"Beitragsservice" (vormals GEZ) > Widerspruchs-/Klagebegründungen
Studentin im Zweitstudium VGH München 7 BV 17.770 Wohngeld Härtefall
drboe:
Edit "Bürger" 11/2019:
Aktuelle Fortsetzung in hiesigem Thread ab dem Beitrag unter
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31863.msg199368.html#msg199368
--- Zitat von: Schluss-mit-lustig am 11. August 2019, 15:27 ---30. Oktober 2019, 10 Uhr:
Mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht in der Sache: BVerwG 6 C 10.18
Vorinstanzen: VGH München, 7 BV 17.770 ; VG Ansbach, AN 6 K 15.02442
Parteien: W. ./. Bayerischen Rundfunk
Anm.: Nach Sichtung der direkten vorinstanzlichen Entscheidung (Urteil vom 28.02.2018 des VGH München zu 7 BV 17.770)
wird die Verhandlung wohl zum Thema haben, ob man als Wohngeld-Beziehender bzw. mit geringem Verdienst auskommender und
nicht zum BAföG-Bezug berechtigter Student als einen sog. „besonderen Härtefall“ i.S.d. § 4 Abs. 6 RBStV angesehen werden muss;
bzw. ob im „regulären Befreiungskatalog“ (§ 4 Abs. 1 RBStV) eine planwidrige Regelungslücke vorliegt.
--- Ende Zitat ---
Zu den m. E. nicht zutreffenden Feststellungen des VGH empfehle ich einmal das Urteil des BVerfG zu studieren, dass die Erfolgsaussichten einer Klage gegen die Rundfunkgebühren in einem ähnlichen Fall in RN 11 wie folgt beurteilte:
--- Zitat ---c) Die Entscheidung über die Auslagenerstattung orientiert sich vielmehr an der Erfolgsaussicht der Hauptsache, weil die verfassungsrechtliche Lage durch die vom Bundesverfassungsgericht formulierten Anforderungen an eine zulässige Typisierung durch den Gesetzgeber und deren Grenzen (vgl. etwa BVerfGE 100, 138 <174>; 103, 310 <319>; 112, 268 <280 f.>) bereits geklärt ist. Hiernach entspricht die Anordnung der Auslagenerstattung der Billigkeit, weil die Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg hatte. Jedenfalls soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG rügt, war die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verstießen gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
--- Ende Zitat ---
In RN12 heißt es:
--- Zitat ---Das Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 <17>; 110, 412 <431>). Verboten ist daher ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem einem Personenkreis eine Begünstigung gewährt, einem anderen Personenkreis die Begünstigung aber vorenthalten wird (vgl. BVerfGE 110, 412 <431>; 121, 108 <119>). Der Beschwerdeführer wird durch die angegriffenen Entscheidungen als Rentner mit einem geringfügig über den Regelsätzen nach dem SGB II und dem SGB XII liegenden Einkommen gegenüber Empfängern dieser Sozialleistungen schlechter gestellt.
--- Ende Zitat ---
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Downloads/DE/2011/11/rk20111109_1bvr066510.pdf?__blob=publicationFile&v=1
Der Kläger war Rentner und hatte nach Abzug der Regelsätze nicht genug Geld übrig die Rundfunkgebühren zu zahlen. Sein Antrag auf Befreiung von der Gebühr wurde abgelehnt, weil geringes Einkommen keinen Befreiungsgrund darstellen sollte. Der Rundfunkgebührenstaatsvertrag enthielt ebenfalls eine Liste von Befreiungsgründen. Nachdem der Kläger im Instanzenzug abblitzte, legte er Verfassungsbeschwerde ein. Daraufhin knickte die LRA ein und gewährte Befreiung. Der Rentner erklärte dann die Beschwerde für erledigt, wollte aber seine Auslagen ersetzt sehen. Nachdem dies verweigert wurde, landete dann dieser Streit wieder beim BVerfG. Und das gab dem Kläger recht. Mittelbar hat es erklärt, dass die Liste der Befreiungsgründe gerade nicht abschliessend sei und andere, nicht aufgeführte Gründe durchaus zur Befreiung führen können, ggf. müssen.
Ich sehe nicht, warum das heute anders sein soll. Damals hätte man immerhin noch argumentieren können, dass niemand ein gebührenpflichtiges Empfangsgerät bereit halten müsse. Dem Rentner stand also eine Ausweichmöglichkeit zur Verfügung. Diese besteht heute nicht mehr. Insofern müssten m. E. die möglichen Gründe für eine Befreiung deutlich weiter gefasst werden. Zu geringes Einkommen ist daher, im Gegensatz zu Ansicht der Richter im Instanzenzug, sehr wohl als Befreiungsgrund zu akzeptieren. Denn warum sollte heute eine Schlechterstellung gegenüber den durch die Regeln des sogn. Rundfunkbeitragsstaatsvertrag Begünstigten zulässig sein?
