Rn. 135Der Rückgriff des Bundes gegen ein Land wegen Anlastungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften richtet sich nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG.
Rn. 139[...] Dem Bund obliegt aber die innerstaatliche Koordinierung bei dem Vollzug des einschlägigen Gemeinschaftsrechts. Art. 4 Abs. 1 Buchstabe b VO (EWG) Nr. 729/70 in der Fassung der VO (EG) Nr. 1287/95 bringt dies mit der Pflicht des Mitgliedstaats zur Einrichtung einer Koordinierungsstelle für den Fall zum Ausdruck, dass mehrere Zahlstellen eingerichtet sind. Ziel ist die Sicherstellung der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Diese Koordinierungspflicht kann für den ordnungsgemäßen Vollzug des Gemeinschaftsrechts, vor allem auch für die Einrichtung des nach der VO (EWG) Nr. 3508/92 des Rates vom 27. November 1992 einzuführenden Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems eine zentrale Bedeutung einnehmen. Eine nicht ordnungsgemäße Wahrnehmung der Koordinierungspflicht ist geeignet, Vollzugsdefizite bei den Zahlstellen zu verursachen
Rn. 141Vor diesem Hintergrund steht fest, dass die Vollzugsverantwortung für die hier in Rede stehenden Maßnahmen nicht allein den Ländern zukommt. Vielmehr ist der Bund in nicht unerheblichem Maße in den Vollzug der hier einschlägigen EG-Verordnungen eingebunden. Dies betrifft gerade auch die Einrichtung eines Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems, wegen dessen Mängeln die Anlastungen vorgenommen worden sind. Das Zusammenwirken von Bund und Ländern ist vorliegend durch das Gemeinschaftsrecht begründet und durch Art. 23 GG legitimiert
Rn. 144Der Anwendungsbereich des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG ist auch dann eröffnet, wenn durch Anlastungsentscheidungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften dem Bund ein Schaden entsteht.
Rn. 1451. Ob der verfassungsändernde Gesetzgeber im Jahre 1969 allgemein an die weit reichenden Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts auf das nationale Rechtssystem und die damit verbundenen finanziellen Folgen oder gar konkret an Anlastungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gedacht hat, ist für die verfassungsrechtliche Beurteilung unerheblich. [...]
Rn. 146Nach dem Wortlaut der Norm haften Bund und Länder im Verhältnis zueinander für eine ordnungsmäßige Verwaltung. Ein Anlass, ihren Anwendungsbereich auf die Verletzung national gesetzten Rechts zu beschränken, besteht auf der Grundlage dieses Wortlauts nicht. Die ordnungsmäßige Verwaltung umfasst sämtliche diesen Gebietskörperschaften obliegenden staatlichen Aufgaben, zu denen auch der Vollzug des Gemeinschaftsrechts gehört [...] Das Gemeinschaftsrecht wirkt vielfältig auf das national gesetzte Recht ein [...]. Neben dem Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts gilt auch das Gebot gemeinschaftskonformer Auslegung. Das nationale Recht ist unter voller Ausschöpfung des richterlichen Beurteilungsspielraums in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen und anzuwenden[...] Der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts [...] führt dazu, dass das Gemeinschaftsrecht mit dem nationalen Recht in einem solchen Maße verwoben ist, dass eine Differenzierung nach dem Normgeber im Rahmen der Haftungsregelung nicht nahe liegt.
Rn. 148[...] Ein sachlich gerechtfertigter Grund, den Bund oder die Länder bei der Anwendung von Gemeinschaftsrecht von einer innerstaatlichen Haftung freizustellen, ist nicht ersichtlich. [...]
Rn. 1492. Zwischen Bund und Ländern entstehen gerade bei der Umsetzung des hier einschlägigen Gemeinschaftsrechts besondere Rechtsbeziehungen, die mit entsprechenden Pflichtenbindungen einhergehen. [...]
Rn. 155Der Umstand, dass dem Bund der Schaden erst vermittelt durch die Anlastungsentscheidungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften entstanden ist, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Für das Eingreifen der Haftungsregelung des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG kann es keine Rolle spielen, ob die fehlerhafte Verausgabung unmittelbar dem Bundeshalt zur Last fällt oder ob die Belastung über den Rückforderungsanspruch eines außenstehenden Finanzierungsträgers eintritt oder auf sonstige Weise durch diesen bewirkt wird. Immer ist das vermögensschädigende Ereignis in wirtschaftlicher Hinsicht dasselbe (vgl. Koenig/ Braun, a.a.O., S. 100).
