"Beitragsservice" (vormals GEZ) > Widerspruchs-/Klagebegründungen
Rechtsbehelfsbelehr. Festsetz.-besch. fehlerhaft? Widerspruchsfrist 1 Jahr?
GesamtSchuldner:
Der folgende Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße war zwar für den Betroffenen nicht erfolgreich, enthält aber eine interessante Rechtsansicht, nach der die Rechtsbehelfsbelehrungen der Landesrundfunkanstalten fehlerhaft sein sollen, so dass die Frist für die Einlegung des Widerspruchs nicht einen Monat, sondern ein Jahr beträgt:
VG Neustadt/Weinstraße Az. 5 L 1591/18.NW Beschluss vom 01.02.2019
http://www.landesrecht.rlp.de/jportal/portal/t/k0/page/bsrlpprod.psml?doc.hl=1&doc.id=MWRE190001052&documentnumber=2&numberofresults=80&doctyp=juris-r&showdoccase=1&doc.part=L¶mfromHL=true#focuspoint
Selber habe ich gestern einen Bescheid des WDR bekommen, der denselben Fehler enthält. Anscheinend liest beim Beitragsservice niemand die "erfolgreichen" Gerichtsentscheidungen so gründlich, dass man auch die Pferdefüße für den BS erkennt.
--- Zitat ---11 3.1. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners wurde der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 06. April 2018 allerdings fristgerecht eingelegt.
12 3.1.1. Zwar ging der Widerspruch gegen den Bescheid vom 06. April 2018 erst am 09. Juli 2018 beim Antragsgegner und damit außerhalb der Monatsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO ein. Diese Frist brauchte der Antragsteller jedoch nicht einzuhalten. Gemäß § 58 Abs. 1 VwGO beginnt die Frist für einen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei.
13 3.1.2. Vorliegend hat der Antragsgegner in dem Bescheid vom 06. April 2018 u.a. über die Form des Rechtsbehelfs belehrt und zwar mit der folgenden Formulierung:
14 „Der Widerspruch ist schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift einzulegen bei der umseitig genannten Landesrundfunkanstalt unter der Anschrift des für sie tätigen Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio, Freimersdorfer Weg 6, 50829 Köln, oder unter der umseitig genannten Anschrift der Landesrundfunkanstalt. Wird der Widerspruch in elektronischer Form eingelegt, so ist dieser durch De-Mail in der Sendevariante „mit bestätigter sicherer Anmeldung“ nach § 5 Abs. 5 De-Mail-Gesetz an die E-Mail-Adresse info@rundfunkbeitrag.de-mail.de zu richten.“
15 3.1.3. Diese Rechtsbehelfsbelehrung ist nach Auffassung des Gerichts wegen fehlerhafter Belehrung über die Form des einzulegenden Widerspruchs unrichtig.
16 Zwar ist eine Belehrung über die Form des einzureichenden Rechtsbehelfs nicht erforderlich (s. zuletzt BVerwG, Urteil vom 29. August 2018 – 1 C 6/18 –, NJW 2019, 247). Jedoch ist eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht nur dann unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO, wenn eine ihrer in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Angaben nicht zutreffend formuliert ist, sondern auch, wenn ein zusätzlich aufgenommener Hinweis einen unzutreffenden oder irreführenden Inhalt hat, der nach seiner Art generell, also losgelöst vom Verständnis, das er beim Betroffenen gefunden hat, geeignet ist, die Einlegung des Rechtsbehelfs zu erschweren (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 – 3 C 23/08 –, NJW 2009, 2322). Wird – wie hier – in einer Rechtsbehelfsbelehrung eines Ausgangsbescheids aber auch über die Form eines einzulegenden Widerspruchs belehrt, muss auf die Möglichkeit der elektronischen Widerspruchseinlegung hingewiesen werden. Denn § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO bestimmt in der seit dem 01. Januar 2018 geltenden Fassung ausdrücklich, dass der Widerspruch außer schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde auch
17 in elektronischer Form nach § 3a Abs. 2 VwVfG eingelegt werden kann.