M. Boettcher
Edit "ChrisLPZ":
Zum Instanzenweg und zugehörigen Diskussionen siehe auch:
Verhandlung VG Ansbach, Do., 02.02.17, ab 10:30 vom 24. Januar 2017
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=21805.0
GERICHTSTERMIN: Verhandlung, BayVGH München, Di, 20.02.2018, 10:30h 30. Januar 2018
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=26149.0
VERHANDLUNG am BVerwG zur Studenten u. Wohngeld-Problematik, 30.10.2019, 10 Uhr vom 11. August 2019
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=31862.0
Sowie die zugehörigen Pressemeldungen zum Urteil des BVerwG vom 01.11.2019:
Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht wegen eines besonderen Härtefalls
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=32431.0
Edit "Bürger" 11/2019:
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Edit "Bürger" - ausgewählte Links zu diesem Thema:
Geringverdiener/Wohngeldbezieher/... Rückzahl. für alles seit 2013 verlangen
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=36701.0
Geringverdiener: 4 Mio Haushalte per Härtefallantrag sofort zu befreien?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=30047.0
BVerfG 1 BvR 1089/18 - Beitragsservice/LRA zu Härtefallprüfung verpflichtet
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35953.0
BVerwG Urteil 30.10.19, 6 C 10.18 > Befreiung Einkommensschwacher/ Härtefall
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=32804.0
Härtefall mit rechtskräft. Urteil > Wiederaufgreifen bzgl. BVerwG 6 C 10.18?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=32456.0
VERHANDLUNG am BVerwG zur Studenten u. Wohngeld-Problematik, 30.10.2019, 10 Uhr
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=31862.0
GERICHTSTERMIN: Verhandlung, BayVGH München, Di, 20.02.2018, 10:30h
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=26149.0
Verhandlung VG Ansbach, Do., 02.02.17, ab 10:30
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=21805.0
Studentin im Zweitstudium VGH München 7 BV 17.770 Wohngeld Härtefall
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=31863.0
OVG Rh.-Pf. 27.8.20, 7 D 10269/20.OVG - kein Härtefall ohne Soz.leist.Antrag
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=34247.0
Ist Antasten des Existenzminimums "Körperverletzung"?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35184.0
Umlage v. Befreiungs-Einnahmeausfällen auf Beitragspflichtige (un-)zumutbar?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=28740.0
Wer finanziert den Rundfunkbeitrag bei einem Antrag auf Befreiung?
http://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=19196.0
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,19196.msg126156.html#msg126156
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,19196.msg126216.html#msg126216
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,19196.msg177979.html#msg177979
Besucher:
Um mit Deiner Abschlussfrage anzufangen...
--- Zitat von: drboe am 11. August 2019, 18:24 ---...
Mittelbar hat es erklärt, dass die Liste der Befreiungsgründe gerade nicht abschliessend sei und andere, nicht aufgeführte Gründe durchaus zur Befreiung führen können, ggf. müssen.
Ich sehe nicht, warum das heute anders sein soll. Damals hätte man immerhin noch argumentieren können, dass niemand ein gebührenpflichtiges Empfangsgerät bereit halten müsse. Dem Rentner stand also eine Ausweichmöglichkeit zur Verfügung. Diese besteht heute nicht mehr. Insofern müssten m. E. die möglichen Gründe für eine Befreiung deutlich weiter gefasst werden. Zu geringes Einkommen ist daher, im Gegensatz zu Ansicht der Richter im Instanzenzug, sehr wohl als Befreiungsgrund zu akzeptieren. Denn warum sollte heute eine Schlechterstellung gegenüber den durch die Regeln des sogn. Rundfunkbeitragsstaatsvertrag Begünstigten zulässig sein?
...
--- Ende Zitat ---
Sie ist es ebensowenig, wie sie es zu Gebührenzeiten war - & heute sogar noch weniger, nachdem es ja keine Vermeidungsmöglichkeit der "Rundfunkbeitrags"-Pflicht mehr gibt (außer einfach Hartzie*)) werden, Sterben oder Auswandern :->>), wie nicht nur Du noch einmal festgestellt hast. Des Pudels Kern den Punkt betreffend ist ganz einfach, dass das im Interesse maximal klingelnder Kassen lediglich der Wunschtraum der Abzocker ist bzw. von deren Helfershelfern in Richterrobe in der staatlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit.
*) nicht beleidigend oder abschätzig gemeint
Als Ergänzung zur Wiedergabe des benannten Urteils bzgl. RN 12 sei noch etwas angefügt, nämlich RN 17, wo es glasklar heisst
--- Zitat ---...
Aufgrund der mit der Pauschalierung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 RGebStV verbundenen Härten ist die Anwendung des Rundfunkgebührenstaatsvertrages durch das Verwal-
tungs- und das Oberverwaltungsgericht nicht mehr mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, ohne dass der Rundfunkgebührenstaatsvertrag selbst verfassungswidrig wäre.
...
--- Ende Zitat ---
Viel deutlicher dürfte es nicht gehen.
