abzug von ca. 500 Euro Miete verbleiben 1.200 Euro. Sie meint, sie wäre ein Härtefall.

Der Richter erläutert die neue Härtefall-Rechtsprechung durch das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 30.10.19. Ein Härtefall liegt danach vor, wenn nach Abzug der Miete weniger als 740 Euro verbleiben. Die Klage wäre daher nach aktuellem Stand abzuweisen.

Mehr hierzu unter:
BVerwG Urteil 30.10.19, 6 C 10.18 > Befreiung Einkommensschwacher/ Härtefall
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,32804.0.html

Die Klägerin führt aus, dass der aktuelle Nebenjob - begonnen am 01.10.19 - zum 01.04.20 entfallen würde und sie sich ab dann ganz auf den anstehenden Bachelor-Abschluss im September 2020 konzentrieren wolle. Ihr Einkommen ohne den Nebenjob läge dann nach Abzug der Miete bei 780 Euro. Der Richter fragt den Vertreter des NDR, ob ein Vergleich möglich wäre.

Im Ergebnis kommt folgender Vergleich zustande:

1. Bis zur Klageerhebung im September 2017 ist der Rundfunkbeitrag zu zahlen.
 
2. Für den Zeitraum nach Einreichung der Klage im September 2017 bis September 2019 wird der NDR monatsbezogen prüfen, ob die Anwendung einer Härtefallregelung im Sinne des Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.10.19 in Betracht kommt. Die Klägerin wird hierzu ihre monatliche Finanzsituation (Schwankungen durch Nebenjobs) im genannten Zeitraum detailliert darlegen.   

3. Für den Zeitraum 01.10.19 - 31.03.20 ist der Rundfunkbeitrag zu zahlen.

4. Für den Zeitraum 01.04.20 - 30.09.20 wird die Klägerin vom NDR aus Härtefallgründen von der Zahlung des Rundfunkbeitrages freigestellt.

Der Vergleich bindet zwar nur die Parteien, ich halte es aber aufgrund des Handeln des NDR bei der Beitragserhebung als Behörde für erforderlich, dass der NDR eine Gleichbehandlung aller Bürger vornimmt und sich somit Personen in einer vergleichbaren Situation auf den Vergleich beziehen können.

Das Aktenzeichen beim VG Hamburg lautet: 3 K 8138/17


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 19. Februar 2020, 02:08 von Bürger«

o
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Ui. Nicht schlecht.  :D

Auch wenn es sich um einen Versuch einer Anwendung der untauglichen Rn. 30 des hier zitierten BVerwG-Urteils vom 30.10.2019 handelt.

Zu
2. Für den Zeitraum nach Einreichung der Klage im September 2017 bis September 2019 wird der NDR monatsbezogen prüfen, ob die Anwendung einer Härtefallregelung im Sinne des Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.10.19 in Betracht kommt. Die Klägerin wird hierzu ihre monatliche Finanzsituation (Schwankungen durch Nebenjobs) im genannten Zeitraum detailliert darlegen.
Problem: Der NDR ist fachlich gar nicht in der Lage, diese Prüfung durchzuführen und zu einem validen Ergebnis zu kommen und zu bescheiden. Eine Landesrundfunkanstalt ist fachlich nicht kompetent, Kontoauszüge und Wohngeldbescheide "richtig" (im Sinne des Verwaltungsrechts) zu lesen.

Kontoauszüge können nur von Sozialbehörden "richtig" gelesen werden.

Aus Wohngeldbescheiden kann von dritten Verwaltungsstellen nur die binäre Entscheidung "Wohngeld bewilligt" oder "Antrag abgelehnt" herausgelesen werden. Der Rest ist für dritte Verwaltungsstellen Fachchinesisch und hat sie gar nicht zu interessieren.

Die meistens beigefügten Berechnungen (für relevantes Einkommen usw.) sind also rein informativ für den Antragssteller und allenfalls als Hilfestellung für eine Klage tauglich. Vor einem Sozial(!)gericht würde die beklagte Wohngeldstelle nämlich noch einmal von sich aus ihre Berechnungen darlegen. Sozialrichter können Wohngeldbescheide lesen, Landesrundfunkanstalten nicht.

Der NDR wird sich also irgendwelche "Kriterien" zusammenfummeln (btw: von diesen 740 Euro lese ich jetzt das erste Mal), aber diese "Kriterien" werden nicht von einer unabhängigen und demokratisch legitimierten Stelle gegengeprüft. Womöglich werden diese "Kriterien" so formuliert werden, dass der Einzelfall der betreffenden Studentin unglücklicherweise-bedauerlicherweise negativ "beschieden" wird.

Wenn die Studentin dann einen ablehnenden Bescheid bekommt, wäre eine erneute Klage äußerst hilfreich, denn dann würde zutage treten, dass die LRA keine Stellen sind, die über die Einkommenssituation eines einzelnen Menschen "richtig" entscheiden könnten.

