Handlungsoptionen, die eine ÖRR-Reform erzwingen
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist in der Defensive. Aufgrund Auftragsnichterfüllung vernichtender Kritik ausgesetzt, Relevanz eingebüßt, für "zu teuer, zu fett, zu borniert und zu parteiisch" befunden, nicht zuletzt für überflüssig gehalten, hat er sich in eine Position manövriert, die herausfordert.Bildquelle: onlinewarnungen.deDer ÖRR leitet seine herkömmliche Existenzberechtigung aus der vom BVerfG aus der Rundfunkfreiheit (Artikel 5 GG) geformten
dienenden Freiheit ab.
Im Gegensatz zur Konzeption der Grundrechte als liberale Abwehrrechte sieht das Bundesverfassungsgericht die Rundfunkfreiheit als dienende Freiheit. Sie dient unter den Bedingungen der Massenkommunikation der Aufgabe, freie und umfassende Meinungsbildung durch den Rundfunk zu gewährleisten. Diese Meinungsbildung ist nur möglich, wenn der Rundfunk nicht einseitig dem Staat oder einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert wird, also die Staatsferne des Rundfunks gesichert wird. Das hat der Gesetzgeber zu gewährleisten, er muss durch eine positive Rundfunkordnung die Vielfalt der Meinungen und umfassende Information sicherstellen. Dieser Aufgabe kommen die Länder mit dem Rundfunkstaatsvertrag nach, der die duale Rundfunkordnung festschreibt und mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Grundversorgung sicherstellt, daneben aber den privaten Rundfunk zulässt.
Diese
dienende Freiheit gilt nur für den (öffentlich-rechtlichen) Rundfunk, für die Presse (und andere Meinungsfreiheitsnutzende) nicht. Im Verlaufe der (Gebühren-) Zeit erhielt der ÖRR eine Bestands- und Entwicklungsgarantie. Heute sieht er sich jedoch rasant ändernden Rahmenbedingungen ausgesetzt. Linearer Rundfunk ist ein Auslaufmodell. Informationen sind hochverfügbar, der Medienmarkt vielfältig.
Das erste Rundfunkbeitragsurteil (Bruderurteil, BVerfG v. 18. Juli 2018) legte dar, weshalb es sich bei der neuen (seit 2013 geltenden) Rundfunkabgabe um einen Beitrag (und nicht um eine Steuer) handelte. Die Länder haben keine Gesetzgebungskompetenz zur Einführung von Steuern. Das BVerfG begründete deshalb, worin der
individuell-konkret zurechenbare Vorteil liegt, der es erst erlaubt, einen Beitrag zu erheben (BVerfG v. 18. Juli 2018, RN80f).
Angesichts dieser Entwicklung wächst die Bedeutung der dem beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk obliegenden Aufgabe, durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen (die Fakten und Meinungen auseinanderhalten) die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken, vielmehr ein vielfaltssicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden […].
In der Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in dieser Funktion zu nutzen, liegt der die Erhebung des Rundfunkbeitrags rechtfertigende individuelle Vorteil.
Daraus leitet sich zum einen ab, welche Funktion der ÖRR
erfüllen muss, um Beiträge erheben zu
können, zum anderen wofür Beiträge überhaupt verwendet werden
dürfen.
Wir sehen, das hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk entweder nicht begriffen, oder er verschließt die Augen.
Das führt uns zur ersten Handlungsoption. All diejenigen, die sich einen auftragsgemäß handelnden öffentlich-rechtlichen Rundfunk wünschen, haben das Recht, ihre
Beiträge solange zurückzubehalten, bis der ÖRR auftragsgemäß arbeitet: Beiträge dürfen nur für die Erstellung des (vom BVerfG im ersten Rundfunkbeitragsurteil dargelegten) Vorteils verwendet werden. Derzeit ist der Beitrag unangemessen hoch und wird für alles beliebige verwendet. Zusätzlich ist der unterstellte Vorteil aufgrund Aufrtagsnichterfüllung nicht erzielbar. Das ficht den aktuellen ÖRR jedoch nicht an. Seine Intendanten verweigern sich, erwägen kommunikative Maßnahmen (s.
Framing-Manual), fordern regelmäßig mehr Geld (inklusive Drohung mit Verfassungsklage).
Die zweite Handlungsoption ist also eine
politische. Der ÖRR muss reformiert werden, und auch über eine Abschaffung sollte nachgedacht werden. Der Beitrag könnte auf 1€ im Monat pro Haushalt sinken. Ein neuer bzw. reformierter ÖRR könnte tatsächlich beginnen, den
rechtmäßigen Vorteil zu erstellen. Diese Struktur schließt eine nutzungsabhängige Finanzierung für
Nicht-Vorteil-Angebote nicht aus. Zum Beispiel können für Angebote aus den Bereichen
Unterhaltung, Fiktion, Sport Nutzungsentgelte erhoben bzw. anderweitige Subskriptionsmodelle gewählt werden.
Die dritte Handlungsoption ist die
Verweigerung aus Gewissensgründen. Sie besteht aus einem individuellen Härtefallantrag, dessen Ablehnung vor Gericht angefochten wird.
Die vierte Handlungsoption ist für all jene, die eine
Einschränkung ihrer Informationsfreiheit (Grundrecht) grundsätzlich nicht dulden. Hier ist jede erfolgversprechende Abwehrhandlung zulässig.
Aktuelles zum BeitragsserviceDer BS-Geschäftsführer Wolf hat hingeworfen und die Stelle ist offen ausgeschrieben. Dem Einsatz des Geräts der Firma IBM fehlt es an der Rechtsgrundlage zur vollautomatisierten Erstellung von Bescheiden. Sie soll erst mit dem 23. RÄStV geschaffen werden (sofern alle Länder mitziehen).
Nicht-Zahlen ist dadurch noch attraktiver.
Um den Festsetzungsbescheid automatisiert an eine deutsche Adresse senden zu lassen, braucht nur die Zahlung der Beiträge eingestellt zu werden. Dem Festsetzungsbescheid kann dann nach Bekanntgabe (zusätzlich) mit dem Hinweis auf die fehlende Rechtsgrundlage widersprochen werden.