Was auf dem Hintergrund die Erforderlichkeit der Weiterfassung der Befreiungstatbestände anlangt, ist aber weiter die Frage*), ob diese tatsächlich notwendig wäre - über das hinaus, was eindeutig in den jeweiligen Landtagsdrucksachen als Gesetzesbegründung zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (& entsprechend bereits auch schon in den Beschlussvorlagen des VIII. Rundfunkänderungsstaatsvertrags zum 01.04.2005) festgehalten worden war. Zwar fehlt nach dunkler Erinnerung eines fiktiven Besuchers bzgl. nachstehender Ausführungen des Entwurfs des 15. RfÄndStv zum Thema Befreiung v. "Rundfunkbeitrag" Berlin, aber in den Ausfertigungen der anderen Bundesländer zu den Befreiungstatbeständen steht Schwarz auf Weiss folgendes drin (Hervorheb. & Anmerk. nicht im Original):
--- Zitat ---...
Absatz 6 sieht weiterhin eine Beitragsbefreiung in besonderen Härtefällen vor. Abweichend
zur bisherigen Regelung der Rundfunkgebührenbefreiung in besonderen Härtefällen in § 6
Abs. 3 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages handelt es sich bei der Entscheidung über den
Antrag auf Erteilung einer Rundfunkbeitragsbefreiung um eine gebundene Entscheidung der
zuständigen Landesrundfunkanstalt. Absatz 6 weicht auch insoweit von der Regelung des §
6 Abs. 3 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages ab, als aus Gründen der Rechtsklarheit
ausdrücklich geregelt wird, dass eine Rundfunkbeitragsbefreiung das Stellen eines „geson-
derten“ Antrages voraussetzt. Der Begriff des besonderen Härtefalles wird nicht definiert. Ein
besonderer Härtefall liegt insbesondere vor, wenn, ohne dass die Voraussetzungen des Ab-
satzes 1 Satz 1 vorliegen*), eine vergleichbare Bedürftigkeit nachgewiesen werden kann. Mit
der Regelung des Satzes 2 ist ein besonderer Härtefall insbesondere auch in dem Fall ge-
geben, dass eine Sozialleistung nach Absatz 1 Nr. 1 bis 10 in einem durch die zuständige
Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die
jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschreiten.Für
den Nachweis ist die Vorlage eines ablehnenden Bescheids dieses Inhalts erforderlich.**) Dar-
über hinaus ist ein besonderer Härtefall unter anderem dann anzunehmen, wenn es einem
Rundfunkbeitragsschuldner objektiv unmöglich wäre, zumindest über einen Übertragungs-
weg (Terrestrik, Kabel, Satellit, Internet oder Mobilfunk) Rundfunk zu empfangen.
...
*) Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches des
Sozialgesetzbuches (Sozialhilfe) oder nach den §§ 27 a oder 27 d des Bundesversorgungs-gesetzes
**) Hinzufügung zur ansonsten in dem Zusammenhang gleichlautenden LT-Drucksachen zum VIII. RfÄndStV
--- Ende Zitat ---
Hier ein paar Links dazu:
https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP15/Drucksachen/0000/15_0197_D.pdf
https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP16/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000004500/0000004526.pdf
https://www.landtag-niedersachsen.de/drucksachen/drucksachen_16_5000/3001-3500/16-3437.pdf
https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD15-1303.pdf
& ergänzend das:
Jüngstes Urteil des Bundesverfassungsgerichts u. a. zur Frage der Stellung richterlicher Rechtsfortbildung zum Gesetz bzw. dem »klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers«
Leitsatz 3: "3. Richterliche Rechtsfortbildung darf den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen und durch ein eigenes Regelungsmodell ersetzen.")
Link: http://www.bverfg.de/e/ls20180606_1bvl000714.html
Was sind die obigen Aussagen zu den sogenannten "Härtefällen" anderes als die Anweisung und Ausdruck des Gesetzgeberwillens (& damit auch der Möglichkeit!) zur verfassungskonformen Gesetzesanwendung, wie sie sich aus obiger in RN 17 wiedergegebenen Feststellung ergibt? Bezogen auf das Ausgangsproblem steht doch eigentlich alles drin - wobei natürlich hier nicht extra erwähnt werden muss, dass derartig eindeutige Aussagen seitens der einschlägig bekannten Herrschaften grundsätzlich unterschlagen, bzw. von manchem dt. Verwaltungsgericht bzw. Oberverwaltungsgericht regelmäßig übersehen® oder im Zuge "kreativer" Rechtsprechung bedarfsweise auch von links auf rechts gezogen bzw. passend zurechtrabulisiert werden. Letzteres manchmal sogar noch garniert mit der - allerdings nirgendwo im Sinne eines nachlesbaren, dezidierten Gesetzgeberwillens belegten - u. a. Siekmann'schen Behauptung, es handele sich beim Härtefalltatbestand "um eine besonders eng auszulegende Ausnahmevorschrift". So "eng" also, dass es den eigentlich gar nicht gibt.
Denn ein Beispiel, wie ein solcher Härtefall auszusehen hätte - wenn schon ein "Härtefall" im Sinne des Gesetzgeberwillens nach Auffassung v. Anstalten, "Beitragsservice" und dem gemeinen dt. Verwaltungsgericht überhaupt kein "Härtefall" ist - sind alle diese bis heute schuldig geblieben. Und nicht einmal im Falle des obigen Rentners war die GEZ - nachdem diese sich jahrelang und unterstützt durch die Gerichte mit Händen & Füßen gewehrt hatte - imstande, ihre urplötzliche (kurz vor einem Urteil in obiger Sache :->>) gemachte "Entdeckung" daß es sich um einen "Härtefall" handele, zu substanziieren. Der Mann war plötzlich einfach ein "Härtefall"...
