Eine Verhandlung meines Lieblingsrichters - nennen wir ihn mal "Richter Poppins" vom Hamburger VG, vom 18.02.2020. Aus der Sicht eines gerichtsbekannten Anwesenden im Publikum:
Die Bemerkung vorweg: Es handelt sich um eine Abgabe, nicht also um eine hoheitliche Leistung, die die Klägerin für sich verlangt, sondern eine, die die Klägerin leisten soll. Die unerfahrene Klägerin stellte die Grundfrage gar nicht, wer denn nun die Berechtigung zum Zahlungsbezug nachweisen muss. Es gibt in unserem Staatssystem keine andere Abgabe, bei der die Abgabenhoheit nicht feststellen muss, dass die Grundlage zur Erhebung dafür beim "Schuldner" vorhanden ist, sondern hier soll sich der aus dem blossen Wohnen (was ja definitiv keine irgendwie schuldbelastende "Angewohnheit" ist) gesetzlich erzeugte "Schuldner" gegen den Zugriff vom Staat "aus dem Nichts" verteidigen. Die Rundfunkabgabe wird voraussetzungslos von jedem wohnenden Bürger Deutschlands eingefordert.
Dementsprechend hier der Ablauf, wie die Klägerin sich für 17,50 Euro/Monat "nackig" machen musste, bzw. aus Treu und Glauben dachte, sich derart intim äussern zu müssen.
Richter Poppins betrat den Saal schon mit einem zufriedenen Lächeln. Er wusste sicherlich, dies würde kein für ihn schwieriger Fall sein. Die Klageschrift lag ihm ja schon vor, in der die Klägerin bereits darlegte, sich auf das verdrehte Spiel einzulassen. Grosszügig erklärte er, dass die Härtefallregelung ja nach einem neuen Urteil nicht nur auf mit behördlichen Belegen nachweisbarer Finanzschwäche begrenzt ist, sondern inzwischen "unscharf" sei. Somit kann auch ein Student unter persönlicher Erklärung und Nachweisen als Härtefall befreit werden.
Die Klägerin legte dar, sie sei eine 30jährige Studentin mit Kind, alleinstehend und hätte wenig Geld zur Lebensführung zur Verfügung. Sie strebe ein Masterstudium an, das von ihrem Prof auch befürwortet wurde. Sie hätte einen aussergewöhnlich guten Notendurchschnitt. Ein Bafög Antrag wurde wegen Altersüberschreitung abgelehnt. Vorher hätte sie Bafög erhalten und hätte eine studentische Nebentätigkeit, die jedoch zum 31.03.2020 ausläuft. Sie hätte aber schon jetzt aufgrund ihrer Lage als alleinerziehende Mutter kein Geld zur Verfügung, den Rundfunkbeitrag zu leisten.
Sie legte ihre festen Belastungen dar. Warmmiete, Stromkosten "die sehr hoch seien wegen des Durchlauferhitzers für Warmwasser", Krankenkasse, einen Studienkredit müsste sie zurückzahlen, dazu kämen Kindergartenkosten, der Kindesvater zahle keinen Unterhalt und nicht zuletzt kommen unregelmäßige Zusatzkosten z.B. wegen Zahnproblemen auf sie zu, bei denen sie schon jetzt nicht weiss, wie sie zu bewältigen wären.
Richter Poppins machte die ganze Zeit einen freundlichen Eindruck, selbst als er der Klägerin das Trinken untersagte, tat er dies mit der freundlich artikulierten Aussage, die Verhandlung wäre ja nun noch nicht so lange im Gange. Auch die Bemerkung der Klägerin, sie sei aufgeregt, da sie bislang "nicht so oft" vor Gericht aufgetreten ist, beeindruckte ihn nur in der Form, dass er sagte "das könne er sehr gut verstehen"- trinken durfte sie trotzdem nicht. Reine Schikane und "zeigen, wer der Herr im Hause ist" in meinen Augen.
Erbarmungslos rechnete er (nach welchen Vorgaben überhaupt?) zusammen, was in die Berechnung einfliessen darf und was nicht. Mit diesen Werten ermittelte er dann, dass die Klägerin im Status Quo zahlungspflichtig sei. Die Zahlungspflicht, wenn denn der Nebenjob wegfällt, müsste neuberechnet werden, da sie dann evtl. - wenn sich nicht andere Faktoren ändern würden - aus dem Rahmen der Zahlungspflicht herausfällt.
Effektiv, und nach den Aussagen der Klägerin war sie auch jetzt schon nicht in der Lage, den Rundfunkbeitrag zu entrichten. Viele ihrer für ihre persönliche Situation notwendigen Belastungen wurden nicht anerkannt. Sie hat aber das Spiel mitgespielt und wird gegen das Urteil nicht angehen und nicht angehen können, obwohl die Berechnung zur Zahlungsfähigkeit aus der Luft geriffen waren und die reale Finanzsituation der Klägerin keinesfalls darstellte. Ein Kindergartenplatz beispielsweise, oder auch die Finanzierung eines Studiums müssen einfach zur grundrechtlich geschützen, nicht abgreifbaren persönlichen Privatsphäre und Lebensgestaltung gehören, wenn die Schuld nicht aus einem in eigener Verantwortung stehendem Handeln entstanden ist.
Die Verhandlung wurde nicht bis zum Ende verfolgt, da der Ergebnishorizont bereits von der Klägerin vorgegeben und vom Richter Poppins dankbar angenommen wurde.
„Eine ewige Erfahrung lehrt jedoch, daß jeder Mensch, der Macht hat, dazu getrieben wird, sie zu mißbrauchen. Er geht immer weiter, bis er an Grenzen stößt. Wer hätte das gedacht: Sogar die Tugend hat Grenzen nötig. Damit die Macht nicht mißbraucht werden kann, ist es nötig, durch die Anordnung der Dinge zu bewirken, daß die Macht die Macht bremse.“ (Montesquieu)