Jedenfalls: Das BVerwG hat echt einen fetten Hinkelstein abgefeuert und gelandet bekommen.  ;D

Es bleibt spannend.  :)


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 20. Februar 2020, 03:08 von Bürger«

  • Moderator
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Eine Verhandlung meines Lieblingsrichters - nennen wir ihn mal "Richter Poppins" vom Hamburger VG, vom 18.02.2020. Aus der Sicht eines gerichtsbekannten Anwesenden im Publikum:
Die Bemerkung vorweg: Es handelt sich um eine Abgabe, nicht also um eine hoheitliche Leistung, die die Klägerin für sich verlangt, sondern eine, die die Klägerin leisten soll. Die unerfahrene Klägerin stellte die Grundfrage gar nicht, wer denn nun die Berechtigung zum Zahlungsbezug nachweisen muss. Es gibt in unserem Staatssystem keine andere Abgabe, bei der die Abgabenhoheit nicht feststellen muss, dass die Grundlage zur Erhebung dafür beim "Schuldner" vorhanden ist, sondern hier soll sich der aus dem blossen Wohnen (was ja definitiv keine irgendwie schuldbelastende "Angewohnheit" ist)  gesetzlich erzeugte "Schuldner" gegen den Zugriff vom Staat "aus dem Nichts" verteidigen. Die Rundfunkabgabe wird voraussetzungslos von jedem wohnenden Bürger Deutschlands eingefordert.

Dementsprechend hier der Ablauf, wie die Klägerin sich für 17,50 Euro/Monat "nackig" machen musste, bzw. aus Treu und Glauben dachte, sich derart intim äussern zu müssen.
Richter Poppins betrat den Saal schon mit einem zufriedenen Lächeln. Er wusste sicherlich, dies würde kein für ihn schwieriger Fall sein. Die Klageschrift lag ihm ja schon vor, in der die Klägerin bereits darlegte, sich auf das verdrehte Spiel einzulassen. Grosszügig erklärte er, dass die Härtefallregelung ja nach einem neuen Urteil nicht nur auf mit behördlichen Belegen nachweisbarer Finanzschwäche begrenzt ist, sondern inzwischen "unscharf" sei. Somit kann auch ein Student unter persönlicher Erklärung und Nachweisen als Härtefall befreit werden.
Die Klägerin legte dar, sie sei eine 30jährige Studentin mit Kind, alleinstehend und hätte wenig Geld zur Lebensführung zur Verfügung. Sie strebe ein Masterstudium an, das von ihrem Prof auch befürwortet wurde. Sie hätte einen aussergewöhnlich guten Notendurchschnitt. Ein Bafög Antrag wurde wegen Altersüberschreitung abgelehnt. Vorher hätte sie Bafög erhalten und hätte eine studentische Nebentätigkeit, die jedoch zum 31.03.2020 ausläuft. Sie hätte aber schon jetzt aufgrund ihrer Lage als alleinerziehende Mutter kein Geld zur Verfügung, den Rundfunkbeitrag zu leisten.
Sie legte ihre festen Belastungen dar. Warmmiete, Stromkosten "die sehr hoch seien wegen des Durchlauferhitzers für Warmwasser", Krankenkasse, einen Studienkredit müsste sie zurückzahlen, dazu kämen Kindergartenkosten, der Kindesvater zahle keinen Unterhalt und nicht zuletzt kommen unregelmäßige Zusatzkosten z.B. wegen Zahnproblemen auf sie zu, bei denen sie schon jetzt nicht weiss, wie sie zu bewältigen wären.
Richter Poppins machte die ganze Zeit einen freundlichen Eindruck, selbst als er der Klägerin das Trinken untersagte, tat er dies mit der freundlich artikulierten Aussage, die Verhandlung wäre ja nun noch nicht so lange im Gange. Auch die Bemerkung der Klägerin, sie sei aufgeregt, da sie bislang "nicht so oft" vor Gericht aufgetreten ist, beeindruckte ihn nur in der Form, dass er sagte "das könne er sehr gut verstehen"- trinken durfte sie trotzdem nicht. Reine Schikane und "zeigen, wer der Herr im Hause ist" in meinen Augen.
Erbarmungslos rechnete er (nach welchen Vorgaben überhaupt?) zusammen, was in die Berechnung einfliessen darf und was nicht. Mit diesen Werten ermittelte er dann, dass die Klägerin im Status Quo zahlungspflichtig sei. Die Zahlungspflicht, wenn denn der Nebenjob wegfällt, müsste neuberechnet werden, da sie dann evtl. - wenn sich nicht andere Faktoren ändern würden - aus dem Rahmen der Zahlungspflicht herausfällt.
Effektiv, und nach den Aussagen der Klägerin war sie auch jetzt schon nicht in der Lage, den Rundfunkbeitrag zu entrichten. Viele ihrer für ihre persönliche Situation notwendigen Belastungen wurden nicht anerkannt. Sie hat aber das Spiel mitgespielt und wird gegen das Urteil nicht angehen und nicht angehen können, obwohl die Berechnung zur Zahlungsfähigkeit aus der Luft geriffen waren und die reale Finanzsituation der Klägerin keinesfalls darstellte. Ein Kindergartenplatz beispielsweise, oder auch die Finanzierung eines Studiums müssen einfach zur grundrechtlich geschützen, nicht abgreifbaren persönlichen Privatsphäre und Lebensgestaltung gehören, wenn die Schuld nicht aus einem in eigener Verantwortung stehendem Handeln entstanden ist.

Die Verhandlung wurde nicht bis zum Ende verfolgt, da der Ergebnishorizont bereits von der Klägerin vorgegeben und vom Richter Poppins dankbar angenommen wurde.


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 01. März 2020, 12:35 von seppl«
„Eine ewige Erfahrung lehrt jedoch, daß jeder Mensch, der Macht hat, dazu getrieben wird, sie zu mißbrauchen. Er geht immer weiter, bis er an Grenzen stößt. Wer hätte das gedacht: Sogar die Tugend hat Grenzen nötig. Damit die Macht nicht mißbraucht werden kann, ist es nötig, durch die Anordnung der Dinge zu bewirken, daß die Macht die Macht bremse.“ (Montesquieu)

 
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