Spannend wäre ergänzend zur im obigen Verfahren ja bereits erfolgten eindeutigen (leider nur nicht als Urteil vorliegenden) Bewertung der Art. 3, 1 Problematik insofern eigentlich nur noch die folgende Frage: Nämlich, ob (wie es dem Vernehmen nach ggü. jedem Geringverdiener und Kleinrentner, der nicht Hartzie ist, die Verwaltungsgerichte immer noch bzw. mit wachsender Begeisterung regelmäßig tun - die Beerdigung Bedürftiger bezahlt schliesslich das Sozialamt, also ist immer Geld für den "Rundfunkbeitrag" in der Erbmasse vorhanden :->>) auch das Bundesverfassungsgericht Art. 1,1 GG (Recht auf menschenwürdige Existenz - und dazu gehört ein mindestens dem Sozialhilfesatz entsprechendes materielles Lebensniveau) über die Klinge der berühmten Verwaltungsvereinfachung® springen lassen wird oder würde. Wenn man sich Österreich ansieht - denen & ihrer GIS reicht bis heute ja sogar einfach der Steuerbescheid - könnte das bereits hierzulande noch einmal einen Ansatzpunkt bieten, wo der benannte hiesige Staatsvertrag im Sinne des Grundgesetzes korrigiert bzw. eine einfache & insbesondere für die Herrschaften in den Anstalten bzw. "Beitragsservice" verbindlich anzuerkennende einfache Möglichkeit der Nachweiserbringung zu schaffen wäre - wenn schon beim "Beitragsservice" & in den Anstalten offenbar nur mit Dyskalkulie geschlagene Mitarbeiter (Steuerbescheid lesen & verstehen :->>) zu sitzen scheinen.
Darüber hinaus könnte das dann - zumal angesichts der in Europa (Österr. ./. D) bislang ja kaum zu überbietenden Variationsbreite bzgl. der Befreiung oder willkürlichen Nichtbefreiung Bedürftiger von "Rundfunkbeitrag" oder -gebühren ja dann u. U. auch noch einmal einen Anlauf auf europ. oder sogar internationaler Rechtsebene ermöglichen.
*) aber bei ausdrücklicher Zustimmung bzgl. Deiner Ansicht im Hinblick auf die Notwendigkeit der Befreiung derer mit "lediglich geringem Einkommen" (© "Beitragsservice" 2013-2019 / Binder, Vesting & andere ÖRR-Schreiberlinge: Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht), jedenfalls so lange Art. 1,1 Grundgesetz noch nicht gestrichen ist :->>)
pjotre:
Ist die Kläger-Person ermittelbar?
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... damit durch das Einbringen neuer Argumente das Bundesverwaltungsgericht erstmals seinen Einheitsentscheid von 2016...2017 nicht mehr verwenden kann.
Wichtig ferner wegen neuer Verfassungsbeschwerde,
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Es erfolgt in diesen Tagen, ein Pilotverfahren zu einem Teil der Gesichtspunkte,
Rechtsweg erschöpft,
so dass das BVerwG wegen Vorgreiflichkeit aussetzen könnte.
Bezüglich der Ausführungen zur Rechtslage hier im Thread:
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Das ist immer hilfreich für die Seele, also weiter so.
Allerdings ist ja klar, was Recht ist, jedenfalls nun ausreichend fortgeschritten im Schriftsatzkomitee einer entsprechend juristisch orientierten Plattform erarbeitet. Die Aufgabe lautet nun, durch geeignet rechts- und wirtschaftswissenschaftlich kompetente Schriftsätze der Rechtsprechung zu ermöglichen, die Manipulation des Rechtslage durch die ARD-Juristen nachvollziehbar bewiesen zu erhalten.
Dann und nur dann kann die Rechtsprechung diesem Politik- und Justizskandal ein Ende bereiten. .
Dafür wäre das Wichtigste, den Kläger der BVerwG-Sache kontaktieren zu können.
drboe:
Der Beschluss und insbesondere der Wortlaut der Begründung des BVerfG sollte mit Quellenangabe genügen um die Behauptung zu widerlegen, die Aufzählung im sogn. RBStV zu Befreiungstatbeständen sei abschliessend. Auch wenn Gerichte Urteile in vergleichbaren Fällen ignorieren können, sind Beschlüsse des BVerfG doch von etwas anderer Qualität. Wenn aber ein Gericht also unbedingt Gründe für eine Bestätigung der damaligen Beurteilung des BVerfG schaffen will, kann es sich ja weiter merkbefreit geben. Es ist sicher nicht schön, wenn ein x-beliebiges Gericht vom BVerfG einen Nasenstüber bekommt. Für die obersten Gerichte dürfte das peinlich sein.
M. Boettcher
Philosoph:
Protokoll zur Revisionssverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig
am 30.10.2019, Sitzungssaal III, 1. Obergeschoss, Zimmer 1.034, „Großer Sitzungssaal“
Az.: 6 C 10.18
Die Verhandlung fand vor der sechsten Kammer statt, die aus fünf Richtern besteht.