18 Diesem Erfordernis hat der Antragsgegner zwar genügt. Der am Ende der Rechtsbehelfsbelehrung angefügte Hinweis, dass der Widerspruch in elektronischer Form durch De-Mail in der Sendevariante „mit bestätigter sicherer Anmeldung“ nach § 5 Abs. 5 De-Mail-Gesetz an die E-Mail-Adresse info@rundfunkbeitrag.de-mail.de zu richten sei, ist indessen unvollständig und damit irreführend im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, weil unerwähnt bleibt, dass der Widerspruch gemäß § 3 a Abs. 2 Satz 2 VwVfG auch dergestalt eingelegt werden kann, dass er mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen wird. Die Möglichkeit, Anträge auch mittels Versendung eines elektronischen Dokuments an die Behörde mit der Versandart nach § 5 Abs. 5 De-Mail-Gesetz einzureichen, sieht § 3a Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 VwVfG zwar ausdrücklich vor. Dabei handelt es sich, wie der Wortlaut des § 3a Abs. 2 Satz 4 VwVfG zeigt („auch“) aber lediglich um eine weitere Modalität der elektronischen Widerspruchseinlegung (vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 3a Rn. 20), ohne dass der Weg der Einlegung des Widerspruchs mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 3 a Abs. 2 Satz 2 VwVfG ausgeschlossen wird (vgl. VG Neustadt/Wstr., Urteil vom 10. September 2010 – 2 K 156/10.NW –, juris zur fehlenden Belehrung über die Möglichkeit der Übermittlung von Dokumenten auf weiteren Wegen).
19 Im vorliegenden Falle wurde mit der Bekanntgabe des Bescheids vom 06. April 2018 deshalb nicht die Monatsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO, sondern die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO in Gang gesetzt, die unzweifelhaft eingehalten ist.
--- Ende Zitat ---
Grundsätzlich sollte man natürlich die Monatsfrist einhalten, um unnötige Auseinandersetzungen mit Beitragsservice/ Rundfunkanstalt/ Gericht zu vermeiden.
Ist das aber nicht erfolgt, sollte die jeweilige Rechtsbehelfsbelehrung daraufhin überprüft werden, ob sie wegen Fehlerhaftigkeit nicht die Jahresfrist ausgelöst hat.
Kurt:
Hallo zusammen,
oha - der Beschluss birgt ungeahntes... >:D
Rechtsbehelfsbelehrungen in Festsetzungsbescheiden sind unvollständig und damit irreführend - dadurch beginnt NICHT die Klagefrist von 1 Monat zu laufen sondern eine JAHRESFRIST nach § 58 Abs. 2 VwGO.
--- Zitat ---"[..] Diese Rechtsbehelfsbelehrung ist nach Auffassung des Gerichts wegen fehlerhafter Belehrung über die Form des einzulegenden Widerspruchs unrichtig. [..]
Der am Ende der Rechtsbehelfsbelehrung angefügte Hinweis, dass der Widerspruch in elektronischer Form durch De-Mail [..] an die E-Mail-Adresse info@rundfunkbeitrag.de-mail.de zu richten sei, ist indessen unvollständig und damit irreführend [..] weil unerwähnt bleibt, dass der Widerspruch [..] auch dergestalt eingelegt werden kann, dass er mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen wird. [..]
Im vorliegenden Falle wurde mit der Bekanntgabe des Bescheids [..] deshalb nicht die Monatsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO, sondern die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO in Gang gesetzt [..]""
--- Ende Zitat ---
Das bedeutet, dass alle diejenigen die Widerspruch einlegen möchten, >ihre< Rechtsbehelfsbelehrung auf dem Festsetzungsbescheid dahingehend überprüfen sollten!
Wenn die auch so formuliert ist, steht man nicht mehr unter Zeitdruck, innerhalb 1 Monat nach Bekanntgabe des Festsetzungsbescheids den Widerspruch einlegen zu müssen.