Rn. 156Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG ist in den Fällen der gemeinschaftsrechtlichen Anlastung auch ohne ein Bundesgesetz nach Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG eine unmittelbar anwendbare Haftungsgrundlage.
Rn. 161[...] Wird etwa ein Kontrollmechanismus praktiziert, der von den gemeinschaftsrechtlich fixierten Vorgaben abweicht, so kommt es für eine Anlastung nicht auf die Frage an, ob die vorgenommenen Kontrollen den vorgegebenen im Ergebnis zumindest gleichwertig sind. [...] Entscheidend ist allein, dass die Vorschriften der Gemeinschaftsverordnungen in allen Mitgliedstaaten einheitlich angewendet werden und im gesamten Gebiet der Gemeinschaft so weit wie möglich die gleiche Wirkung entfalten sollen. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften begründet dies mit der Notwendigkeit einheitlicher und diskriminierungsfreier Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Dies erfordere eine strikte Sichtweise, die sich an der möglichst buchstabengetreuen Auslegung und Handhabung des einschlägigen Marktordnungsrechts orientiere und weder der Kommission noch den mitgliedstaatlichen Organen eigenständige Ermessensspielräume beim Vollzug einräume [...]
Rn. 162[...] Durch die Verweigerung der Finanzierung fehlerbehafteter - also nicht ordnungsmäßiger - Ausgaben wird die in Art. 2 und Art. 3 VO (EWG) Nr. 729/70 für den Fall von Anwendungsfehlern verankerte Lastentragungspflicht der Mitgliedstaaten konkretisiert. [...]
Rn. 163b) Stellen sich die gemeinschaftsrechtlichen Anlastungen als ein Haftungsinstrument dar, das rein objektiven, von jeglichen Verschuldensgesichtspunkten gelösten Grundsätzen folgt, so kann dies nicht ohne Rückwirkung auf die Auslegung des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG als innerstaatliches Gegenüber bleiben.
Rn. 164aa) Auf Grund der - bestandskräftigen - Anlastungsentscheidungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften steht in den hier zur Entscheidung stehenden Fällen für alle staatlichen Institutionen in der Bundesrepublik Deutschland bindend fest, dass im Rahmen des Vollzugs der maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften Mängel vorlagen. Mithin ist auch für das Bundesverfassungsgericht die rechtsverbindliche Feststellung maßgebend, dass in der Bundesrepublik Deutschland insoweit keine ordnungsmäßige Verwaltung bestand. [...]
Das BVerfG sagt hier also, daß, bspw., die Auflastung von Kosten durch die EU-Kommisssion, bspw., in Folge eines Vertragsverletzungsverfahrens Zeichen für eine nicht ordnungsgemäße Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland ist.
Rn. 165[...] Haftung setzt im Zivilrecht wie im öffentlichen Recht nicht notwendigerweise ein Verschulden voraus.
Rn. 166 [...] Vor diesem Hintergrund und im spezifischen Kontext des Art. 104a GG ist der Begriff "haften" dahingehend zu deuten, dass er die durch eine nicht ordnungsmäßige Verwaltung entstandenen Finanzlasten rein objektiv, von Verschuldenselementen vollständig gelöst, zuordnet. [...] In den Fällen gemeinschaftsrechtlicher Anlastungen ist das Normsetzungsermessen des Gesetzgebers jedenfalls dergestalt eingeschränkt, dass es ihm verwehrt ist, innerstaatlich lediglich eine Verschuldenshaftung anzuordnen.
BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 17. Oktober 2006
- 2 BvG 1/04 -, Rn. (1-176),http://www.bverfg.de/e/gs20061017_2bvg000104.htmlDer Begriff "Regress" kommt im Verlauf des Wortlautes der Entscheidung mehrfach vor, ist in den Zitaten selbst allerdings nicht enthalten.
Es geht hier auch nur darum zu erkennen, daß der Bund in Sachen Gemeinschaftsrecht, (EU-Recht), immer in Haftung ist und sich nicht darauf berufen kann, daß eine nationale Angelegenheit ja Sache der Länder sei.
Es ist Aufgabe des Bundes, dafür zu sorgen, daß die Länder nationales Recht in Übereinstimmung zum Gemeinschaftsrecht zur Anwendung bringen.
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