Anwesend waren die Klägerin und ihr Anwalt.
Als Vertreter des Beklagten sind zwei Mitarbeiter des BR erschienen (Frau Amsel und Herr Näher)1; eine Vertretung der beteiligten Landesstaatsanwaltschaft Bayern war nicht anwesend.
Das Publikum bestand aus ca. 45 Zuhörern.2
Beginn: 10 Uhr.
Der Vorsitzende Richter entschuldigte sich eingangs für die schärfere Eingangskontrolle.
Nachdem aus dem Publikum nach seinem Namen gefragt worden war, nannte er ihn und verwies darauf, daß er auch am Infobrett vor dem Gerichtssaal abgelesen werden könne. Außerdem ermahnte er das Publikum, daß eine Gerichtsverhandlung keine öffentliche Veranstaltung sei. Gerade bei Rundfunkbeitragsverhandlungen habe er schon öfter Einwürfe aus dem Publikum erlebt.
Der Berichterstattende Richter trug die Sachlage vor. Laut der Vorinstanz (Bay. Verwaltungsgerichtshof)3 sei die Ungleichbehandlung eines Studenten ohne BAföG gerechtfertigt; eine Verletzung der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG liege nicht vor.
Der Vorsitzende Richter fragte im Anschluß nach Anträgen, denn diese würden vor dem BVerwG immer zu Beginn der Verhandlung gestellt.
Soweit er es sehe, verfolge die Klägerin mit ihrer Revision zwei Rechtsschutzziele. Zunächst verfolge die Klägerin eine Rücknahme des Beitragsbescheids für den Zeitraum von xx bis yy; zudem solle der Beklagte verpflichtet werden, sie ab Oktober 2014 zu befreien.
Der Vorsitzende Richter fragte die Klägerin, ob sie nach dem Eintritt ins Masterstudium von der Beitragspflicht befreit worden sei.
Klägerin: Nein. Trotz gestellter Anträge sei sie nicht befreit worden.
Vorsitzender Richter: Frage, wann das Studium beendet worden sei und um welchen Befreiungszeitraum es ginge.
Rechtsanwalt: Nannte Ende des Studiums. Gab nach Beratung mit der Klägerin zur Antwort, daß dies unklar sei.
Vorsitzender Richter fragt die Vertreter des BR, warum die Klägerin nicht befreit worden sei.
Amsel: Mit Klageeingang erfolge eine Mahn- und Sollaussetzung der Beitragskonten bis die Verjährung der Beiträge drohe. Über Befreiungsanträge würde erst nach Klageerledigung entschieden.
[Anm. d. Protokollführer: Diese Aussagen schienen die Richter doch ziemlich zu irritieren. Das Publikum übrigens auch.]
Vorsitzender Richter erklärt, daß sich die Rechtsordnung geändert habe, der Beklagte aber nicht auf die Änderung der Rechtslage reagiert habe.
Näher gibt an, daß er nicht wisse, ob Befreiungsanträge der Klägerin bei ihnen eingegangen seien.
Vorsitzender Richter fragt nach, wie es mit neuen Anträgen aussehe.
Näher: Das Gerichtsverfahren betreffe nur den alten Antrag von 2015. Es sei üblich rückständige Beiträge mit rechtsmittelfähigem Verwaltungsakt festzusetzen.
Klägerin: Die Klägerin gibt an, schon im April 2015 einen Antrag gestellt zu haben.
Vorsitzender Richter: Das BVerwG sei ein Revisionsgericht und deswegen an die Aktenlage des Bay. VGH gebunden.
RA: Die Rechtsfrage sei entscheidend.
Vorsitzender Richter: Gibt zu Protokoll:
Antrag der Klägerin, die Urteile der Vorinstanzen zu ändern und den Bescheid von 2015 aufzuheben,
sowie den Ablehnungsbescheid von 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin eine Befreiung von der Beitragspflicht von xx bis yy zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Revision abzuweisen.
Weiter stellte der Vorsitzende Richter fest, daß es schon viele Verhandlungen zu diesem Thema gegeben habe. Das BVerwG habe 2016 die Verfassungsmäßigkeit der Rundfunkbeiträge bejaht und das BVerfG habe dies am 18.7.2018 bestätigt. Aus diesem Grund sehe das Gericht die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit als geklärt an, dennoch dürfe sich die Klägerin dazu noch äußern.
RA: Nach kurzer Beratung mit der Klägerin gab er an, sich dazu nicht mehr äußern zu wollen, die Härtefallproblematik sei von Bedeutung.
Vorsitzender Richter: Zunächst werde man die Festsetzung der Rundfunkbeiträge untersuchen. Nach § 10 Abs. 5 RBStV würden rückständige Beiträge durch die zuständige LRA festgesetzt. Bezüglich der „Rückständigkeit“ stelle sich die Frage, ob an dieser Stelle schon die Befreiungsanträge relevant seien. Dem Gesetz nach gebe es keine Festsetzung, wenn befreit wurde. Näheres sei im Gesetz nicht ausgeführt.
Die Klägerin habe die Möglichkeit zur Stellungnahme. RA lehnt ab.