(Mehr noch: es wäre zu begrüßen dass man dann ganz bewusst erst (viel) später Widerspruch einlegt? DAS provoziert dann sicherlich noch mehr Arbeit! -und Spaß ;))
§ 58 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) "Rechtsbehelfsbelehrung"
https://www.gesetze-im-internet.de/vwgo/__58.html
Gruß
Kurt
Edit "Bürger" - Achtung! Wichtiger Hinweis:
Die bewusste Einlegung von Rechtsmitteln außerhalb der "regulären" Widerspruchsfrist und dadurch unnötig provozierte Vollsteckungsmaßnahmen wird durch das Forum ausdrücklich nicht behandelt! Wir haben schon so genug umständliche Fälle. Wer das also provoziert - noch dazu ohne Sicherheit, dass das jeweilige Gericht das genauso sieht - der möge seinen Fall dann selbst ausfechten und allenfalls hier berichten.
Die Erkenntnisse sollten allenfalls in Fällen verwertet werden, in denen die Frist unwillentlich "davongelaufen" ist oder welche sich erst verspätet für die Einlegung von Rechtsmitteln entschieden haben oder bei welchen ARD-ZDF-GEZ oder das Gericht eine Versäumnis der Rechtsmittelfrist des Klägers geltend machen wollen.
Danke für das Verständnis und die Berücksichtigung!
Bürger:
Hinweis:
Bei aktuellen Festsetzungsbescheiden ab 04/2019 scheint es gewisse Änderungen auf Seite 1 gegeben zu haben. Inwiefern sich seit Erlass der ersten "Festsetzungsbescheide" ab 09/2014 weitere Inhalte und ggf. auch Inhalt der Rückseite einschl. Formulierung der Rechtsbehelfsbelehrung geändert hat, bleibt Gegenstand aktueller Überprüfung. Bitte den dafür einschlägigen Thread im Auge behalten:
Festsetzungsbescheide im Überblick
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,11015.0.html
Es zeichnen sich andere/ weitere Diskrepanzen ab...
GesamtSchuldner:
--- Zitat von: Kurt am 05. Mai 2019, 18:04 ---Edit "Bürger" - Achtung! Wichtiger Hinweis:
...
Die Erkenntnisse sollten allenfalls in Fällen verwertet werden, in denen die Frist unwillentlich "davongelaufen" ist oder welche sich erst verspätet für die Einlegung von Rechtsmitteln entschieden haben oder bei welchen ARD-ZDF-GEZ oder das Gericht eine Versäumnis der Rechtsmittelfrist des Klägers geltend machen wollen.
--- Ende Zitat ---
Das sehe ich genauso! Der Bescheid, den ich bekommen habe (Siehe Eröffnungspost), ist übrigens kein Festsetzungsbescheid, sondern ein Ablehnungsbescheid über die Befreiung der Rundfunkbeitragspflicht für eine Nebenwohnung.
Wenn man gegen diesen nicht innerhalb eines Monats Widerspruch einlegt und auch nicht zahlt, muss man damit rechnen, einen Festsetzungsbescheid zu bekommen (ggf. nach Mahnung). Wenn der Ablehnungsbescheid zu diesem Zeitpunkt schon bestandskräftig ist, kann man sich mittels Widerspruch/Klage gegen den Festsetzungsbescheid nicht mehr gegen diese Ablehnung wehren. Insofern müsste man dann gegen zwei Bescheide kämpfen, wenn man die Meinung vertritt, dass für die erste Ablehnung die Jahresfrist gilt. Das macht die Sache in meinen Augen nur noch komplizierter und unsicherer, sollte also nicht unnötig provoziert werden.
Gleiches gilt entsprechend, wenn man einen Antrag auf Befreiung aus sozialen/medizinischen Gründen gestellt hat.
In meinem Fall lautet der letzte Satz der Rechtsmittelbelehrung übrigens:
--- Zitat ---Wird der Widerspruch in elektronischer Form eingelegt, so ist dieser durch De-Mail in der Sendevariante „mit bestätigter sicherer Anmeldung“ nach § 5 Abs. 5 De-Mail-Gesetz an die De-Mail-Adresse info@rundfunkbeitrag.de-mail.de zu richten.