Vorsitzender Richter: „Sie überlassen diese Rechtsfragen also der Weisheit des Gerichts? Das ist schön.“
Amsel: Anträge hemmen die Vollstreckung nicht, sie hemmten nur die Festsetzung
[Anm. d. Protokollanten: Wir sind uns nicht sicher, ob wir das richtig verstanden haben.]
Die Festsetzung erfolge automatisiert. Würde es anders gehandhabt, würde sich die Festsetzung verzögern.
Vorsitzender Richter: „Ihre Verwaltungspraxis spielt keine Rolle für die Rechtslage!“
In § 4 Abs. 1 RBStV werde die Befreiung aus sozialen Gründen geregelt. Diese Regelung diene dem Hauptzweck der Verwaltungsvereinfachung. Nicht geklärt sei die Frage der analogen Anwendung. Eine Analogie setze eine planwidrige Regelungslücke voraus.
In § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV sei der „besondere Härtefall“ geregelt. Am 12. Oktober 2011 habe die 6. Kammer des BVerwG bzgl. Härtefällen entschieden, daß das Regelungskonzept aus damals $ 4 RGebStV nicht umgangen werden könne und allgemeine Einkommensschwäche keine Ausnahme darstellen würde.4
Im November 2011 habe das BVerfG entschieden, daß Art. 3 GG eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertige.5 Eine Befreiung aufgrund finanzieller Not dürfe nicht versagt werden, sonst würde § 4 Abs. 6 RGebStV verfassungswidrig. Dies zeige das Wörtchen „insbesondere“ an. Daraus lasse „sich messerscharf schließen, daß es auch noch andere Fälle geben muß!“
RA: Schließt sich der Ausführung des vorsitzenden Richters an. Fürth weiter aus: Es komme darauf an, ob eine vergleichbare Bedürftigkeit vorliege. Im Falle der Klägerin liege ein Wohngeldbescheid vor, da sie kaum oder kein Einkommen gehabt habe, da ihr das Wohngeld sonst nicht gewährt worden wäre. Daraus lasse sich sehen, daß eine vergleichbare Bedürftigkeit vorliege. Dies habe der BR auch nie bestritten.
Im BAföG sei geregelt, daß das Erststudium gefördert werde, das Zweitstudium hingegen nicht. Das sei durchaus nachvollziehbar. Den Rundfunkbeitrag müsse aber inzwischen jeder zahlen. Es lägen hier zwei verschiedene Gesetze vor, die verschiedene Bereiche regelten. Aus diesem Grund seien die Regelungen des BAföG nicht einfach auf den RBStV übertragbar, denn damit würde der Gesetzgeber dem Sozialstaatsprinzip nicht gerecht.
Amsel: Bzgl. des Wohngeldes sei zu betonen, daß der Gesetzgeber sich wiederholt bewußt dagegen entschieden habe, dieses Merkmal in den Befreiungskatalog des § 4 Abs. 1 RBStV aufzunehmen. Bis 2005 hätte dies im Gesetz gestanden und dann gestrichen worden, da es der Verwaltungsvereinfachung dienen solle, wenn die LRA nicht die Grundlagen überprüfen müßten. Diesbezüglich sei auch schon entschieden worden, daß keine verfassungsmäßige Problematik vorliege. Ausnahmen von der Beitragspflicht seien nur in den seltensten Fällen zu gewähren.
Bzgl. der Auslegung von § 4 Abs. 6 RBStV müsse man den „besonderen Härtefall“ näher beleuchten. Ob im Falle der Klägerin eine „Härte“ vorliege? Aus Sicht der Klägerin wohl schon. Es stelle sich aber die Frage, ob das Entfallen eines Vorteils schon als Härte angesehen werden könne. Dann sei zu untersuchen, ob es sich um eine „besondere Härte“ handle. Hier käme es auf die vergleichbare Interessenlage an. Es ginge um atypische Fälle, die vom Gesetzgeber übersehen worden seien.
Dies ließe sich auch am Wörtchen „insbesondere“ sehen. Dies lasse sich z.B. auf einen Patienten im Wachkoma anwenden, der keinen Vorteil aus der Rundfunknutzung ziehen könne, aber nicht direkt in § 4 Abs. 1 RBStV aufgeführt sei. Daran könne man sehen, daß es durchaus Fälle gäbe, in denen § 4 Abs. 6 RBStV anwendbar sei.
Vorsitzender Richter betonte, daß es sich beim Rundfunkbeitrag nicht um eine „Steuer“ handle. Man befände sich hier im Bereich der Vorzugslasten. Es käme darum auf den Vorteil an.
Im § 4 RBStV sei die Befreiung aus sozialen Gründen geregelt, wenn eben kein Geld da sei. Der Unterschied zum früheren Gebührenmodell bestehe darin, daß man früher die Gebühren vermeiden oder verringern konnte. „Das geht jetzt nicht mehr.“
RA fragt Amsel, ob es außer ihrem Beispiel mit dem Wachkomapatienten noch weitere Fälle gäbe, in denen § 4 Abs. 6 RBStV Anwendung finde oder ob dieser § ohne Fallanwendung und damit faktisch gegenstandslos sei.
Näher: Der Fall des Komapatienten sei in § 4 Abs. 1 RBStV geregelt. Der Betreuer eines Komapatienten könne einen Befreiungsantrag stellen. Der Wachkomapatient sei dort nicht extra aufgelistet, deswegen greife hier § 4 Abs. 6 RBStV. [Anm. d. Protokollführer: Der Komapatient ist in Abs. 1 ebenfalls nicht eindeutig aufgelistet.]
Er persönlich halte § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV für „dogmatisch verfehlt“. Er gelte nur für vom Gesetzgeber übersehene Fallkonstruktionen. Der Bezug von Wohngeld sei hingegen nicht atypisch, es gebe hier viele Fälle. Außerdem sei der Bezug von Wohngeld nicht mit dem Bezug nach BAföG vergleichbar, da ersterer nicht zu Schulden führe, zweiterer aber schon. Ebenfalls sei das Wohngeld nicht mit Sozialhilfe vergleichbar, da hier eine Vermögensanrechnung erfolge.
Berichterstattender Richter: Betont, daß der Begriff der „vergleichbaren Bedürftigkeit“ weiter überprüft werden müsse. Außerdem müsse man zur Kenntnis nehmen, daß das BVerfG 2011 die Frage nach der Vergleichbarkeit anders gesehen habe. In diesem Fall sei es um einen Rentner gegangen, der Wohngeld erhalten habe. Intensive, wiederkehrende Belastungen seien nach BVerfG nicht aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung hinnehmbar. Es stelle sich darum die Frage, ob der Begriff des „besonderen Härtefalls“ nicht verfassungskonform ausgelegt worden sei. Man müsse den Vergleich von Sozialhilfe und Wohngeld kritischer betrachten.
Vorsitzender Richter: Der Beklagte sei auf die Entscheidung des BVerfG von 2011 überhaupt nicht eingegangen. Dieser Beschluß habe leider keine Bindewirkung, da es sich um einen Kostenfestsetzungsbeschluß handle.6
Näher: Es reiche nicht aus, nur das Einkommen anzuschauen. Die LRA seien keine Sozialbehörden. Es greife zu kurz, auf das Merkmal von 5 % des Einkommens abzustellen. Damit würde auch die Wertung des Gesetzgebers umgangen werden.
Es gäbe auch Fälle, in denen das Einkommen sehr gering ausfalle. Dann stelle sich aber heraus, daß das Einkommen aus Zinsauszahlungen bestehe.
Im Übrigen gäbe es im BAföG eine Härtefallklausel.7 Die Klägerin hätte dementsprechend einen Antrag beim BAföG-Amt stellen können. Es müsse auf die „Einheit der Rechtsordnung“ geachtet werden.
Berichterstattender Richter: Es sei zu bemerken, daß die LRA bis 2005 Prüfungen von Befreiungsanträgen selbst vorgenommen hätte. Da sei es schließlich auch gegangen.
Im Beschluß des BVerfG von 2011 sei es außerdem um einen Rentner mit Wohngeld gegangen. Eine Überprüfung der Vermögensverhältnisse hätte da auch nicht stattgefunden oder als Voraussetzung genannt worden. „Anscheinend ignorieren Sie diese Entscheidung.“
Vorsitzender Richter zitiert aus der Entscheidung des BVerfG vom 9.11.2011 [Rn. 15]:
--- Zitat ---Die ungleiche Behandlung des Beschwerdeführers gegenüber Empfängern von Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII findet ihre sachliche Rechtfertigung ebenfalls nicht in der Möglichkeit, aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zu generalisieren, zu typisieren und zu pauschalieren [...]. Die Auslegung und Anwendung der § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 6 Abs. 3 RGebStV durch das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht, insbesondere die restriktive Anwendung der Härtefallregelung in § 6 Abs. 3 RGebStV wird den vom Bundesverfassungsgericht formulierten Voraussetzungen einer zulässigen Typisierung nicht gerecht. Hierzu ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich, dass die mit ihr verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, sie lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist [...]. Die Verwaltungsvereinfachung bei der Prüfung, ob eine Befreiung von Rundfunkgebühren zu gewähren ist, vermag hiernach die Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers gegenüber Empfängern von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII nicht zu rechtfertigen, da keine kleine Anzahl von Personen betroffen ist und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz intensiv ist.
--- Ende Zitat ---
Näher: Beim Wohngeld handle es sich um eine Begünstigung.
Vorsitzender Richter: Entscheidend sei nicht das Wohngeld, sondern das Einkommen.
Näher: Weist darauf hin, daß es sich bei der Entscheidung des BVerfG nur um einen Kostenfestsetzungsbeschluss gehandelt habe, weshalb er nicht binden sei.
Der BR müsse erst kucken, „was das öffentliche Recht hergibt“.
Klägerin: Das Wohngeldamt habe die finanziellen Verhältnisse genau überprüft. Es habe also schon eine Einkommensüberprüfung stattgefunden.
RA: Allein die finanzielle Notlage muß als Anknüpfungspunkt gesehen werden.