--- Ende Zitat ---
d.h. stimmt bis auf die Änderung von E-Mail-Adresse in De-Mail-Adresse mit dem im Gerichtsbeschluss zitierten Satz überein.
Bürger:
Es ergibt sich im Übrigen die weitere Frage, ob nicht auch durch den wahrscheinlich ebenfalls falschen und damit irreführenden Hinweis, dass der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung habe und trotz Widerspruch zu zahlen sei - siehe u.a. unter
aufschieb. Wirkung v. Widerspr./Klage gg. "Festsetz.-/Feststellungsbescheid"
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,26121.msg192905.html#msg192905
die Rechtsbehelfsbelehrung - siehe u.a. unter
Rechtsbehelfsbelehrung BeitragsBESCHEID und WiderspruchsBESCHEID
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,8720.0.html
--- Zitat von: Bürger am 17. März 2014, 04:08 ---Rechtsbehelfsbelehrung der BeitragsBESCHEIDe
siehe auch
Gebühren-/Beitragsbescheide im Überblick
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,6636.0.html
bzw.
analog hierzu seit Sep 2014 neue "Machart":
Festsetzungsbescheide im Überblick
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,11015.0.html
--- Zitat ---Rechtsbehelfsbelehrung
[...]
Wichtige Hinweise:
[...] Der Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung (§80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Dies bedeutet, dass der geschuldete Betrag auch dann gezahlt werden muss, wenn Widerspruch eingelegt wird. [...]
--- Ende Zitat ---
--- Ende Zitat ---
so fehlerhaft wird und die "Einlegung des Rechtsbehelfs zu erschweren" geeignet ist
--- Zitat von: GesamtSchuldner am 05. Mai 2019, 13:01 ---[...]
VG Neustadt/Weinstraße Az. 5 L 1591/18.NW Beschluss vom 01.02.2019
http://www.landesrecht.rlp.de/jportal/portal/t/k0/page/bsrlpprod.psml?doc.hl=1&doc.id=MWRE190001052&documentnumber=2&numberofresults=80&doctyp=juris-r&showdoccase=1&doc.part=L¶mfromHL=true#focuspoint
[...]
--- Zitat ---15 3.1.3. Diese Rechtsbehelfsbelehrung ist nach Auffassung des Gerichts wegen fehlerhafter Belehrung über die Form des einzulegenden Widerspruchs unrichtig.
16 Zwar ist eine Belehrung über die Form des einzureichenden Rechtsbehelfs nicht erforderlich (s. zuletzt BVerwG, Urteil vom 29. August 2018 – 1 C 6/18 –, NJW 2019, 247). Jedoch ist eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht nur dann unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO, wenn eine ihrer in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Angaben nicht zutreffend formuliert ist, sondern auch, wenn ein zusätzlich aufgenommener Hinweis einen unzutreffenden oder irreführenden Inhalt hat, der nach seiner Art generell, also losgelöst vom Verständnis, das er beim Betroffenen gefunden hat, geeignet ist, die Einlegung des Rechtsbehelfs zu erschweren (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 – 3 C 23/08 –, NJW 2009, 2322).
[...]
--- Ende Zitat ---
[...]
--- Ende Zitat ---
dass sich die Widerspruchsfrist gegen die betreffenden "Festsetzungsbescheide" ebenfalls auf ein Jahr verlängert...? ;)
Jedenfalls scheint der Hinweis, dass der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung habe, geeignet zu sein, die Hemmschwelle hochzusetzen, da mglw. einige Betroffene vom Rechtsmittel absehen, da ja angeblich dennoch zu bezahlen sei, und sich damit für viele eine grundsätzliche Sinnfrage des Widerspruchs- und Rechtsweges insgesamt stellt. Das Rechtsverfahren soll durch die Belehrung augenscheinlich möglichst "erschwerend" dargestellt werden.
(Die Frage eines etwaigen Vorsatzes oder einer zumindest billigenden Inkaufnahme seitens ARD-ZDF-GEZ ist sicherlich vollkommen abwegig ::) und wollen wir hier vorerst mal gar nicht stellen...)
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