Näher: Aufgrund der Neuerungen des Bundesdatenschutzgesetzes sei es für die LRA problematisch, die Unterlagen der Antragssteller zu überprüfen. Die LRA dürften nicht einfach die Daten verarbeiten und speichern. Das sei für den Nachweis der Einkommensverhältnisse aber notwendig.
Vorsitzender Richter: Es sei natürlich klar, daß Belege vorgelegt werden müßten. Der Vertreter des BR habe aber das BDSG falsch verstanden, denn dieses sehe zahlreiche Ausnahmen für die Speicherung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten vor, insbesondere im Verwaltungsbereich oder wenn der Betroffene damit einverstanden sei.8
Näher: Damit würde das Gesetz auf ein reines Deklarationsgebot hinauslaufen. Dies würde zu Beitragsungerechtigkeit führen.
Berichterstattender Richter: Es sei bekannt, daß „Sie nicht zimperlich sind, wenn es darum geht, Anträge abzuweisen“. Der Umgang mit persönlichen Daten sei im RBStV ausführlich geregelt. Eingereichte Nachweise dürften natürlich gespeichert werden.
Amsel: Einwand, daß sie die Entscheidung des BVerfG von 2011 nicht mißachtet hätten.
Vorsitzender Richter: Es sei nicht vorgeworfen worden, daß die Entscheidung mißachtet worden sei. „Sie gehen nicht darauf ein.“
Amsel: Die Klägerin sei mit einem Rentner nicht zu vergleichen. Die Situation im Zweitstudium sei durch die Klägerin aufgrund einer bewußten Entscheidung so herbeigeführt worden. Diese Entscheidungsfreiheit habe der Rentner nicht. Die Klägerin hätte ihr Erststundium beenden können.
Vorsitzender Richter: Das Gericht werden über alle Aspekte beraten.
Letzte Möglichkeit der Stellungnahme für Klägerin und Beklagten. Die Klägerin würde gerne noch etwas sagen, dies sei aber vor dem BVerwG nicht zulässig.
RA: Aktuell werde der § 4 Abs. 6 RBStV ausgehöhlt.
Näher: Seiner Ansicht nach müsse ein Regulativ auf der Primärebene geschaffen werden.
Klägerin, der das Gericht doch noch das Wort erteilte: Bezüglich der Frage nach dem Merkmal „atypisch“ sollte bedacht werden, daß der Gesetzgeber das Wohngeld als vorrangig vor der Sozialhilfe ansehe. Das Wohngeld solle das Abrutschen in die Sozialhilfe verhindern.
Wenn das Einkommen unterhalb der Einkommensgrenze liege, sei das schon ein atypischer Fall.
Vorsitzender Richter: Gibt bekannt, daß sich das Gericht im Anschluß an die folgende Verhandlung zuerst mit diesem Fall befassen werde. Das Urteil werde am 1.11. bekannt gegeben.
Beschluß: Das Urteil wird am heutigen Tag ergehen.
Ende: 10:10 Uhr.
Die Protokollführer übernehmen keine Gewähr für die Richtigkeit der Darstellung.
1 Namen aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes geändert.
2 Die Zuhörer bestanden zum größten Teil aus Senioren und Studenten. Da im Anschluß an die GEZ-Verhandlung die Verhandlung 6 C 18.18 um eine CD des Rappers Bushido erfolgen sollte, war die erste Sitzreihe komplett für die Presse reserviert (und blieb natürlich während der ersten Verhandlung leer).
3 Urteil vom 28.02.2018 des VGH München zu 7 BV 17.770
https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-6999?hl=true
4 Gemeint ist vmtl.:
BVerwG, Urteil vom 12.10.2011, 6 C 34.10; https://www.bverwg.de/121011U6C34.10.0
--- Zitat ---Leitsatz:
Beantragt ein Rundfunkteilnehmer trotz Vorliegens der Voraussetzungen weder Hilfe zum Lebensunterhalt noch Ausbildungsförderung, so kann keine Befreiung von der Rundfunkgebühr nach § 6 Abs. 1 RGebStV verlangt werden. Es fehlt in diesem Fall auch an der Voraussetzung einer besonderen Härte zur Befreiung nach § 6 Abs. 3 RGebStV.
--- Ende Zitat ---
5 BVerfG, Beschluß vom 9.11.2011, 1 BvR 665/10, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2011/11/rk20111109_1bvr066510.html
6: Nach § 31 BVerfGG binden die Entscheidungen des BVerfG „die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden“.
https://dejure.org/gesetze/BVerfGG/31.html
7 Gemeint ist vmtl. § 14a BAföG
--- Zitat ---Anmerkung von Studis Online: Es gibt hierzu lediglich eine Rechtsverordnung von 1974 (!; in Sachen Währung allerdings 2001 angepasst und auf Euro umgestellt), die sich auch nur auf Internatsunterbringung bezieht. Für alles andere kann man sich also NICHT auf diesen Paragraphen berufen, da es eben keine Regelungen dazu gibt.
[Quelle: https://www.bafoeg-rechner.de/FAQ/paragraph/14a.php]
--- Ende Zitat ---
8: Persönliche Anmerkung: Diese Stelle war besonders witzig, da Herr Näher seit 2016 Datenschutzbeauftragter des BR ist.
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